In Deutschland befindet sich fast die Hälfte des Vermögens in den Händen von über 60-Jährigen. Besonders im Private Banking droht die Gefahr, dass beim Ableben langjähriger Kunden erhebliche Vermögenswerte an Erben übergehen – und damit auch das Risiko, dass diese das Vermögen zu einer anderen Bank transferieren. Dies kann den Ertrag spürbaren drücken. Doch wie können Banken diese Gefahr abwenden und zugleich mithilfe von Generationenmanagement von diesen Übergabeprozessen profitieren?
Das Thema Tod ist heikel und emotional. Berater sprechen lieber mit ihren Kunden über positiv besetzte Themen. Zudem bedarf es an Fachexpertise, die nicht immer gegeben ist. Denn Nachlassplanung erfordert nicht nur steuerliches, sondern auch rechtliches Fachwissen. Das Thema verspricht auch keinen sofortigen Pay-off für den Berater, da sich das Thema erst erheblich später auswirkt – ein weiterer Aspekt, der das Thema in der Priorität für viele Berater tendenziell eher nachrangig macht.

Dabei liegt genau hier eine große Chance. Wer sich frühzeitig und zielgerichtet mit dem Thema Generationenmanagement beschäftigt, sichert nicht nur bestehende Kundenbeziehungen, sondern erschließt auch wertvolle Neukunden-Potenziale. Schließlich sprechen Berater so direkt Erben an. Hinzu kommen neue Ertragsquellen durch Folgetransaktionen und Honorare.
Ganzheitlich denken
Die Erbschafts- und Schenkungsmasse setzt sich fast ausschließlich aus Assets zusammen, die spezielles Bank-Wissen erfordern – ein weiterer Grund, sich als erster Ansprechpartner und langfristiger Begleiter zu positionieren, der diese Vermögenswerte optimieren und verwalten kann.
Das Thema muss neu gedacht werden. Und tatsächlich: Vielen Anbietern ist nicht klar, wie sie klar definiert und institutionalisiert vorgehen und wie sie dabei relevante Erfolgsfaktoren berücksichtigen können. Es gibt wenige Best-Practice-Beispiele auf dem Markt. Die wenigen Beispiele können aber durch innovative Lösungen und ein professionelles Angebot aus der Masse herausstechen.
Wie kann ein ganzheitlicher Ansatz konkret aussehen?
Der erste Schritt: Die Kundenberater schulen. Sie müssen nicht nur fachlich kompetent sein, sondern auch ein vertrauensvolles Verhältnis zum Kunden aufbauen, um mit ihm offen über die Nachlassplanung sprechen zu können. Qualifizierung und Zertifizierungen für Berater im Bereich Estate Planning helfen dabei, gut gerüstet für die komplexen steuerlichen und rechtlichen Fragestellungen zu sein. Gleichzeitig stärken sie die Expertise, die Kunden wahrnehmen. Ebenso sollte das Leistungsportfolio keine Lücken aufweisen: Kundenberater müssen eng mit Steuerberatern und Anwälten zusammenarbeiten, um den Kunden eine bequeme und professionelle Lösung aus einer Hand bieten.
Zudem ist es für Banken unerlässlich, die sich wandelnden Bedürfnisse der Erben in den Blick zu nehmen. Die jüngere Generation zeigt zunehmend Interesse daran, ihr Vermögen eigenständig zu verwalten. Digitale Angebote sind für sie besonders attraktiv. Hinzu kommt, dass Erben häufig nicht am selben Ort wie die Erblasser leben. Das erschwert Berater den Zugang zu ihnen. Ein frühzeitiger Dialog mit den Erben eröffnet den Banken die Chance, deren Bedürfnisse und Erwartungen besser zu verstehen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
Family Welfare
All dies mag auf den ersten Blick nicht nach einem Hexenwerk in der Umsetzung klingen. Die Kunst liegt jedoch darin, den Kunden so anzusprechen, dass er sich gerne mit dem oftmals als mühsam empfundenen Thema der Nachlassplanung auseinandersetzt – und dabei nicht nur seine eigenen Interessen verfolgt, sondern auch den Zugang zu den Erben öffnet. Denn Begriffe wie Generationenmanagement oder Nachlassplanung mögen wenig verlockend klingen. Doch was tatsächlich bei den Kunden ankommt, ist der Fokus auf das Wohl der Familie.

Besonders greifbar wird das Thema, wenn man die finanziellen Vorteile einer frühzeitigen Auseinandersetzung in den Vordergrund stellt: Viele Kunden können Schenkungen und Erbschaften aufgrund von Freibeträgen steuerfrei übertragen. Selbst hohe Vermögen, insbesondere Betriebsvermögen, lassen sich oft nahezu steuerfrei an die nächste Generation weitergeben. Dennoch zeigt die Praxis, dass vermögende Kunden diese Freibeträge häufig nicht nutzen. Eine frühzeitige Planung sichert Vermögen nicht nur, sondern trägt auch dazu bei, potenzielle Erbstreitigkeiten zu vermeiden – ganz im Sinne von Family Welfare.
Ein innovatives Beispiel hierzu geben einige Sparkassen. Die Institute haben „Karla“ ins Leben gerufen, einen digitalen Marktplatz für Alltagshelfer. Diese Plattform richtet sich gezielt an die sogenannte „Silver Society“ und vermittelt eine Vielzahl von bankfremden Dienstleistungen. Da häufig die Erben für ihre Angehörigen diese Services buchen, kommen sie unweigerlich mit der Bank in Kontakt – und das auf eine Weise, die Vertrauen aufbaut und die Bindung an die Bank stärkt. Das lässt sich im Private Banking nutzen.
Generationenmanagement ist weit mehr als eine Maßnahme, um nur Risiken zu minimieren – es ist eine strategisch relevante Voraussetzung für ein nachhaltig erfolgreiches Private Banking. Banken, die das Thema strategisch angehen und frühzeitig sowohl die Bedürfnisse der älteren als auch der jüngeren Generation adressieren, können sich in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt erfolgreich positionieren.
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