Familie im Office Wie Familienmitglieder ins operative Family Office passen

Henning Schröer von Fidubonum

Henning Schröer von Fidubonum: „Für die Frage, inwieweit sich die Familie hierbei persönlich involvieren sollte, gibt es drei wesentliche Entscheidungsfelder: Hierarchie, Inhaberstrategie und Kompetenz.“ Foto: fidubonum

Family Offices nehmen typischerweise sehr unterschiedliche Aufgaben wahr. Dafür bedarf es entsprechend diversifizierter Fähigkeiten. Den strategischen Herausforderungen bei der Entwicklung von Investmentstrategien für das Gesamtvermögen und die einzelnen Asset-Klassen stehen operative Anforderungen und der Bedarf nach spezifischem Anlagewissen bei deren Umsetzung gegenüber. Strategisches Geschick ist auch bei den Überlegungen zur Nachfolgeplanung gefragt oder wenn ein Family Office die dafür optimierten (steuer-)rechtlichen Strukturen schafft.

 

Wer sie implementiert und dauerhaft unterhält, dem nützt ein gewisses juristisches Verständnis. Dieses hilft auch dabei, die verschiedenen Beteiligungsgesellschaften und ihre Organe zu steuern. Dafür sind aber auch Management-Fähigkeiten erforderlich, was natürlich für die operative Steuerung des Family Office selbst auch gilt. Nicht zuletzt besteht oft die Herausforderung, maßgeschneiderte Dienstleistungen für einen heterogenen Gesellschafterkreis zu erbringen. Dafür bedarf es neben der Fähigkeit, diese effizient zu organisieren, nicht selten auch besonderer kommunikativer Fähigkeiten.

Interne Organisation

Wahrscheinlich wird in den meisten Fällen kein Familienmitglied all diese Fähigkeiten und Neigungen mitbringen. Für jedes Family Office sollte daher in einem ersten Schritt sehr genau analysiert werden, welche der genannten Leistungen die Familie mit welcher Intensität und welchem Qualitätsanspruch erwartet. Dem schließt sich die Frage an, inwieweit diese Leistungen das Family Office selbst erbringen oder inwieweit es sie von Dritten zukaufen soll.

Daraus ergibt sich dann ein spezifischer Leistungszuschnitt für das Family Office, der auf personeller Seite zum einen die Kompetenzen für die Eigenleistungen erfordert und zum anderen Management und Koordination der Dienstleister verlangt. Für die Frage, inwieweit sich die Familie hierbei persönlich involvieren sollte, gibt es drei wesentliche Entscheidungsfelder: Hierarchie, Inhaberstrategie und Kompetenz.     

Hierarchie

Nicht wenige Familien postulieren für ihr Familienunternehmen, dass Familienmitglieder dort nur Praktikant oder Geschäftsführer respektive Vorstand werden dürfen. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass Familienmitglieder im Mittelmanagement verunsichernd auf das Hierarchiegefüge
wirken können. Und zwar sowohl nach oben als auch nach unten. Auch für das Familienmitglied ist es schwierig, genau in seiner Rolle zu bleiben. Schließlich wird es permanent mit Erwartungen konfrontiert, die über die an die ausgeübte Rolle zu stellenden weit hinausgehen. Was für
das Familienunternehmen gilt, ist auch für das Family Office gültig.

Für den familienfremden Leiter des Family Office ist zum Beispiel die Führung des für die Immobilienverwaltung zuständigen Mitarbeiters aus der Inhaberfamilie schwierig, wenn er weiß, dass dieser ihn vermutlich einmal hierarchisch überholen wird und auch schon aktuell ungleich mehr als er selbst das Ohr der Eigentümer hat. Das kann dafür sprechen, dass Familienmitglieder eine mehr beaufsichtigende Rolle, etwa über eine Beiratsfunktion, im Family Office übernehmen. Ist trotzdem eine tägliche Mitarbeit gewünscht, sollte diese entweder führend sein oder sich auf mehr koordinierende, impulsgebende und strategische Funktionen erstrecken. Mitarbeiter
des Family Office können die Inhalte dann operativ umsetzen.

Inhaberstrategie

In größeren und möglicherweise in unterschiedliche Interessengruppen zerfallenden Familien dient das Family Office oft als Kristallisationspunkt für den Familienzusammenhalt. Nutzt die Familie praktische Family Services, organisiert das Family Office Familienveranstaltungen und
hat die gemeinsame Vermögensanlage Erfolg, kann das dabei helfen, die familiären Fliehkräfte einzudämmen. Das gilt in noch stärkerem Maß, wenn das Family Office als möglichst neutral und nicht einer Strömung innerhalb der Familie zugehörig wahrgenommen wird. Dieser Aspekt kann
in gewisser Weise limitieren, wie Funktionen im Family Office familienintern besetzt werden.

Umgekehrt kann es inhaberstrategisch gerade sinnvoll sein, im Family Office Positionen für Familienmitglieder zu schaffen. Gibt es zum Beispiel zwei rivalisierende Geschwister oder Vertreter unterschiedlicher Familienstämme und nimmt einer von ihnen eine wichtige Position im Familienunternehmen ein, kann es dem Familienfrieden zuträglich sein, wenn die Familie für den anderen eine attraktive und wichtige Zuständigkeit hinsichtlich des sonstigen Vermögens vergeben kann. Vielleicht gibt es auch ein einflussreiches Familienmitglied, das gegenüber der gemeinsamen Vermögensverwaltung prinzipiell kritisch eingestellt ist, aber mit der Einbindung in
eine Funktion dann doch dafür begeistert werden kann.

Auch wenn solche taktischen Überlegungen auf den ersten Blick ein wenig befremden, können sie doch durchaus ihre Berechtigung haben. Wie in jedem Sozialgefüge gibt es auch in Unternehmerfamilien Befindlichkeiten und Fliehkräfte. Ihnen durch Einbindung und Teilhabe Einhalt zu gebieten, muss keine schlechte Idee sein.

Kompetenz

Aber nicht um jeden Preis: Es muss immer sichergestellt sein, dass jedes Familienmitglied die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für die von ihm übernommene Position mitbringt und motiviert ist, diese so gut wie möglich auszufüllen. Zuerst sollte klar sein, welche Verantwort-
lichkeiten aus dem breiten Leistungsspektrum des Family Office die zu besetzende Position umfasst. Danach kann das Family Office oder die Familie definieren, welcher Kompetenzen persönlicher und fachlicher Art es dafür unter Berücksichtigung der hierarchischen und inhaberstrategischen Überlegungen bedarf.

 

Suboptimal ist es allerdings, wenn das Kompetenzprofil auf die Person eines Kandidaten aus der Familie hingebogen wird. Daher sollten die Parteien es möglichst unabhängig von einem konkreten Besetzungsprozess bestimmen. Das klappt natürlich umso besser, je mehr die Position aus abstrakten inhaberstrategischen Vorgaben abgeleitet wird und je weniger sie individuell-familiären Rücksichtnahmen geschuldet ist. Dann lassen sich auf fachlicher Ebene auch abstrakt Qualifikationsanforderungen bestimmen, wie zum Beispiel eine bestimmte Ausbildung, der Erwerb definierter Zertifizierungen oder an anderer Stelle gewonnener Praxiserfahrungen. Orientiert man diese Anforderungen möglichst an familienextern organisierten Kursen, Prüfungen und Qualifikationen, kann das das familieninterne Konfliktpotenzial reduzieren.

Die Definition von solchen sinnvollen, aber nicht zu niedrigen Qualifikationshürden bringt zwei Vorteile: Sobald der Bewerber sie übersprungen hat, darf damit gerechnet werden, dass er die Funktion gut ausfüllen wird. Andererseits begründen sie die Hoffnung, dass sich nur diejenigen Familienmitglieder letztlich für eine Position bewerben, die genügend Interesse und Biss haben, die davorstehenden Hürden zu überwinden.

Auswahlprozess

Das größte Problem in dieser ganzen Gemengelage stellt nämlich ein fachlich oder persönlich ungeeignetes Familienmitglied dar, das sich für irgendeine Position im Family Office bewirbt. Müsste es abgelehnt werden, wäre das für den Betroffenen schlimm. Die Ablehnung beschränkt sich nämlich nicht auf die fachlich-persönliche Zurückweisung, wie sie in jeder Bewerbungssituation vorkommen kann. Die besondere Härte ergibt sich daraus, dass der Zurückgewiesene anschließend weiter mit der ihn zurückweisenden Familie leben muss. Möglicherweise wird er dann die Person, die statt seiner die angestrebte Position ausfüllt, nicht sonderlich wohlwollend begleiten.

Eine Zurückweisung kann darüber hinaus den Familienfrieden ernsthaft gefährden, wenn Loyalitätsgefühle zum Abgelehnten bei einigen Familienmitgliedern den Blick auf die Gründe für die Ablehnung verstellen. Gibt es in der Familie ohnehin schon unterschiedliche Fraktionen und soll die betreffende Position eine Fraktion dafür kompensieren, dass sie an anderer Stelle zurücksteht, kann eine Ablehnung die Gräben zwischen den Fraktionen noch weiter vertiefen.

Andererseits führt eine nachhaltig fehlende fachliche oder persönliche Kompetenz irgendwann unweigerlich zu mangelnder Qualität. Ein den Erwartungen der Familienicht genügendes Family Office läuft Gefahr, die interfamiliären Spannungen, die der ganzen Problematik zugrunde liegen, noch zu verstärken. Daher sollten zum Scheitern verurteilte innerfamiliäre Bewerbungen unbedingt vermieden werden. Die beschriebenen fachlichen Hürden sind ein Mittel dazu.

Kommunikation und Kompensation können andere sein. Manche Familien definieren auch einen mehrjährigen Ausbildungsgang, der neben dem Erwerb fachlicher Kompetenzen, der Ausbildung von Management-Fähigkeiten und definierten Praxiserfahrungen auch Coaching-Elemente enthält und möglicherweise sogar ein Gutachten über die persönliche Eignung des Betroffenen für das Amt vorsieht. Zusätzlich können Familien noch ein entweder von allen Familienströmungen gleichmäßig oder von möglichst neutralen Dritten besetztes Organ einsetzen, das den Prozess begleitet. Das professionalisiert das Verfahren und soll stillschweigende oder ausdrückliche Erwartungen zurückdrängen, hinsichtlich einzelner Defizite eines Bewerbers ein Auge zuzudrücken.

Mehr, also insbesondere eine qualitative Prüfung des Bewerbers in fachlicher oder persönlicher Hinsicht, sollte man dem Gremium aber besser nicht zumuten. Gleichgültig, inwieweit es familienintern oder familienextern besetzt ist, könnte es hierbei zwischen die familiären Konfliktlinien geraten, während es diese doch eigentlich glätten soll. Das Gremium sollte, sofern es nicht rein familienintern besetzt ist, auch nur die Verfahrenshygiene sichern und eine Entscheidungsempfehlung geben. Die endgültige Entscheidung sollte die Familie treffen.


Über den Gastautoren:

Henning Schröer hat für die Familie Merz in Frankfurt ein Family Office aufgebaut und über
zehn Jahre geleitet. Mit Fidubonum berät er vermögende Familien in Strategie- und Strukturfragen, wozu auch die Beratung beim Aufbau eines Family Office gehört.

 

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