ESG und Haftungsrisiken Droht ein Green-Bond-Gate?

Isabelle Knoché und Dennis Rabbe, Rechtsanwälte von KPMG Law

Isabelle Knoché und Dennis Rabbe, Rechtsanwälte von KPMG Law: Banken und Investmentfonds sollten sich für mögliche Massenklagen bei Green Bonds wappnen. Foto: KPMG Law

Das Thema Nachhaltigkeit ist im Finanzsektor keineswegs neu. Bereits im Jahr 2019 veröffentlichte die Bafin ein „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“. Es ist ein signifikanter Trend erkennbar: Zwischen 1986 und Mai 2021 wurden laut einer Untersuchung der London School of Economics and Political Science (LSE) weltweit bereits 1.841 Klimaklagen eingereicht, 191 davon in den 13 Monaten bis Ende des Untersuchungszeitraums.

Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) beziffert die Höhe des ESG-konform verwalteten Vermögens in Deutschland zum 31. Dezember 2009 auf insgesamt 12,5 Milliarden Euro und zum 31. Dezember 2018 auf insgesamt 133,5 Milliarden Euro. Daher verwundert es nicht, dass ESG zunehmend in den Fokus der Finanzbranche rückt.

Rechtliche Grundlagen zu ESG und Nachhaltigkeit

Das Thema Nachhaltigkeit im Finanzsektor wird im Wesentlichen durch zwei europäische Rechtsquellen aufgegriffen: Die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (im Folgenden Offenlegungs-VO) begründet neue Transparenzpflichten im Finanzsektor. Die Verordnung über die Errichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (im Folgenden Taxonomie-VO) enthält Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können.

Weiterhin enthält die Taxonomie-VO Transparenzpflichten. Dabei wird auf die neuen Anforderungen zur Berichterstattung in Bezug auf nichtfinanzielle Informationen zurückgegriffen, welche bestimmten großen Unternehmen und Gruppen durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz auferlegt sind. Aus großer Transparenz folgt eine größere Angreifbarkeit. Das Bereitstellen von detaillierten Informationen bietet einen idealen Nährboden für mögliche Klagen.

Das Handelsgesetzbuch (HGB) enthält eine Reihe von Berichtspflichten, die auch die nicht-finanzielle Berichterstattung umfasst. Neben der Compliance und dem Risikomanagement wird auch die soziale Verantwortung von Unternehmen Teil der guten Unternehmensführung, sogenannten Good Governance. Es sind nicht-finanzielle Leistungsindikatoren, wie Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind, einzubeziehen. Jedes Einzelunternehmen und jedes Mutterunternehmen, das nach dem HGB eine nichtfinanzielle Berichterstattung durchführen muss, muss die ergänzenden nicht-finanziellen Berichterstattungspflichten der Taxonomie-VO einhalten.

Zur Vermeidung etwaiger Klagerisiken sollten Unternehmen den Orientierungsrahmen der Taxonomie-VO stets berücksichtigen und die eigene wirtschaftliche Tätigkeit regelmäßig kritisch prüfen. Für Finanzdienstleister ergeben sich aus der Offenlegungs-VO weitreichende Berichtspflichten. Insbesondere müssen Unternehmen des Finanzsektors einen Nachweis über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte liefern. Tun sie dies nicht, setzen sie sich vermeidbaren Klagerisiken aus.

Verstöße gegen die zuvor genannten Berichtspflichten könnten insbesondere Schadensersatzpflichten begründen, welche massenhaft klageweise geltend gemacht werden könnten. Das HGB enthält Bußgeldvorschriften, die bei Zuwiderhandlungen Geldbußen in beträchtlicher Höhe vorsehen. Die Offenverlegungs-VO selbst enthält keine Rechtsfolgen bei Verstößen im aufsichtsrechtlichen Sinne, verweist aber auf die Taxonomie-VO, welche wiederum die Mitgliedsstaaten verpflichtet, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen festzulegen.

Parallel zu den aufsichtsrechtlichen Risiken sind ferner zivilrechtliche Konsequenzen bei etwaigen Verstößen zu besorgen. Im Ergebnis bleibt abzuwarten, wie sich die Grundsätze der Rechtsprechung hierzu entwickeln. In der Regel haftet die Geschäftsleitung, wobei dies von der jeweiligen Gesellschaftsform abhängig ist.