Wer einen Eindruck von den massiven Herausforderungen der Energiewende bekommen möchte, muss nach Australien blicken. Die Energieversorgung des Landes basiert aktuell überwiegend auf Kohle. Der Kraftwerkspark ist allerdings stark in die Jahre gekommen und müsste umfassend erneuert werden. Die Banken sind jedoch nicht bereit, die Modernisierung zu finanzieren. Australien wird von den „Big Four“-Banken CBA, NAB, Westpac und ANZ beherrscht. Jede dieser Banken hat sich öffentlich verpflichtet, im Rahmen ihrer allgemeinen Verpflichtung zur Nachhaltigkeit keine Kohlekraftwerksprojekte mehr zu finanzieren. Dahinter steht der Druck der Aktionäre, verantwortungsvolle Kreditgeber zu sein.
Daher müssen die schwindenden Kapazitäten anderweitig ersetzt werden. Experten gehen davon aus, dass der Anteil der Kohleenergie bis Anfang der 2030er-Jahre von derzeit 85 Prozent auf etwa 10 Prozent sinken wird. Das belegen auch Daten des Australian Energy Market Operators (AEMO), dem australischen Energiemarktbetreiber, der sie in seinem jüngsten Integrationssystemplan (2022) veröffentlichte.
Daher ist es spannend nach Australien zu schauen
Um die rasante Umstellung von Kohle auf erneuerbare Energien erfolgreich zu bewältigen, reicht der Ausbau der Energieerzeugung mittels regenerativer Quellen allein jedoch nicht aus. Damit der Wandel gelingt, werden zusätzlich eine auf Energie aus Wind, Sonne und Co. abgestimmte Netzinfrastruktur sowie Möglichkeiten zur Energiespeicherung benötigt. Investitionen an Orten wie Australien sind daher ein Stück weit eine Reise in die Zukunft und bieten wertvolle Erkenntnisse, die auch in anderen Regionen genutzt werden können.
Der weltweite Umstieg von fossilen Energieträgern wie Öl, Gas oder eben Kohle auf erneuerbare Energien ist unerlässlich, um den CO2-Ausstoß zu verringern und den Klimawandel zu begrenzen. Und dafür sind massive Investitionen notwendig: Um die Netto-Null-Emissionsziele zu erreichen, müssen laut der internationalen Energieagentur World Energy Outlook von 2023 bis 2030 weltweit voraussichtlich 4,5 Billionen US-Dollar investiert werden – pro Jahr.
Anleger können sich daran beteiligen – mit Investments in Anlagen zur Gewinnung, Verteilung und Speicherung von grünem Strom. Dabei gibt es zwei Optionen: Sie können sich mit einem sogenannten Brownfield-Investment bei bereits bestehenden Objekten engagieren oder mit einem Greenfield-Investment den Bau neuer Infrastruktur vorantreiben.
Zusatznutzen für die Energiewende
Sowohl aus Nachhaltigkeits- als auch aus Risiko-Rendite-Sicht bieten neu entwickelte Projekte Vorteile: Sie erzielen ganz konkret eine zusätzliche Wirkung und tragen dazu bei, durch den Ausbau grüner Energie fossile Quellen zu verdrängen. So leisten sie einen echten Beitrag zur Dekarbonisierung.
Darüber hinaus können die Entwickler von Beginn an ein Augenmerk auf ESG-Faktoren legen. Wir konzentrieren uns auf Investitionen in Projekte, die bereits baureif sind oder kurz davor stehen und prüfen vor unserer Beteiligung Nachhaltigkeitsaspekte einschließlich der Auswirkungen vor Ort – wobei es sich um einen Teilbereich des „S“ von ESG handelt. Ein Beispiel: Wir haben jüngst in ein Großprojekt zur Dekarbonisierung von Italiens größtem Energie- und Stahlzentrum als Teil der Initiative „Puglia Green Hydrogen Valley“ investiert. Dabei handelt es sich um ein Vorhaben von regionaler und nationaler strategischer Bedeutung, das langfristige Vorteile für Umwelt, Gesundheit und Beschäftigung bieten soll.
Risiken können ausgelagert werden
Ziel der Initiative ist der Aufbau einer Solarenergieproduktion und die Schaffung von Elektrolysekapazitäten zur Herstellung von grünem Wasserstoff in der Region Apulien. Damit soll die dortige Stahlproduktion dekarbonisiert werden. Bisher verwendeten die Werke Kokskohle. Das führte zu Luftverschmutzung und belastete die Gesundheit der Bevölkerung. Es mussten sogar Werke geschlossen werden, was Arbeitsplätze und Existenzen bedroht.
Im Hinblick auf Risiko und Rendite gibt es ebenfalls Unterschiede zwischen Greenfield- und Brownfield-Investitionen. Bei frühzeitiger Beteiligung an neuen Anlagen können sich Investoren die Chance auf eine Greenfield-Prämie sichern. Im Allgemeinen besteht die Möglichkeit, etwa 300 bis 400 Basispunkte gegenüber Brownfield zu erzielen. Die zusätzlichen Risiken lassen sich jeweils an eine spezialisierte externe Partei auslagern.
Das Baurisiko beispielsweise kann der Asset Manager durch Festpreisverträge mit fixen Terminen auf den Bauunternehmer übertragen. Konkret wird dieses an ein spezialisiertes Engineering Procurement and Construction (EPC)-Unternehmen ausgelagert. Zum Schutz vor Zahlungsunfähigkeit und anderen finanziellen Risiken werden die EPC-Verträge durch Garantien und Bürgschaften verstärkt und durch Liquiditätsvorschriften abgesichert. In einigen Fällen ist es möglich, den Vertrag so zu gestalten, dass die EPC-Muttergesellschaft von Anfang an Unterstützung leistet, um zusätzlichen finanziellen Rückhalt für weiteren Schutz zu gewährleisten.
Grundsätzlich sollte der Vermögensverwalter neben Erfahrung und einem tiefen Verständnis für die spezifischen Risiken, die sich von denen bei Brownfield-Investitionen signifikant unterscheiden, über ein breites Partnernetzwerk im Bereich Erneuerbare Energien verfügen.
Netze und Speicher entscheidend für die Energiewende
Die Energiewende wird oft gleichgesetzt mit dem Ausbau der Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen, also dem Bau von beispielsweise Solar- und Windparks. Wie bereits erwähnt, handelt es sich aber um eine wesentlich umfassendere Aufgabe. Ein entscheidender Faktor ist die Modernisierung der Netze. Bislang waren diese so ausgelegt, dass sie den Strom von leistungsstarken Kraftwerken zu den großen Verbrauchsstellen – also in Städte oder zu Industrieparks – leiten. Künftig wird sich das ändern: Die Stromproduktion findet dezentraler statt und die Energie fließt unbeständiger. Das bietet große Chancen für die sogenannte „Enabling“-Infrastruktur, die die Einspeisung zusätzlicher erneuerbarer Energien in das System ermöglicht.
Zu dieser Infrastruktur gehören auch Batteriespeicher. Diese ermöglichen es, erneuerbare Energie von intermittierend in disponibel umzuwandeln. Das heißt: Der Strom wird dann eingespeist, wenn er benötigt wird, und nicht, wenn er produziert wird. Außerdem können Batteriespeicher dabei helfen, sehr kurzfristige Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage im Netz auszugleichen.
Vorteil fester Einkommensströme
Regional liegt unser Fokus auf den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Europa sowie Australien und Neuseeland. Dies ermöglicht eine breite Diversifizierung und die Auswahl der besten Investitionsbedingungen.
So waren beispielsweise die Energiepreise in Europa extrem volatil: erst die wirtschaftliche Erholung nach der Coronapandemie, dann der Krieg in der Ukraine und nun der Konflikt im Nahen Osten. Dies hat das Bewusstsein für die Bedeutung von Energieunabhängigkeit geschärft – und zwar nicht nur bei Regierungen, sondern auch bei Unternehmen. Für sie als Energiekäufer bieten Stromabnahmevereinbarungen ebenso Sicherheit wie für die Betreiber als -verkäufer. Zusätzlicher Bonus: Es handelt sich um saubere Energie, mit der Unternehmen gleichzeitig ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen können.
Den deutschen Markt beobachten wir ebenfalls sehr genau. Zuletzt haben wir jedoch in anderen europäischen OECD-Ländern wie Großbritannien, Italien, Spanien, Irland und Griechenland attraktivere Möglichkeiten für risikobereinigte Renditen gesehen und uns daher stärker auf diese konzentriert. Bislang haben wir in britische und australische Batteriespeicher, italienische Solaranlagen und industrielle Dekarbonisierung (Wasserstoff) investiert. Die derzeitige Pipeline umfasst Möglichkeiten für Batteriespeicher in Italien, Onshore-Windkraftanlagen in Spanien und kombinierte Batteriespeicher/Solar-PV-Anlagen in Irland.
Renditeerwartungen im zweistelligen Bereich
Wichtig für Vermögensverwalter im Bereich Greenfield-Energieinfrastruktur ist es, die jeweiligen regionalen regulatorischen Anforderungen zu kennen. Sie müssen vor Ort präsent sein, um den lokalen Vorschriften Rechnung zu tragen und mit den Interessengruppen Kontakt zu halten – damit sie ein erfolgreiches Asset Management betreiben und die Erwartungen ihrer Investoren erfüllen können.
Derzeit liegen die Renditeerwartungen im Bereich Greenfield-Energieinfrastruktur im Allgemeinen im niedrigen bis mittleren zweistelligen Bereich der Netto-IRR (Internal Rate of Return, interner Zinsfuß). Die Anlagen selbst haben eine Nutzungsdauer von mehr als 20 Jahren, während unser Investmentansatz auf einem Zeithorizont von zehn Jahren basiert. Investoren sollten daher einen langfristigen Anlagehorizont mitbringen.
Über den Autor:
Umberto Tamburrino ist geschäftsführender Gesellschafter und CIO für Europa bei Sosteneo Infrastructure Partners, einer Tochtergesellschaft von Generali Investments. Weitere Karrierestationen waren unter anderem Elliott Green Power, ein australisches Unternehmen für Solarenergie, die Deutsche Bank und die Citi Bank.