Kapital im Krisenmodus, Teil 1 Zeit für robuste Anlagestrategien

Marc Hocks: „Der breite Markt ignoriert inzwischen vorhandene Risiken und preist diese nicht mehr ein.“

Marc Hocks: „Der breite Markt ignoriert inzwischen vorhandene Risiken und preist diese nicht mehr ein.“ Foto: Tresono

September vergangenen Jahres hat Österreich eine Anleihe mit einem Kupon von 2,1 Prozent begeben, wohlgemerkt mit einer Laufzeit von 100 Jahren. Der Finanzminister, der die Anleihe im Jahr 2117 zurückzahlt, wird vermutlich frühestens 2052 geboren. Die Staatsanleihe war trotzdem überzeichnet und zeigt inzwischen einen Kursanstieg von knapp 3,5 Prozent. So absurd ist die neue Normalität.

Das Beispiel veranschaulicht sehr gut die aktuelle Situation an den Anlagemärkten. Viele Anleger haben inzwischen ihren Risikoanteil erhöht, beispielsweise über eine längere Duration, um neue Renditepotenziale zu erschließen. Fakt ist aber: Der durch das Niedrigzinsumfeld entstandene aktuelle Anlagenotstand bedeutet große Herausforderungen bezüglich der Risikoeinschätzung und der Suche nach Rendite für alle Anleger, seien es nun Privatvermögende, Stiftungen oder Versorgungswerke.

Ignoranz gegenüber Risiken

Unseres Erachtens ist es wichtig, neben einer breit angelegten Investmentstrategie ein professionelles Risikomanagement umzusetzen. Das bedeutet in der aktuellen Situation, antizyklisch vielerorts Risiken zu verringern statt aufzubauen. Denn der breite Markt ignoriert inzwischen vorhandene Risiken und preist diese nicht mehr ein. Für die strategische und taktische Asset Allocation bedeutet das einen Spagat.

Eine taktische Umsetzung der Anlagepolitik muss sich an der aktuellen Einschätzung der Marktsituation orientieren und kann dabei auch von einer langfristigen Beibehaltung des Niedrigzinsumfelds ausgehen. Die Anlagestrategie soll demgegenüber jedoch Unabhängigkeit von nicht beeinflussbaren exogenen Faktoren – zum Beispiel dem Zeitpunkt einer Änderung der Geldpolitik – schaffen und muss für mehrere Szenarien geeignet sein.

Die EZB verfolgt seit einigen Jahren, wie zuvor auch ihr US-Pendant, die Fed, eine extrem expansive Geldpolitik. Diese erreicht zwar europaweit die selbst gesteckten Ziele noch nicht, ist jedoch für einzelne Staaten wie Deutschland deutlich zu locker.

Das Maß der von der Notenbank künstlich geschaffenen Anlagewelt lässt sich an der aktuellen Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe feststellen: Sie liegt bei 0,4 Prozent pro Jahr. Eigentlich müsste sie gemäß den Erfahrungen aus vergangenen Zyklen und gemessen an volkswirtschaftlichen Daten mindestens 2,7 Prozent betragen.

Quelle: Morningstar 

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Es handelt sich also faktisch um eine Manipulation. Diese führte in den Anlagemärkten zu deutlichen Verschiebungen. Unseres Erachtens werden Risiken heute nicht mehr angemessen vergütet, sodass in vielen Marktsegmenten eine Überbewertung anzunehmen ist. Das liegt auch an Anlageentscheidungen, die teilweise auf nicht mehr funktionierenden Bewertungsmethoden beruhen. Vor allem sind damit solche gemeint, die wie die Orientierung am inversen Zins oder die Methode des Discounted Cash Flows am Zinsniveau ausgerichtet sind, und – mit Blick auf den Marktdruck – manchmal auf einer nicht ausreichenden Prüfung der Investments beruhen: Anleger kauften verstärkt risikobehaftete Investments, die eine höhere Rendite versprachen.

Das schlug sich in sinkenden Spreads gegenüber Staatsanleihen nieder – bis auf historisch niedrige Niveaus. Schließlich führte das Umfeld zu einer sehr positiven Aktienmarktentwicklung, wobei vor allem die stark gesunkenen Zinsen über den inversen Zins zu einer simplen Argumentation für die Ausweitung der KGVs führten. Stark steigende Preise und Bewertungen sind ebenso bei Immobilien und Private Equity zu verzeichnen. Hierzu trug mitunter der Einsatz niedrigverzinslichen Fremdkapitals bei.