Ewigkeitsklausel und Projektausgaben Der schwierige Spagat bei Stiftungsvermögen

Stefan Fritz, Leiter des Stiftungsmanagement der Hypovereinsbank/Unicredit Bank in München (links), und Jörg Seifart, Gründer und Geschäftsführer der Gesellschaft für das Stiftungswesen mit Sitz in Düsseldorf.

Stefan Fritz, Leiter des Stiftungsmanagement der Hypovereinsbank/Unicredit Bank in München (links), und Jörg Seifart, Gründer und Geschäftsführer der Gesellschaft für das Stiftungswesen mit Sitz in Düsseldorf. Foto: Quelle: P. Hipp/CHR. Scholtysik

Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Wenn ein Privatkunde von seinem Vermögen spricht, ist schnell klar, was er meint. Bei einer Stiftung ist das schwieriger. Unter Stiftungsvermögen würde der unbefangene Zuhörer grundsätzlich alle positiven und negativen Vermögenswerte verstehen, die im Eigentum der Stiftung stehenbilanziell ausgedrückt, das Eigenkapital.

Doch Kapital ist nicht immer gleichbedeutend mit Vermögen. Schon die Stiftungsgesetze verwenden den Vermögensbegriff je nach Kontext unterschiedlich. Erst recht drohen Missverständnisse zwischen Beratern und Kunden im Stiftungssegment, die schon auf dieser rudimentären Ebene häufig aneinander vorbeireden. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich dringend nachzufragen, damit man wirklich über die gleichen Summen spricht. Unter Stiftungsvermögen im engeren Sinne wird häufig der Teil des Gesamtvermögens verstanden, der dem Vermögenserhaltungsgebot unterliegt.

Einzelne Stiftungsgesetze verwenden hierfür den Begriff Grundstockvermögen. Dieses darf von Gesetzes wegen nicht verbraucht, verschenkt, unter Wert veräußert oder sonst in vermeidbarer Weise verringert werden. Anders als bei anderen Anlegern ist dieser Teil des Vermögens einer Stiftung strikt abzugrenzen von den ausgeschütteten Erträgen. Hierzu zählen etwa die Zinsen, Dividenden und Mieterträge, die aus dem Grundstock fließen. Spenden fallen ebenfalls darunter. Diese Mittel unterliegen nicht dem Erhaltungsgebot. Im Gegenteil: Sofern es sich um eine steuerbegünstigte Stiftung handelt, gilt für die Erträge sogar das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung.

Die komplexe Welt des Stiftungsvermögens

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Quelle: Hypovereinsbank

Stiftungen sind meist für die Ewigkeit gegründet. Daher ist das Grundstockvermögen zu erhalten. Gleichzeitig müssen Erträge aber größtenteils für die Verwirklichung des Stiftungszwecks ausgegeben werden. Nur die Töpfe der freien Rücklage und Umschichtungsrücklage lassen sich flexibel verwenden

Das bedeutet, dass sie spätestens bis zum Ende des zweiten auf den Zufluss folgenden Kalender- oder Wirtschaftsjahres für den Stiftungszweck ausgegeben werden müssen. Über die Einhaltung des Erhaltungsgebots wacht die Stiftungsaufsicht, über die zeitnahe Mittelverwendung das Finanzamt.

Verstöße gegen die beiden gegenläufigen Anforderungen können nicht nur für die Stiftung empfindliche Folgen haben, sondern im Extremfall auch zur persönlichen Haftung der verantwortlichen Gremienmitglieder in der Stiftung führen. Verständlich also, dass diese im Unterschied zu anderen institutionellen Investoren an einer sauberen Differenzierung sehr interessiert sind.

Die exakte Unterscheidung fällt allerdings nicht immer leicht, da die Zuordnung einzelner Positionen selbst unter Fachleuten umstritten ist. Ein Beispiel dafür sind Optionsprämien, etwa aus gedeckten Stillhaltergeschäften (Covered Calls), die einige größere Stiftungen praktizieren. Es wird vertreten, dass die Prämien als Erträge einzuordnen sind, die der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung unterliegen, soweit sie nicht in eine Rücklage eingestellt werden.

Die Gegenansicht argumentiert bilanzrechtlich: Die Prämien seien außerordentliche Gewinne, da sie nicht aus der regulären Nutzung der Wertpapiere stammen. Daher gehörten sie auf die Vermögensseite und dürften nicht verausgabt werden. Wie unter Juristen üblich, gibt es natürlich auch noch eine dritte Meinung, die auf den sogenannten inneren Wert abstellt und die Prämie entsprechend gesplittet dem Ertrags- und Vermögensteil zuordnet. Mit anderen Worten: Wie die Stiftung mit dem Zahlungseingang umgehen kann, ist umstritten – jedenfalls unter Fachleuten.

Zudem laufen die Stiftungen damit Gefahr, dass es die Behörden im Zweifelsfall genau andersherum sehen. Da es hierzu fast keine Fachliteratur gibt, von entsprechenden Urteilen ganz zu schweigen, stellt sich die Frage: was nun? In der Praxis sollte die Stiftung früh das Gespräch mit den Behörden suchen und sich in der Anlagestrategie an deren Auffassung orientieren. Schwierigkeiten bereiten derzeit häufig auch die Rückflüsse aus den sich in Abwicklung befindlichen offenen Immobilienfonds. Stiftungen müssen die Rückflüsse in einen Vermögens- und einen Ertragsteil aufteilen.

Ohne die entsprechenden Angaben vonseiten der Initiatoren ist dies gar nicht möglich. Regelmäßig sorgt auch der Umgang mit Stückzinsen bei der Veräußerung von Rentenpapieren während der Laufzeit für Unsicherheit und Verwirrung. Richtigerweise werden vereinnahmte Stückzinsen beim Verkauf der Anleihe durch die Stiftung als Vermögenszuwachs gebucht, bezahlte Stückzinsen beim Kauf hingegen als negative Einnahme.

Die strikte Trennung zwischen Vermögen und Erträgen führt auch bei einem anderen wichtigen Begriff zu unterschiedlichem Verständnis bei Stiftung und Vermögensberater: der Rendite. Während der Berater üblicherweise Kursänderungen und Ausschüttung zusammenrechnet, muss der Stiftungsvorstand differenzieren: Eine noch so hohe Gesamtrendite ist für ihn zumindest für die eigentliche Stiftungsarbeit nutzlos, wenn sie nicht zum Teil aus ausschüttungsfähigen Erträgen besteht.

Denn nur mit den Erträgen kann die Stiftung ihre Projekte bezahlen. Von der bloßen Steigerung des Depotwerts profitiert etwa ein Kinderdorf in Afrika nicht. Das soll nicht heißen, dass ein gänzlicher Verzicht auf Vermögenszuwächse in einem Stiftungsdepot sinnvoll wäre. Diese dienen neben den Rücklagen dem viel beschworenen Kapitalerhalt. Hier ist noch zu erwähnen, dass es wichtig ist, im Rahmen der Definition der Anlagestrategie die Cashflow-Bedürfnisse der Stiftung zu berücksichtigen.

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Ein Thema, das oft in der (Erst-)Beratung vollkommen untergeht, für die Stiftung aber elementar ist. Denn sie hat auch laufende Kosten wie die Vermögensverwaltungsgebühren zu bezahlen.

Realer Vermögenserhalt mit Renten

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Quelle: Deutsche Bundesbank, Statistisches Bundesamt, Hypovereinsbank

Das Grundstockvermögen von Stiftungen, die keine Rücklagen bilden, verliert dank Inflation an Kaufkraft. Doch der reale Vermögenserhalt lässt sich bei voll ausschüttender Anlage selbst über die maximale freie Rücklage nicht dauerhaft erreichen. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahrzehnten Phasen, in denen die Geldentwertung höher lag. Die Folge: Vermögensverzehr.

Kursänderungsrisiko wird überbewertet

Von Beraterseite wird zudem das Kursänderungsrisiko bei Rentenpapieren häufig überbewertet. Stiftungen betreiben häufig kein aktives Durationsmanagement, sondern halten die Papiere bis zur Fälligkeit. Sinken die Kurse der Papiere im Bestand aufgrund eines Zinsanstiegs, muss die Stiftung in diesen Fällen bilanziell nicht zwangläufig abschreiben. Ein Verlust im Stiftungsvermögen findet auf dem Papier nicht statt.

Etwas anderes gilt für Rentenfonds, deren nachhaltige Kursverluste sich gegebenenfalls nach dem gemilderten Niederstwertprinzip auch in der Bilanz niederschlagen. Dieses Prinzip besagt, dass ein Abschreibungsbedarf nur dann besteht, wenn die Wertminderung dauerhaft ist. Neben Grundstock und Erträgen gibt es noch ein drittes Vermögenssegment: die Rücklagen. Sie lassen sich nur mithilfe der Rechnungslegung vom übrigen Vermögen unterscheiden. Als Risikopuffer und Liquiditätsreserve eignen sich vor allem freie und Umschichtungsrücklage.

Die freie Rücklage speist sich aus den Erträgen. Allerdings ist die Höhe der Bildung dieser Rücklage limitiert. Maximal ein Drittel der Überschüsse nach Kosten aus der Vermögensverwaltung und lediglich bis zu 10 Prozent der sonstigen Mittel, insbesondere Spenden, dürfen der zeitnahen Verwendung in jedem Geschäftsjahr auf diese Weise entzogen werden. Die freie Rücklage soll es Stiftungen, die ausschließlich in ausschüttende Anlagen investiert sind, ermöglichen, den häufig geforderten realen Kapitalerhalt darzustellen. In Zeiten niedriger Zinsen geht diese Rechnung aber meist nicht auf.

Zum einen schrumpft mit den geringeren Erträgen die Basis für die Rücklagenbildung. Zum anderen reichen die rückläufigen Ausschüttungen bei vielen Stiftungen schon nicht mehr aus, um Kosten der Zweckverfolgung und Verwaltung zu decken. Die Rücklagenbildung als schwächstes Glied in der Ausgabenkette bleibt dann häufig auf der Strecke. Die Umschichtungsrücklage hingegen speist sich aus dem Grundstockvermögen, indem ihr gegebenenfalls realisierte Vermögenszuwächse zugeführt werden, etwa Kursgewinne von Wertpapieren.

Bei Vermögensverlusten kann sie mit diesen verrechnet und unter Umständen negativ werden. So schützt sie das Grundstockvermögen vor unerwünschten Verlusten. Anders als die freie Rücklage ist sie gesetzlich nicht geregelt, sondern hat sich aus der Praxis der Wirtschaftsprüfer entwickelt. Mittlerweile wird sie von Behörden weitgehend akzeptiert. Immer mehr Stiftungen setzen vorhandene Rücklagen als Steuerungsgröße für ihr Risikobudget ein.

Veranstaltungshinweis:

Seminar: Stiftungen erfolgreich in der Vermögensanlage beraten (Modul 1)

Termin: 18. November 2014, 9 bis 17 Uhr
Ort: Frankfurt am Main

Termin: 19. November 2014, 9 bis 17 Uhr
Ort: Hamburg

Preis: 835 Euro (Normalpreis), 695 Euro (Frühbucher bis Ende September), 30 Prozent Rabatt für Newsletter- und/oder Print-Abonnenten vom private banking magazin sowie Teilnehmern der private banking kongressen

Referenten: Dr. Stefan Fritz, Leiter des Stiftungsmanagement der HypoVereinsbank/Unicredit Bank;  Jörg Plesse, Erb- und Stiftungsmanager im Private Banking der Norddeutschen Landesbank; Jörg Seifart, Gründer und Geschäftsführer der Gesellschaft für das Stiftungswesen
Credits: 5,0 CPF-Credits (FPSB-Veranstaltung 13-105)

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