Europäische Anleihen „Es ist eine Spekulationsblase“

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Wahrscheinlich eine abendfüllende Veranstaltung.

Oliphant: In der Tat. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel. Ein Aktienanleger kann die Aktie der Lloyds Bank kaufen oder nicht kaufen. Als ich aber zuletzt auf die Anleiheseite sah, hatte die Lloyds Bank 1.150 Anleihen in sieben Währungen und für fünf verschiedene Kapitalpositionen in der Bilanz auf dem Markt. Es ist ein riesiges Angebot, weshalb wir auch ein globales, großes Analystenteam haben.

Was sagt es über den Markt aus, wenn Henkel und Sanofi Schulden aufnehmen können, ohne Zinsen zahlen zu müssen?

Oliphant: Wir müssen zwischen absoluten Renditen und Risikoaufschlägen, also Spreads, unterscheiden. Die Renditen um den Nullpunkt kommen weniger aus den Risikoaufschlägen, sondern vielmehr aus den Renditen von Bundesanleihen, die sogar unter null liegen. Es ist ein weiteres Beispiel für die Merkmale einer Spekulationsblase, die wir beobachtet haben. Die Spreads von Unternehmensanleihen liegen dagegen nur ein paar Basispunkte unter ihren langfristigen Durchschnitten.

Sollte man dann nicht über Credit Default Swaps in die reinen Spreads investieren?

Oliphant: Das wäre auch so eine Wette, dass die Renditen von Bundesanleihen stark steigen werden. Kann man machen, und im Total-Return-Sinne wäre es viel- leicht auch richtig. Aber ein Fonds, der eine Benchmark schlagen soll, geht nun mal anders vor.

Wie suchen Sie Anleiheschuldner aus?

Oliphant: Wir gehen sehr fundamental und Bottom-up-getrieben vor. Unsere Analysten liefern uns drei Dinge. Erstens, ein unabhängiges Kredit-Rating, das etwa zwei Jahre in die Zukunft reicht. Zweitens, ein Risiko-Rating, das ausdrückt, wie sicher das Kredit-Rating ist. Und das Dritte ist die Empfehlung, was mit der Anleihe zu machen ist, von stark untergewichten bis stark übergewichten.

Welche Branchen mögen Sie derzeit besonders gern? Oliphant: Wir bewegen uns gerade etwas weg von Banken hin zu defensiveren Branchen, zum Beispiel Versorger.

Im Ernst? Auch die deutschen?

Oliphant: Die eher nicht. Aber insgesamt sind Versorger eine eher langweilige, aber solide Branche. An diesem Punkt des Zyklus wird man nicht mehr ausreichend da- für belohnt, höhere Risiken einzugehen.

Könnte es passieren, dass in den USA Zinsen und Inflation steigen und in Europa beides niedrig bleibt und die Zentralbank weiter Anleihen kauft?

Oliphant: Ich halte das sehr wohl für möglich. Für die USA gehen die Inflationsprognosen schon hoch, für Europa nur leicht. Die Arbeitslosenquote in den USA ist von 10 auf nunmehr 5 Prozent gesunken, und die neue Regierung will die Wirtschaft stimulieren. Da könnte es in einigen Industrien Engpässe geben, was Löhne und Preise steigen lässt.

Wenn Rohstoffpreise steigen, zieht auch die Inflation in Europa an, was in eine Stagflation münden könnte. Was macht die EZB dann?

Oliphant: Das klingt ein bisschen so wie das, was wir in Großbritannien gerade sehen. Dort steigt die Inflation ja auch, zum Teil durch das schwache Pfund. Ich glaube, dass eine Zentralbank solche plakativen Effekte durchschauen kann und dann nicht übermäßig darauf reagiert. Denn es ist nur ein Basiseffekt. Die Frage lautet vielmehr, ob die Menschen durch gestiegene Rohstoffpreise höhere Löhne erwarten können. Ich glaube nicht.


Über den Interviewten:
David Oliphant ist seit 1994 bei Columbia Threadneedle. Er war mehr als 20 Jahre lang Kernmitglied des Anleiheteams. Heute leitet er die Anleihe-Portfoliomanagements für institutionelle und WholesaleKunden in der Region Europa, Nahost und Afrika (Emea).

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