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Die Billionengrenze ist überschritten. Auf 1.164 Milliarden US-Dollar schätzt das Global Impact Investing Network (GIIN) in 2022 die Größe des weltweiten Markts für Impact Investing. 2019 waren es noch 502 Milliarden Dollar. Klimanotstand, Gesundheitskrisen und wirtschaftliche Ungleichheit sind exemplarische Herausforderungen, die Impact-Investoren angehen. Ihnen ist klar: Ohne enorme Summen privaten Kapitals wird es nicht möglich sein, diese drängenden globalen Probleme zu meistern.
Hier kommen Family Offices ins Spiel. Sie sind aus mehreren Gründen besonders gut aufgestellt, um als Kapitalgeber im Impact Investing zu fungieren. Erstens haben sie im Vergleich zu vielen anderen institutionellen Anlegern keine strikten Anlagebegrenzungen. Zweitens sind sie in der Regel trotzdem mit dem notwendigen Kapital ausgestattet, um auch an den Privatmärkten zu agieren. Drittens drängt oftmals die jüngere Familiengeneration darauf, finanzielle Ziele mit sozialen und ökologischen zu vereinen.
Family Offices: Einige wenige Vorreiter im Impact Investing

Elena Eberle. ©4L Capital
„Wir merken, dass die Nachfrage nach Impact Investments bei der nachfolgenden Generation ein deutlich größeres Thema ist. Die jüngere Generation fragt aktiv nach – und dies auch expliziter“, sagt Elena Eberle, Vorständin des Multi Family Offices 4L Capital. Das Unternehmen mit Sitz in Ettlingen entstand 2021, als die Bardusch Vermögensmanagement mehrheitlich durch das Single Family Office 4L Vision des IT-Unternehmers Ralph Suikat übernommen wurde.
„Vorher waren wir eine klassische Vermögensverwaltung mit den klassischen Parametern. Heute sind wir auf Impact Investments spezialisiert und beschäftigen unter anderem auch eine eigene Analystin für diesen Bereich“, so Eberle. 4L Capital hat sich dem Impact Investment über alle Anlageklassen hinweg verschrieben und setzt dies auch in einem eigenen Aktienfonds um. Mit diesem Fokus gehört das Multi Family Office zu einer kleinen Gruppe von Pionieren.
Dass Family Offices bereits flächendeckend wirkungsorientiert investieren, davon kann keine Rede sein. Yvonne Brückner vom Forschungsinstitut Resfutura hat eine der bislang umfangreichsten Untersuchungen zu Hochvermögenden und Nachhaltigkeit im Dach-Raum durchgeführt, deren Ergebnisse im April veröffentlicht werden.
Nachholbedarf beim Verständnis von Impact Investing
Mehr als 100 Vermögensinhaber und ihre Family Officer hat Brückner dafür befragt. Ihr Eindruck: Beim Verständnis von Impact Investing gibt es sowohl aufseiten der Hochvermögenden als auch bei Verwaltern, Beratern und Betreuern Nachholbedarf. „Ich erlebe, dass auch Multi Family Offices mit nicht nur drei oder vier, sondern deutlich mehr Mandanten, sich erst noch erarbeiten müssen, was der konkrete Unterschied zwischen ESG und Impact ist.“
Tatsächlich ist das einer der Bremsklötze für Impact Investing: eine fehlende, hinreichend scharfe Definition, die zugleich niedrigschwellig genug ist, um professionelle Investoren zu ermutigen, ihre Impact-orientierten Allokationen zu erhöhen. Nach dem Verständnis des GIIN werden Impact-Investitionen mit der Absicht getätigt, neben einer finanziellen Rendite positive, messbare soziale und ökologische Wirkung zu erzielen.
Impact Investing: Anderes Mindset als ESG-Investing
Aktiv zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, das ist der Anspruch und Unterschied zum ESG-Investing, das vor allem mit Ausschlusskriterien arbeitet. „ESG führt vor allem zu Verbots- und Kompensationslogiken und damit zu noch mehr Bürokratie und Regeln. Das ist ein ganz anderes Mindset“, sagt Stefan Fritz, Partner der Investmentgesellschaft Primepulse. „Eigentlich sollten wir aber eine positive Stimmung erzeugen, sich mit neuen Technologien und Abläufen auseinanderzusetzen.“

Primepulse versucht genau das. Die Gesellschaft investiert schwerpunktmäßig in Unternehmen im Bereich Deeptech, tätigt die Investments bisher vor allem mit eigenem Kapital und managt Anlagen im Wert von mehr als einer Milliarde Euro. Fritz sieht sich selbst als Impact Investor, hat einen knapp 200-seitigen Impact-Investing-Leitfaden geschrieben. Ausgangspunkt bei der Entwicklung einer Impact-orientierten Anlagestrategie sind in der Regel die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
Die erste Frage, die ein Family Office stellen muss: Wünscht die Familie einen generalistischen Ansatz oder gibt es spezielle Bereiche, in denen Wirkung erzielt werden soll? „Dabei sollte es keine Fremdsteuerung durch externe Berater geben, da die gemeinsame Erarbeitung an sich auch eine sinnstiftende Funktion hat“, betont Fritz. Elena Eberle beschreibt den Ablauf so: „Wir definieren zunächst die individuelle Ausrichtung. Hat die Familie eigene Parameter, die berücksichtigt werden sollen? Dann werden Negativ- und Positivkataloge erstellt.“
Die Selektion durchläuft einen mehrstufigen Prozess. Möchte eine Familie beispielsweise besonders die Meere schützen, wird ergründet, was das konkret bedeutet: Geht es nur um technologische Lösungen? Oder spielen auch Ernährungsunternehmen, Stichwort Überfischung, eine Rolle? „Daraus ergeben sich eine individuelle, kundenspezifische Allokation und Selektion, die wir erstellen.“
Beim Aufbau eines Impact-Portfolios können Family Offices aus einer immer breiteren Palette spezifischer Impact-Fonds wählen. Gerade bei Sekundärmarkttransaktionen ist die Wirkung allerdings begrenzt. Idealtypisch finden Impact-Investments auf dem Privatmarkt in den Bereichen Private Equity und Private Debt statt. Speziell Unternehmen in der Gründungsphase stehen im Fokus. Auch Immobilien- oder Infrastrukturinvestments wird ein potenziell hoher Impact zugeschrieben.
Impact Investing: Family Offices als Trüffelschwein
„Wir versuchen als erstes die Frage zu klären, was die Familie wirklich unter Impact versteht. Bedeutet es, dass man in Unternehmen investiert, die diesen Impact hoffentlich bewirken oder möchte man selbst Impact erzielen?“, sagt Michael Jänsch, Geschäftsführer des Focam Family Office. Focam will neben bekannten Kriterien bei Investitionsentscheidungen, zunehmend auch Impact als Faktor etablieren.
Die meisten Impact-Investments seien dabei auf der Venture-Capital-Seite zu finden – entweder als Direktinvestitionen oder über VC-Fonds, die sich Impact-Themen auf die Fahne schreiben. Und die Arbeit eines Multi Family Offices bestehe auch darin, „eine Art Trüffelschwein zu sein“, das am Markt den passenden Anbieter oder das passende Unternehmen findet, das die Wünsche der Familie erfüllt.
„Wenn wir über das Liquide sprechen, haben wir für die Auswahl und das Reporting von Nachhaltigkeitskriterien verschiedene Anbieter, die wir nutzen“, fährt Jänsch fort. Neben MSCI ist das zum Beispiel Screen17, ein junges Unternehmen, das mit einem Scoring-System Unternehmen laufend in Bezug auf die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele analysiert. Darüber können die Focam-Portfoliomanager bestimmte Themen justieren, anpassen und die Portfolien darauf ausrichten. Zudem arbeitet das Multi Family Offices mit dem Climate-Tech right based on science sowie der Wertestiftung in Frankfurt zusammen. Um Themen wie Impact Investing und Nachhaltigkeit auszubauen, brauche es für Family Offices auch externe Unterstützung, ist sich Jänsch sicher. Eben weil die Themen so komplex und vielfältig sind.
Komplex ist beim Impact Investing speziell die konkrete Wirkungsmessung. Hierin liegt gleichzeitig eine der größten Herausforderungen. Denn bisher hat sich noch kein einheitlicher Impact-Messungs- und -Management- Standard etabliert. Es gibt allerdings eine Vielzahl anerkannter Frameworks. Dazu gehören:
– Five Dimensions of Impact des Impact Management Projects (IMP)
– Operating Principles for Impact Management
– IRIS catalogue of impact metrics (GIIN)
Über diese und andere Rahmenwerke hinaus nutzt mehr als die Hälfte der von der Bundesinitiative Impact Investing im Rahmen einer Studie befragten Investoren – darunter zahlreiche Family Offices – in Deutschland eigene Metriken und Indikatoren, um Wirkung zu messen. Das erschwert die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Ansätze und Investoren zusätzlich. Multi oder Single Family Offices sind beim Impact Management und der Messung gefordert. Sie müssen mit Unternehmen und Fondsmanagern vorab Ziele und Maßzahlen definieren, diese individuell tracken, um neben der finanziellen Rendite auch einen Impact-Return zu bestimmen.
Impact-Kennzahlen genau wie Finanzkennzahlen ermitteln
„Mit der gleichen Ernsthaftigkeit, mit der man vorher Ebit, Umsatz oder Marktanteile geplant und ermittelt hat, muss man auch Impact-Kennzahlen ermitteln“, sagt Fritz. Seiner Meinung nach sollte der Fokus dabei derzeit noch nicht auf einer Standardisierung des firmenübergreifenden Reportings des Impacts, sondern auf einer Standardisierung der internen Abläufe des Berichtswesens und dem Abgleich von Investitionsentscheidungen liegen.

Investmentgesellschaft
Primepulse.
©Primepulse
Erstaunlich: Am häufigsten wird laut der Marktstudie der Bundesinitiative Impact Investing die EU-Taxonomie mit der Offenlegungsverordnung SFDR von Impact- Investoren als Rahmenwerk genutzt (41,4 Prozent) – obwohl Impact Investing darin weder definiert noch umschrieben wird.
Wollte man das Verhältnis zwischen Regulatorik und Impact Investing als Beziehungsstatus beschreiben, hieße es ohnehin: „Es ist kompliziert.“ Einerseits zwingen regulatorische Rahmenbedingungen Multi Family Offices zum regelmäßigen Reporting in Bezug auf soziale und ökologische Probleme zur Datenerfassung und Berichterstattung. So kann die Regulierung für besseren Schutz vor „Impact Washing“ sorgen – wenn Unternehmen oder Fonds eine Wirkung für sich beanspruchen, die sie in Wirklichkeit nicht haben.
Andererseits besteht die Gefahr, dass Bestimmungen zu spezifisch und dadurch nicht praktikabel sind. So könnte der Regulator mit seinen Initiativen Impact Investing auch ausbremsen. „Was momentan mit der Regulatorik geschaffen wurde, ist ein Berg, den kaum einer mehr überblicken kann“, bemängelt Eberle. „Beispiel Taxonomieverordnung: Es gibt keine abschließende Möglichkeit, alle Anforderungen und Vorgaben zu den geforderten Messungen valide zu erfüllen.“
Wie Impact Investing bei professionellen Investoren in der Breite ankommt
4L Capital begegne dem mit Transparenz. „Wir kommunizieren, an welchem Punkt bestimmte regulatorische Anforderungen nicht eins zu eins umsetzbar sind, und zeigen auf, was wir tun und wie wir es tun. Damit holen wir die Kunden ab.“ Yvonne Brückner sieht für die Family Offices eine Menge Arbeit. „In der Praxis haben viele Family Offices alle Hände voll zu tun mit dem Tagesgeschäft. Längst nicht alle sehen sich da in einer edukativen Rolle, sondern sind intensiv
damit beschäftigt, die Bedürfnisse und Impulse der Vermögensinhaber zu bedienen – ohne zusätzlich eigene Themen zu setzen“, sagt sie. Daher erwarte sie nicht, dass Family Offices Impact Investing systematisch vorantreiben werden.

Resfutura. © Resfutura
Stattdessen dürfte es mehrere Treiber geben: eine Weiterentwicklung der Regulatorik (sowohl auf der unternehmerischen als auch auf der Kapitalanlageseite) – Fortschritte in Impact-Management und -Messung, ein wachsendes Angebot an hochwertigen und transparenten Investmentprodukten, ein Kompetenzaufbau bei Family Offices und Vermögensinhabern und nicht zuletzt der bei vielen Familien anstehende Generationenübergang. Die jüngere Generation wird die Anlageziele ihrer Familien für die nächsten Jahrzehnte bestimmen – und dabei stärker die Wirkung im Blick haben. Dann könnten Family Offices auch in der Breite die Vorreiterrolle einnehmen, die ihnen bereits jetzt zugeschrieben wird.
Dieser Text erschien im private banking magazin Ausgabe 02/2023. Die PDF-Version des Magazins finden Sie hier zum Download.