„Ohne 250 Millionen Euro investierbares Vermögen sollte man gar nicht erst darüber nachdenken, ein eigenes Family Office zu gründen.“ Diese Aussage läuft uns in diesen Tagen oft über den Weg. Egal ob langjähriger Venture-Capital-Investor, Privatbankier oder Multi-Family-Office-Vorstand – aus Sicht dieser Marktteilnehmer wirken Strukturen, die unterhalb dieser Vermögensschwelle gebildet werden, mehr als Hobby denn als ernstzunehmendes Family Office.
Und auch im Ausland ist diese Sichtweise nicht ungewöhnlich: So schrieb der Verfasser eines großen US-Family-Office-Newsletters zuletzt, dass die Schwelle für ein richtiges Single Family Office aus seiner Sicht eher im Rahmen von 1,5 bis 2 Milliarden (!) Dollar läge.
Solche Aussagen sind natürlich im jeweiligen Kontext zu sehen. So fiel die Aussage hinsichtlich der 1,5- bis 2-Milliarden-Schwelle etwa im Kontext von Family Offices, die selbst eine institutionelle Direktinvestmentstrategie in Anlageklassen wie Private Equity betreiben möchten – fairerweise raten auch wir unseren Family-Office-Kunden zur Zurückhaltung bei vorschnellem Einstieg ins Direktbeteiligungsgeschäft.
„Wie wir in der Praxis erlebt haben, rentieren sich 'kleine' Family Offices weitaus früher rentieren, als traditionelle Marktteilnehmer behaupten “
Doch öfter stellt sich die Frage zur Mindestgröße im Kontext davon, was ein Family Office eigentlich genau definiert. Oft erleben wir, dass Marktteilnehmer ein “echtes” Family Office daran definieren, ob es etwa ein dediziertes Team für jede Anlageklasse hat oder interne Bereitstellung von Nischendienstleistungen möglich macht – welche sich in der Tat erst ab substantiellen Vermögensgrößen lohnen.
Doch das ist nicht unsere Definition eines Family Office. Für uns dient ein Family Office dazu, die Eigentümer:innen insbesondere in all ihren vermögensbezogenen Themen zu unterstützen, und hat dementsprechend immer dann eine Daseinsberechtigung, wenn es in diesen Dingen für die Eigentümer:innen (wahrgenommenen) Mehrwert jenseits der assoziierten Kosten liefert. Egal, wie groß das dahinterstehende Vermögen sein mag.
Gerne möchten wir darlegen, wie wir das Leistungsspektrum eines „kleinen“ Family Office definieren und wie wir in der Praxis erlebt haben, dass solche Strukturen sich weitaus früher rentieren, als traditionelle Marktteilnehmer behaupten – sowohl mit quantifizierbaren als auch qualitativen Beispielen.
Was definiert ein kleines Family Office?
Wie in unserem Einleitungsparagraphen sichtbar, ist die (Single-)Family-Office-Definition ein viel diskutiertes Thema. Die Mindestgröße ist hier ohne Zweifel ein genau so großer Diskussionspunkt wie der genaue Leistungsrahmen. Relevanter für uns ist jedoch die Frage, was aus unserer Sicht ein kleines Family Office auszeichnet. Wir sehen drei Kernpunkte:
- Das kleine Family Office hat einen begrenzten Kreis von Eigentümern. Manche kleine Family Offices werden von nur einem Eigentümer gegründet. Oft sehen wir auch gemeinsame Strukturen von Mitgründern einer gemeinsamen Unternehmung oder eine Familie in erster Generation.
- Das kleine Family Office hat begrenztes Kapital. Das investierbare Kapital ermöglicht einen klaren „Return on Investment“ auf die Kosten des Family Offices. Nichtsdestotrotz machen die Kombination von begrenztem Kapital und kleinem Team die Abwägung notwendig, welche Themen sinnvoll intern betreut werden können und welche ausgelagert werden müssen.
- Das kleine Family Office hat begrenzte Komplexität. Da es (in der Regel) keine milliardenschweren Strukturen mit zweistelliger Zahl globaler verteilter Familienmitgliedern betreuen muss, ist die thematische Komplexität verhältnismäßig überschaubar. Auch ist anders als bei großen Family Offices viel klarer, welche Themen zur internen Betreuung überhaupt infrage kommen und was klar aus kommerzieller Sicht ausgeblendet und „outgesourced“ werden kann.
Auf den ersten Blick mag dies insbesondere für die Unternehmer:innen, die über eine Family-Office-Gründung nachdenken, unspektakulär klingen. Warum eine Struktur aufbauen, die sich möglicherweise nicht um alle Themen ganz umfassend kümmern kann? Am Ende bestimmen die Eigentümer:innen, was ihre Prioritäten sind – während die Aufgabe eines Family Office aus unserer Sicht vor allem in den teils wenig spektakulären Themen wie Vermögensstruktur und -betreuung liegt.
Allein diese Aspekte können in der Regel profitabel intern abgedeckt werden, doch am Ende verbleibt natürlich noch Kapazität für kleine, aber für die Eigentümer:innen spannende Themen - doch mehr dazu später im Artikel.