Erfahrungswerte aus der Praxis So konzipiert man ein Family Office

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Sicherung des Familienzusammenhalts

Ein Family Office dient aber auch der Sicherung des Familienzusammenhalts – zum Beispiel in Situationen, in denen die Nachfolgegeneration das ursprüngliche Familienunternehmen nicht weiter betreiben möchte. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Erben das Vermögen im Rahmen einer Familienholding breiter managen möchten und sich dabei als reine Investoren betrachten. In der Bundesrepublik wächst insbesondere die Zahl an Vermögensnachfolgen bei Unternehmerfamilien aus der Nachkriegsgeneration.

Weiterhin besteht unter vermögenden Privatkunden hohes Interesse an Formen der Direktanlage, zum Beispiel im Rahmen einer unternehmerischen Beteiligung und eines Direkterwerbs von Immobilien. Diese Vorhaben machen eine größere eigene Infrastruktur notwendig. Sicherlich sind auch bei indirekten Investitionen die eigenen Ressourcen für die Manager-Auswahl wichtig, aber bei unternehmerischen Direktbeteiligungen ist der Ressourcenaufwand für die Generierung von Transaktionen, die Durchführung und das andauernde Management des Beteiligungsportfolios höher.

Die Entwicklung am Markt für Family Offices wird aber auch durch die sich sukzessive entwickelnde Transparenz des Marktes forciert. Zahlreiche fokussierte Veranstaltungen tragen ebenso zu diesem Trend bei wie ein wachsendes Angebot an speziellen Schulungen und langjährige wissenschaftliche Ausarbeitungen durch Universitäten oder Verbände.

Professionalität des Family Offices

Family Offices sollten ausschließlich die Interessen der Vermögensinhaber vertreten. Bei der Evaluierung unterschiedlicher Anlagekategorien und -produkte sollten sie zwingend unabhängig agieren. Sie sollten im Interesse des Vermögensinhabers Transparenz herstellen bezüglich etwaiger Gebühren, Kosten oder jeglicher Rückvergütungen.

Darüber hinaus sollten sie unvoreingenommen und objektiv unterschiedliche Asset-Klassen prüfen und bewerten können. Diese Objektivität sollte über alle Anlagemöglichkeiten hinweg bestehen. Und zwar regional beziehungsweise nach Währungsräumen. Ebenso nach der Branche, von der das Investment bestimmt wird.

Von herausragender Bedeutung ist, ob eine Investmentstrategie direkt oder indirekt umgesetzt werden soll und ob dabei aktive oder passive Anlagestile verfolgt werden. Die Gewichtung der unterschiedlichen Asset-Klassen in der Gesamtvermögensallokation ist ebenfalls von Gewicht, wie die Frage, ob Investitionen ausschließlich in Eigenkapital-Produkte erfolgen sollen, oder ob auch Fremdkapital, Mezzanine oder hybride Strukturen im Portfolio aufgenommen werden sollen.

Gleichzeitig interessieren sich vermögende Privatkunden für die neuen Möglichkeiten, die mit dem Einsatz und der Nutzung von künstlicher Intelligenz und Robo-Advisern verbunden sind. Sie ermöglichen mitunter erst die Selbstverwaltung des eigenen Vermögens oder zumindest können sie diese erleichtern.

Faktoren für die Family-Office-Entscheidung

Ich werde häufig gefragt, ab welcher Vermögenshöhe ein Single Family Office Sinn macht. Im Family Office Guide von Ernst & Young hatte sich das Team vor einigen Jahren entschieden, dass dies grundsätzlich ab einer Vermögensgröße von 200 Millionen US-Dollar Sinn machen kann. Andere Quellen nennen höhere Summen von zum Beispiel 500 Millionen US-Dollar. Eine derartige Festlegung auf eine absolute Vermögenshöhe ist objektiv betrachtet jedoch wenig sinnvoll.

Zusätzliche Faktoren für die Entscheidung über die Sinnhaftigkeit eines Family Offices sind – neben den ganz individuellen Ansprüchen der Unternehmerfamilie – beispielsweise die erwartete Entwicklung des Vermögens im Zeitablauf. So kann es unter Umständen sinnvoll sein, bereits bei einem kleineren Vermögen die Strukturen für ein Family Office aufzusetzen – wenn man die Erwartungshaltung hat, dass das eigene Unternehmen eines Tages verkauft wird. Ein solcher Ansatz ermöglicht es der Unternehmerfamilie, die Funktionsfähigkeit, die operativen Abläufe des Family Offices und dessen Governance-Strukturen über Jahre hinweg gewissermaßen zu testen und zu optimieren, bevor der eigentlich große Kapitalzufluss stattfindet.

Wenn es um die Entscheidung geht, ob ein Family Office für die eigene Familie sinnvoll ist, spielt auch der Level an Heterogenität der Anlageklassen des Vermögens eine Rolle: Je komplexer die Zusammensetzung der Asset-Klassen ist, desto eher macht ein Family Office mit den unterschiedlichen Kompetenzen Sinn. Hier spielt auch der Diversifikationsgrad innerhalb einzelner Asset-Klassen eine Rolle. 

Ein Family Office kann die Familie sinnvoll unterstützen, wenn auf unterschiedlichen Wegen in Immobilien investiert wird. Die Vielfalt ist enorm und erstreckt sich neben Eigen- oder Fremdkapital auch auf hybride Mezzanine-Produkte und eigene Projektentwicklungen – und das bundesweit und global. Nicht vergessen werden darf, dass die steuerliche und rechtliche Komplexität einzelner Vermögenswerte und -strukturen und auch des Gesamtvermögens große Compliance-Anforderungen mit sich bringen kann.