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Eurozone in der Krise Vier Strategien für den Weg aus der EU-Verschuldung

Der französische Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: 500 Milliarden Euro wollen beide Regierungschefs für die EU-Krisen-Staaten zur Verfügung stellen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: 500 Milliarden Euro wollen beide Regierungschefs für die EU-Krisen-Staaten zur Verfügung stellen. Foto: imago images / Hans Lucas

Die Corona-Krise mit ihren Lockdown-Maßnahmen und Hilfspaketen führt zu einer Verschärfung der Staatsverschuldung. Bereits hochverschuldete Staaten müssen immer höhere Verbindlichkeiten schultern – eine neue Zerreißprobe für die Eurozone bahnt sich an. Denn wer soll die Schulden begleichen?

Aufwärtstrend bei europäischer Schuldenquote

Viele EU-Staaten lockern allmählich die Lockdown-Maßnahmen. Die Zukunft der Haushalts- und Geldpolitik in Europa bleibt derweil ungewiss. Angesichts einer doppelt so hohen Verschuldung von Italien im Vergleich zu Deutschland ist die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion in Schieflage.

Die Regierungschefs bewegen sich derzeit auf einem schmalen Grat: Auf der einen Seite sollen die in den vergangenen Monaten getroffenen Maßnahmen die Gesundheitssysteme entlasten und auf der anderen Seite unmittelbare wirtschaftliche Schäden begrenzen. Doch in den nächsten zwei Jahren dürfte die Verschuldung der einzelnen Länder der Eurozone vor diesem Hintergrund noch weiter auseinanderdriften – Unterschiede von bis zu 100 Prozent sind zu erwarten. Welche Optionen gibt es für die Bewältigung der wachsenden Verschuldung?

Vier Strategien, um der Verschuldungsspirale zu entkommen

Die Staatsschulden in der Eurozone werden rasant ansteigen: Steuereinnahmen fallen aus und neue Ausgaben stehen an, vorrangig um Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten. Grundsätzlich gibt es mehrere Wege, um nach der Krise wieder zur Normalität zurückzukehren:

Ein möglicher Ansatz wäre der Abbau von Haushaltsdefiziten und die Verpflichtung zu Austeritätsmaßnahmen in den ärmeren EU-Ländern. Zentrales Ziel der Austeritätsmaßnahmen ist es, das Staatsdefizit und den Schuldenstand zu reduzieren. Diese Option ist allerdings nicht nur von einem politischen und moralischen Standpunkt aus vertrackt. Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist dieser Ansatz gefährlich. Das Beispiel Griechenland zeigt: Austerität hat seit 2008 zu mehr negativen als positiven Auswirkungen hinsichtlich der Staatsausgaben geführt.

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Schaffung von nominalem Wachstum, also Inflation. Angesichts von Demografie und Produktivität in Europa dürfte diese Option jedoch nur schwer realisierbar sein. In einer Zeit, in der die Sparquoten außerordentlich hoch sind, scheint ein Anstieg der Inflation kurzfristig wenig wahrscheinlich.

Eine weitere Alternative ist die Umstrukturierung zu hoher Schulden. Diese Option könnte zwar die Verschuldungsquoten verringern, sie würde aber bedeuten, dass Banken und Investoren, deren Gelder hauptsächlich in Staatsanleihen investiert sind, zur Kasse gebeten werden müssten. Eine Umschuldung hätte in diesem Zusammenhang dramatische Konsequenzen für die politische Glaubwürdigkeit der Eurozone.

Die letzte Möglichkeit wäre eine Vergemeinschaftung von Schulden – langfristig gesehen die bei Weitem vielversprechendste Option. Die Emission von EU-Anleihen (Eurobonds) würde die EU-Integration festigen und neue haushaltspolitische Handlungsspielräume auf nationaler und europäischer Ebene schaffen: Auf einer nationalen Ebene könnten die Regierungen die Haushalte neu aufstellen und auf der europäischen Ebene würden neue Mittel zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie bereitstehen, etwa für neue strukturelle Gemeinschaftsausgaben im Rahmen der Klima- oder Migrationspolitik.

Dem Populismus darf kein Vorschub geleistet werden

Eine der größten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Lockerung der Beschränkungen wird die Bewältigung der entstehenden Ungleichheiten sein. Wenn starke EU-Staaten darauf bestehen, dass die ärmeren und am stärksten betroffenen EU-Länder ihre Verschuldung erhöhen müssen, wird ein Umfeld gestärkt, das den Vormarsch des Populismus begünstigt.

Es darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden, dass der etwaige Zwang zu Austeritätsmaßnahmen – ohne dass Schulden vergemeinschaftet werden – unweigerlich den Zusammenhalt der Eurozone gefährdet. Es entstünde das Risiko, zu den Pleitewellen der 1930er Jahre zurückzukehren – die im Fall Deutschlands mit dem Leitgedanken des Versailler Vertrags zusammenhingen, Deutschland für die Verheerungen des Ersten Weltkriegs zahlen zu lassen – was einige Jahre später zu furchtbaren politischen Konsequenzen führte.

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