Faktor-Investing, Quant-Strategien & Co. „Weniger Big Data, sondern Alternative Data interessieren uns“

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Können Sie ein Beispiel geben?

Hillert: Ein Datensatz, der derzeit sehr intensiv genutzt wird, sind Google-Suchanfragen. Google bietet Informationen darüber, wie oft ein Begriff gesucht wird. Somit sieht man, wofür sich beispielsweise Konsumenten und Investoren gerade interessieren. Ein anderer spannender Datensatz sind Plattformen wie estimize.com. Dort können Investoren aller Art Gewinnprognosen für Unternehmen veröffentlichen. Und es ist tatsächlich so, dass die Weisheit der Masse, die „wisdom of the crowd“, Informationskraft besitzt. Wichtig ist nur, dass die Prognosen unabhängig voneinander erfolgen müssen. Durch die vielen verschiedenen Einschätzungen hat man die größtmögliche Menge an Informationen, wodurch man Gewinne von Unternehmen viel besser vorhersagen kann.

Wie muss man sich das vorstellen?

Hillert: In meiner Forschungsarbeit „The Value of Visibility“ mit Dr. Michael Ungeheuer von der Aalto University in Helsinki haben wir die Beziehung zwischen der Sichtbarkeit von Unternehmen und zukünftiger Unternehmensprofitabilität sowie zukünftigen Aktienrenditen untersucht. Und das in einem Zeitraum von 1926 bis 2014. Unsere Analysen bestätigen, dass höhere Medienberichterstattung mit höherem Umsatz und Gewinnwachstum sowie mit höheren Aktienrenditen über die nächsten drei Jahre einhergeht. Außerdem weisen Unternehmen mit hoher Medienberichterstattung in den nächsten Jahren Verbesserungen in ihrer Unternehmensführung auf.

Neugebauer: Ich finde es wichtig, neue Informationsquellen zu erforschen, die einem neue Sichtweisen liefern. Alternative Daten spielen aber nicht nur im Quant eine Rolle, sondern auch an der Schnittstelle zum traditionellen Fondsmanagement. Wichtig ist, den Fokus nicht zu verlieren, die Datenquellen auszusuchen, die Sinn machen und die langfristig einen Zusatznutzen generieren.


Inwieweit nutzen die Sparkassen die Quant-Strategien der Deka bereits?

Neugebauer: Sie nutzen sie rege. Wir erarbeiten für viele Sparkassen systematische Investmentstrategien für die unterschiedlichen Risiko-Rendite-Profile. Der seit Jahren erfolgreich eingesetzte Sigma-Plus-Ansatz ist beispielsweise modular aufgebaut und kann so auf die jeweiligen Bedürfnisse einer Sparkasse exakt zugeschnitten werden. Das Anlagekonzept basiert dabei auf fundamentalen Daten, die mithilfe mathematischer Modelle aufbereitet werden. Je nach Marktlage werden die Anlageklassen nach ihrer Attraktivität gewichtet. Die variable Mischung von Aktien und Renten zielt dabei darauf ab, bei Einhaltung eines ausgewogenen Risikoprofils laufende Erträge zu erzielen und von Kurssteigerungen zu profitieren.

Helfen die Strategien gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld?

Neugebauer: Die Vorteile möchte ich anhand eines Beispiels verdeutlichen. Die Erträge aus klassischen Rentenportfolios reichen bekanntlich nicht aus, um die erwartete Rendite zu erwirtschaften. Deshalb haben wir das Depot A einer Sparkasse zur Kompensation der fehlenden Erträge so ausgerichtet, dass bestehende Aktienrisiken effizienter genutzt werden können. Dazu haben wir in unserer Strategieanalyse zunächst berechnet, wie viel Gestaltungsspielraum das Portfolio bei vorgegebenem Risikobudget aufweist. Anschließend haben wir den bisherigen Aktienanteil durch eine Low-Risk-Aktienstrategie ersetzt. Bei Low-Risk-Konzepten stehen die langfristigen Ertragschancen von Aktien im Fokus. Gleichzeitig wird angestrebt, das Verlustrisiko zu reduzieren. Das bedeutet: Die Sparkasse deckt ihr Aktienengagement künftig über eine Low-Risk-Strategie ab und kann dadurch bei gleichem Risiko die Aktienquote auf 27 Prozent erhöhen. 

 


Über die Interviewten:
Dr. Ulrich Neugebauer ist als Geschäftsführer der Deka Investment für deren quantitative Produkte verantwortlich.  Seine berufliche Laufbahn begann der promovierte Physiker 1998 als Portfoliomanager im damals neu formierten quantitativen Fondsmanagement der Deka. 2003 übernahm er dort den Bereich Quantitative Produkte.  Dieser wurde im Januar 2008 um alternativen Strategien und 2014 um ETFs ergänzt.

Dr. Hillert ist seit 2016 Professor für Sustainable Asset Management an der Frankfurter Goethe Universität. Der 32-Jahrige war zuvor Assistant Professor am Research Center SAFE und als Post-Doctorate am Lehrstuhl für Internationale Finanzierung der Universität Mannheim tätig. In seiner Dissertation mit dem Titel „Essays in Empirical Finance“ hat Hillert die Informationsverarbeitung von Investoren untersucht.

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