Fixed Income Totgesagte leben länger – Paradigmenwechsel an den Märkten

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Totgesagte leben länger – Paradigmenwechsel an den Märkten
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Wolfgang Sussbauer von PGIM

Wolfgang Sussbauer von PGIM: „Die aktuellen Spreads gleichen die schwächeren Aussichten aus und preisen höhere Ausfallraten ein als wahrscheinlich eintreten werden. Schon dies führt zu erstrebenswerten risikobereinigten Renditen.“ Foto: PGIM

Insbesondere wenn sie positive laufende Erträge für ihre Verpflichtungsseite benötigen, haben Fixed-Income-Anleger, die mit ihren festverzinsten Wertpapieren Rendite generieren wollen, eine lange Durststrecke hinter sich. Mit denen sich seit einiger Zeit verändernden makroökonomischen Rahmenbedingungen, könnte sich dies nun ändern. Der BIP-Ausblick ist für die Eurozone und Großbritannien eher schwach.

Mit dem Ende der expansiven Notenbankpolitik in den USA und Europa, sind jedoch wieder interessante Zins- und Spreadniveaus entstanden. Dies führt unweigerlich zu einem Re-Pricing, der automatisierten Preisoptimierung anhand der aktuell angebotenen Preise auf dem Markt, von Anlageklassen wie Aktien oder Immobilien, die im Nullzinsumfeld eine massive Ausweitung der Multiples (KGV beziehungsweise Kaufpreisfaktor zur Kaltmiete) erfahren hatten.

Noch bleiben viele Anleger bei Risikoanlagen vorsichtig und das aus gutem Grund. Es besteht nach wie vor die Gefahr, dass die Zinsstraffungspolitik der Zentralbanken uns in eine tiefe Rezession, ja vielleicht sogar in eine Stagflation drängt.

Wie sehen also die Rahmenbedingungen für Fixed Income vor diesem rezessiven makroökonomischen Hintergrund aus? Der Ausblick auf das BIP ist insbesondere für die Eurozone schwach. So prognostizieren unsere Analysten für 2023 ein negatives BIP-Wachstum. Konkret soll die Wirtschaftsleistung um 1,4 Prozent zurückgehen.

 

 

 

Europa ist sehr viel stärker als die USA von Energieimporten abhängig und speziell die Unwägbarkeiten um eine ausreichende Gasversorgung lasten gleichermaßen auf der Industrieproduktion und dem Verbrauchervertrauen. Kreditspreads, also Kreditaufschläge, haben konsequenterweise im laufenden Jahr eine deutliche Ausweitung erfahren, wenngleich sie unter den Covid-Risikoaufschlägen von Ende des ersten Quartals 2020 liegen, wie die folgende Grafik deutlich macht.

Kreditspreads erfuhren eine deutliche Ausweitung, wenngleich sie unter den Covid-Risikoaufschlägen vom Ende des ersten Quartals 2020 liegen, zeigen diese Daten vom 31.08.2022© PGIM Fixed Income

Gleichzeitig sind die Ausfallquoten der Unternehmen in Europa und den USA im historischen Kontext niedrig. Die Schlussfolgerung, die sich daraus ziehen lässt: Die aktuellen Spreads, also die Differenz zwischen zwei einheitsgleichen zu vergleichenden ökonomischen Größen, gleichen die schwächeren Aussichten aus und preisen höhere Ausfallraten ein als wahrscheinlich eintreten werden. Schon dies führt zu risikobereinigten Renditen. Insbesondere wenn die Risikoaufschläge in den kommenden Wochen neue Hochs testen, beispielsweise bei europäischen Hochzinsanleihen in Richtung 700 Basispunkte steigen, bieten sich für langfristig orientierte Investoren Investment-Opportunitäten.

Aktives Management lebt jedoch neben der richtigen Risikoeinschätzung für den Gesamtmarkt vor allem von der Einzeltitelselektion und Sektorallokation. Für diese Entscheidungen stützen wir uns auf die Analysen des hauseigenen Credit Research Teams, in dem weltweit mehr als 130 Analysten zusammenarbeiten.

Europa mit mehr Risiken als USA, aber attraktiv

Ein Blick lohnt sich beispielsweise bei Investment Grade Credit: nimmt man das Jahresende 2019 als Bezugspunkt, so haben sich die Spreads für Anleihen mit Investment Grade Rating, einem Prädikat für Obligationen hoher Güte betreffend dem Ausfallrisiko von 93 Basispunkten auf 139 Basispunkte (USA) respektive 202 Basispunkte (Europa) ausgeweitet, wobei die Daten von Ende August dieses Jahres sind. Europa wird aufgrund der Nähe zum Ukraine-Krieg und wegen des Risikos von Energieengpässen als riskantere Region eingestuft. Insgesamt liegen jedoch beide Spreadniveaus über ihren langfristigen Durchschnittswerten.

 

 

 

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Welche Anleihe-Bereiche bieten nun die besten Renditechancen? Im Investment-Grade-Bereich sollten Anleger folgende Branchen genauer betrachten:

Bereich 1: Telekommunikation

Mobilfunk ist und bleibt ein defensives Geschäft, auch wenn sich die Akteure in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld bewegen. Sie stehen unter hohem Innovationsdruck und konzentrieren sich aktuell auf die Einführung von 5G-Mobilfunkdiensten der nächsten Generation. 5G-Kapazitäten sind notwendig, um innerhalb der Branche eine gute Wettbewerbsposition zu sichern. Letztlich müssen sie aber auch neue Möglichkeiten zur Generierung von Umsatz und Cashflow erarbeiten, die jenseits der Dienstleistungen im Bereich Mobilfunk liegen.

Sicherlich stehen die Mobilfunkanbieter unter großem Wettbewerbsdruck. Der Markt ist nahezu gesättigt, das Basisgeschäft bleibt aber robust –, denn kaum jemand kann und will auf ihre Dienstleistungen verzichten. Die Margen werden dabei künftig in erster Linie von dem Wechsel der Kunden zu höherwertigen Tarifen sowie von Roaming- und anderen Einnahmen mit höheren Margen profitieren.

All diese Faktoren zusammen genommen sollten der Branche – trotz des wirtschaftlichen Drucks auf Verbraucher und einer möglichen Rezession – genügend Widerstand gegen Probleme von außen ermöglichen.

Bereich 2: US-amerikanische Pipelines

Die Energietransportbranche ist auf der einen Seite stark abhängig von den Energieerzeugern. Trotzdem haben die Energiepreise bisher nur einen geringen Einfluss auf die Pipeline-Industrie. Daher werden die dortigen EBITDA-Steigerungen – das heißt das Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte – moderater ausfallen. Gerechnet wird mit einem Zuwachs von 5 bis 10  Prozent.

Druck durch neue Wettbewerber droht den etablierten Akteuren in diesem Bereich nicht: Investitionsmöglichkeiten sind in den USA eingeschränkt, da der Bau von Mega-Pipelines im großen Stil fast unmöglich ist. Ähnlich positiv werden sich voraussichtlich Raffinerien und Ölservice-Unternehmen entwickeln.

Bereich 3: Integrierte Energiekonzerne (Erzeugung, Übertragung, Speicherung, Verteilung)

Nach unserer Einschätzung wird das durchschnittliche EBITDA dieses Teilbereichs im Jahresvergleich deutlich höher ausfallen als im vergangenen Jahr. Dies könnte sogar eine Steigerung von mehr als 100 Prozent bedeuten, da die Rohstoffpreise auf einem historisch hohen Niveau verharren. So sind etwa die Ölpreise im Vergleich zum zweiten Quartal 2022 um 63 und die Erdgaspreise um 153 Prozent gestiegen.

Auch der Cashflow dieses Teilsektors dürfte bei allen Anleihen deutlich positiv sein. Dafür waren die Dividendenkürzungen von BP, Shell und Equinor im Jahr 2020 entscheidend. Aktionärsfreundliche Maßnahmen wie Dividendenerhöhungen und Aktienrückkäufe sind jüngst jedoch wieder stärker in den Blickpunkt gerückt.

Immer wichtiger wird ESG für die drei großen europäischen Ölkonzerne Total Energies, Shell und BP. Auch dies beeinflusst das Anleihegeschäft. Daher wird der Anteil des Investitionskapitals für ESG-freundliche Projekte (Ladestationen, Offshore-Windkraftanlagen, Biokraftstoffe) in den nächsten zwei bis drei Jahren wahrscheinlich von 10 auf 25 Prozent ansteigen.

Fazit:

Wie eingangs erwähnt, bietet Fixed Income nach einer längeren Periode niedriger Renditen und trotz des aktuell herausfordernden Wirtschaftsumfelds interessante Einstiegsmöglichkeiten. Sowohl im Investment-Grade- als auch im High-Yield-Sektor können langfristig orientierte Investoren Renditepotenziale nutzen und so von den hohen Kreditspreads profitieren.

Über den Autor:
Wolfgang Sussbauer ist seit 2010 in verschiedenen leitenden Funktionen bei der US-Fondsgesellschaft PGIM Fixed Income tätig. Seit 2019 leitet er das Fixed-Income-Geschäft in Deutschland und Österreich. Vor dieser Zeit war in leitender Funktion im institutionellen Vertrieb bei Axa Investment Managers.

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