Erfahrungswerte aus der Praxis So konzipiert man ein Family Office

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Bei der Entscheidungsfindung für oder gegen ein Family Office spielt nach meiner Erfahrung auch immer die Frage eine Rolle, ob es in der Familie kompetente Personen gibt, die aktiv im Family Office mitarbeiten. Möglicherweise sehen sich die Vermögensinhaber aber eher in der Rolle der Aufsichtsräte beziehungsweise der Kontrolleure. Dazu muss die Frage beantwortet werden: Soll das Family Office also aktives Betätigungsfeld von Familienmitgliedern sein oder komplett von familienexternen Personen geführt werden?

Wenn es um die Vor- und Nachteile eines Family Offices geht, spielen neben der gebündelten Verwaltung des Familienvermögens noch andere Aspekte hinein. Denn es ist nicht unüblich, dass in dem Konstrukt auch eine Fülle an Dienstleistungen integriert werden. Ein solches „Familienbüro“ kann sich um die reine Vermögensverwaltung kümmern. Daneben kann es auch die Einhaltung und Administration der Family Governance übernehmen.

Ebenfalls denkbar sind Concierge Services für die Familienmitglieder. Das mögliche Leistungsspektrum erstreckt sich darüber hinaus auch auf das Finanz-Reporting und das Risikomanagement; ein Family Office kann aber auch die Planung und Ausrichtung von Familientagen und -zusammenkünften übernehmen. Mit Blick auf diese Vielfalt kann ein größer ausgestattetes Family Office Sinn machen. 

Make or Buy

In der Praxis kann es vorkommen, dass ein Unternehmer, der vorrangig in direkte Beteiligungen an Start-ups investiert, seine Zeit auf dieses Thema konzentrieren und in andere Fragen der Vermögensverwaltung nicht involviert sein möchte. Er kann diese Aufgaben dann entweder durch sein eigenes kleines Family Office, das sich gezielt und kostengünstig um ausgewählte Themen kümmert, erledigen lassen. Oder er gliedert derartige Themen an ein Multi Family Office aus.

Die Entscheidung, Aufgaben selbst zu übernehmen oder Leistungen von Dritten einzukaufen – Make or Buy – muss genau geprüft werden. Detaillierte Kosten- und Nutzenanalysen in Verbindung mit einem Business- oder Cash-Flow-Plan für das Family Office bereiten im Idealfall die Entscheidung hoch professionell und sachlich vor. Und sie ermöglichen im Zeitablauf auch eine Überprüfung und regelmäßige Überarbeitung der Ergebnisse.

Zunehmend höhere Anforderungen an die regulatorischen Bestimmungen und die globale Transparenz gegenüber den Steuerbehörden sowie die vorherrschenden Offenlegungspflichten, wie sie sich beispielsweise aus dem Transparenzregister ergeben, können auch für sich genommen Grund genug sein, eine professionelle Einheit – also ein Family Office – zu gründen, das sich im Interesse der Familie um derartige Fragestellungen kümmert und die Familie gegen Compliance- und Steuerrisiken schützt. 

Fazit und abschließende Worte 

Jede Unternehmerfamilie, die mit dem Gedanken spielt, ein eigenes Family Office zu errichten, sollte in Ruhe und mit Unterstützung von praxiserfahrenen Beratern überlegen, welche Anforderungen sie an ein eigenes Family Office stellt. Wichtig ist hierbei, die Überlegungen ganzheitlich und unter Berücksichtigung aller Vermögenswerte der Familie vorzunehmen und den oder die Berater so auszuwählen, dass deren generalistischen und kompetenten Meinungen zu den unterschiedlichen Themenkomplexen beitragen.

Der ideale Sparringspartner ist also eher nicht der Anlageberater, der in der Vergangenheit entschieden hat, ob besser Bayer- oder BASF-Aktien gekauft werden oder ein hochrangiger Experte bei komplexen Steuerstrukturen, sondern eher diejenige Person, die beispielsweise bereits für ein Family Office tätig war oder die eine breite Berufserfahrung als Berater oder Unternehmer in unterschiedlichen Industrien oder Disziplinen sammeln konnte.

Auch zwischenmenschliche Konstellationen im Rahmen der Familienverfassung sind zu berücksichtigen. Es ist hilfreich, wenn die gesamte Familie von einem erfahrenen Sparringspartner durch den Prozess der Erstellung einer Familienverfassung geführt wird. Denn erst wenn alle Themen auf dem Tisch liegen und in der Anlagestrategie berücksichtigt werden, können derart gravierende Entscheidungen über die Entwicklung des Gesamtvermögens professionell getroffen werden. Es ist nicht im Sinne der Vermögensinhaber, wenn die Interessen einzelner Familienmitglieder oder Berater eskalieren.

Erst nach ausführlicher Analyse der oben genannten Beweggründe und Faktoren kann eine sinnvolle Entscheidung getroffen werden, welche Themen eher im eigenen Family Office oder bei externen Dienstleistern wie Multi Family Offices oder unabhängigen Vermögensverwaltern beziehungsweise Steuer- oder Rechtsberatern aufgehoben sind. Familienmitglieder und Vermögensinhaber, die bisher wenig oder keine Erfahrung mit Anlagethemen, Family Governance oder Nachfolgelösungen gesammelt haben, können von Trainingsangeboten für die selbstbestimmte Vermögensstrukturierung profitieren.

Bei allem guten Willen des Anlegerschutzes, Mifid II und der drohenden Überregulierung der Finanzbranche, sind sicherlich solides ökonomisches Hintergrundwissen und konkrete Kenntnisse der volatilen Finanzmärkte sowie praktische Erfahrung in der Auswahl und dem Management von Anlageprodukten und -strategien der beste Anlegerschutz und die beste Strategie für den Schutz des eigenen Vermögens. Die Unternehmung Family Office ist im wahrsten Sinne des Wortes ein eigenes Unternehmen und sollte auch entsprechend professionell geführt werden. 



Über den Autor:
Peter Brock betreut seit Oktober 2018 Unternehmerfamilien als deren strategischer Berater und Family Officer in allen Fragen rund um das Familienvermögen, darunter ganzheitliche Vermögensverwaltung, Aufbau und Strukturierung von Family Offices, Family Governance und Nachfolgelösungen sowie M&A-Transaktionen und Direktbeteiligungen. Bis September 2018 war Brock Leiter Family Office Services bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Düsseldorf.

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