Raus aus der Bank, Teil 8 Ehemalige Private Banker der Hypovereinsbank beraten in Flensburg

Frank Buchholz (links) und Jörg Schierling (rechts) von Euthenia Finanzen

Frank Buchholz (links) und Jörg Schierling (rechts) von Euthenia Finanzen: Aus der Bank auf die andere Fördeseite – und in die Selbstständigkeit. Foto: Euthenia Finanzen

Eigentlich, so erklären es Jörg Schierling und Frank Buchholz, hätten sie ja nur die Hafenseite gewechselt. Statt im Private-Banking-Standort der Hypovereinsbank an der östlichen Wasserkante der Flensburger Innenförde sitzen sie nun in einem Gebäude auf der westlichen Seite. Mit Blick auf die alten Büroräume.


Alle Teile der Serie „Raus aus der Bank“ im Überblick:


Seit Oktober 2022 arbeiten die ehemaligen Private Banker gemeinsam im eigenen Unternehmen: Euthenia Finanzen heißt die Firma, die Schierling bereits im August 2022 gegründet hat - Euthenia ist die altgriechische Wohlstandsgöttin. Unter diesem Namen berät und betreut das Duo vermögende Kunden nicht nur in Flensburg, sondern auch in ganz Deutschland. Eine feste Mindestgröße an Vermögen setzt das Duo allerdings nicht voraus. „Das Potenzial von Kunden lässt sich nicht allein an den Zahlen auf dem Kontoauszug festmachen“, merkt Schierling an, der allerdings darauf verweist, dass die Kerndienstleistungen erst ab einer Anlagesumme von 250.000 Euro Sinn ergäben.

Fokus auf das Anlagegeschäft, NFS Netfonds als Haftungsdach

Denn Schierling und Buchholz fokussieren sich zu einem Großteil auf das Anlagegeschäft. „Dabei setzen wir auf vermögensverwaltende Mischfonds als Fundament des Portfolios, Satelliten-Investments werden auf die Kunden abgestimmt“, erklärt Buchholz. Neben den aktiven Fonds nutzt das Duo dafür ETFs, vereinzelt Einzelaktien sowie Zinspapiere – letztere trotz Zinswende aber noch selten. Die Abwicklung der Geschäfte läuft über eine Direktbank, um Kunden ein attraktives Gebührenmodell bieten zu können. Die Kunden wählen dabei überwiegend Einzelpreismodelle. „Den Trend zu Pauschalgebühren nehmen wir in unserer Arbeit nur begrenzt wahr“, erklären Schierling und Buchholz.

Als Haftungsdach fungiert NFS Netfonds – auf Empfehlung ehemaliger Kollegen hin und nach eigenen Gesprächen habe man sich für den Marktführer aus Hamburg entschieden, berichten die Euthenia-Gründer. Der Schritt in die Selbstständigkeit erst nach vielen Jahren Banktätigkeit hänge auch mit der eigenen Vita zusammen.

 

Denn: Schierling und Buchholz sind Flensburger, arbeiteten erstmals ab 2002 bei der Vereins- und Westbank vor Ort zusammen. Das Private Banking des mittlerweile vom Markt verschwundenen Hamburger Instituts war damals neu gegründet worden, 2003 entstand mit Schierling und Buchholz ein eigenes Flensburger Team, das rasch größer wurde. Im folgenden Jahr wurde die Vereins- und Westbank dann in die Hypovereinsbank integriert. Im neuen Institut nahmen beide dann diverse Führungspositionen ein, waren jeweils auch Chef des anderen.

„Wir haben zusammen stets auf Augenhöhe mit unseren Kunden zusammengearbeitet“, berichtet Buchholz über die Tätigkeit im Flensburger Private-Banking-Team der Bank, die größtenteils in den Büroräumen auf der östlichen Hafenseite stattfand, oft aber auch auf dem Sofa des Kunden zuhause – unterbrochen nur von einem beruflichen Ausflug, den Buchholz wagte: Zwischenzeitlich war er Geschäftsführer des lokalen und höchst erfolgreichen Handballbundesligisten SG Flensburg-Handewitt, wechselte aber nach einem Jahr zurück zur Hypovereinsbank.

Banken verändern sich: „Macht es dem richtigen Private Banking ganz schwer“

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Dass Schierling und Buchholz dort nicht immer noch zusammenarbeiteten, macht Schierling an verschiedenen Entwicklungen innerhalb des Instituts und der Branche fest, die in den vergangenen Jahren auftraten: „Es begann das, was auch in anderen Großbanken zu beobachten zu ist: Es gibt drastische Sparauflagen, eine überbordende Regulatorik und nicht zuletzt auch höhere Hürden bei der Umsetzung individueller Wünsche des Kunden.“  Der nach Schierlings Angaben gut funktionierende Mittelweg musste mehr Compliance-Auflagen, einer neuen Organisationsstruktur und einer massiven Standardisierung weichen – „in einem Maße, die es dem richtigen Private Banking ganz schwer macht.“

Ein Wechsel zu einer anderen Bank hätte wahrscheinlich ähnliche Probleme bedeutet. „Die Bank an sich ist nicht verkehrt, aber wir wollten einen neuen Weg einschlagen“, berichtet Buchholz. Er blicke auf eine schöne Zeit bei der Hypovereinsbank zurück, freue sich nun aber auf mehr Individualität und Freiheit: „Ich wollte am Ende nicht für Prozesse arbeiten, sondern für meine Kunden“.

 

Die Neugründung im Sommer verlief laut Schierling und Buchholz problemlos, das Arbeitspensum sei trotz der Unternehmensgründung geringer geworden. Auch die Arbeit mit dem Haftungsdach funktioniere gut. Einzige Hürde war demnach die Anmeldung der eigenen GmbH. „Hätten wir das Unternehmen ein paar Kilometer weiter nördlich in Dänemark gegründet, wäre der Bürokratieaufwand deutlich geringer gewesen“, schmunzelt Schierling.

Dennoch: Bisher scheint der Plan für die Selbstständigkeit aufzugehen, resümiert Buchholz: „Wir haben das optimistischste Szenario unserer Business Plans bereits nach drei Monaten erreicht.“ Ehemalige Private-Banking-Kunden wechselten und wechseln zu Euthenia, zudem kommen weitere Interessenten aus dem lokalen Netzwerk der beiden Flensburger hinzu. Diese werden mit Schwerpunkt Vermögensverwaltung, Vermögensanlage und -strukturierung von Schierling und Buchholz mit deutlich mehr Zeit für den Kunden betreut.

Kontakt zum ehemaligen Arbeitgeber bleibt bestehen

„Wir werden aber auch immer mit unseren Kunden über Erbschaft, Finanzplanung, Liquiditätsmanagement oder dergleichen sprechen – und dann jemanden aus unserem Netzwerk hinzuziehen“, fasst Buchholz den Ansatz zusammen, Kunden für Immobiliendarlehen oder andere Dienstleistungen so unter Umständen auch an die HVB weiterzuvermitteln.

Der Kontakt zur anderen Hafenseite bleibt also bestehen – nicht nur über den Blick durch das Bürofenster. „Wir konzentrieren uns nun aber auf das, was wir am besten können“, fasst Schierling zusammen. Das mache im Übrigen auch am meisten Spaß. Und schon allein deshalb habe sich der Schritt in die Selbstständigkeit und der Umzug auf die andere Hafenseite gelohnt.

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