Interview mit Neil Goddin „Es muss radikal genug sein“

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Die Stiftungen einiger Top-Universitäten in den USA erzielen derzeit Renditen zwischen 30 und 40 Prozent. Das sieht doch förmlich nach einer Blase aus …

Goddin: Wir haben Ansätze, mit denen wir versuchen, Blasen zu vermeiden. Wir würden zum Beispiel niemals in eine Firma investieren, die selbst noch keinen Cent verdient hat. Ich denke da an einige US-Hersteller von Elektroautos, die noch kein Produkt auf der Straße haben, die aber mit bis zu 100 Milliarden Euro bewertet werden. So etwas machen wir nicht mit. Zudem würden wir niemals Aktien eines Unternehmens kaufen, nur weil es gerade angesagt ist. Jede Aktie, die wir kaufen, muss uns überzeugen und soll Geld einbringen. Wir schauen uns die Geschichte, die Vergleichsgruppe und den Markt des Unternehmens an sowie den abgezinsten Zahlungsstrom. In Wachstumswerte zu investieren ist harte Arbeit. Die Zukunft ist ungewiss, und deshalb müssen wir von jedem einzelnen Investment überzeugt sein.

Haben Sie weitere Ansätze, die Ihnen dabei helfen?

Goddin: Wir haben sechs Fragen, die wir uns vor jedem Investment stellen. Hat das Investment Impact? Ist es radikal genug, etwas Bestehendes überflüssig zu machen? Hat das Management klare Visionen für eine saubere Zukunft? Was können wir an einem Investment verdienen? Schafft es einen Wert? Bewertet der breite Markt es falsch?


Diese Fragen helfen uns dabei, vorauszuschauen, ob sich eine Blase gebildet haben könnte. Dass ein Unternehmen teuer aussieht, ist für uns kein Kriterium, denn das relativiert sich mit den Jahren. Wächst es beispielsweise jährlich um 20 Prozent, potenziert sich das enorm. Ich erzähle dazu gerne eine sehr simple Geschichte.

Die da lautet?

Goddin: Das Fußballteam des FC St. Pauli aus Hamburg spielt im Millerntor-Stadion. Lassen Sie dort einen Tropfen Wasser reinfallen. Eine Minute später zwei Tropfen, eine Minute später vier Tropfen. Jede Minute verdoppeln Sie die Tropfen. Wann ist das Stadion voll?

Wann?

Goddin: Es dauert 49 Minuten. Dann füllen 291 Trillionen Tropfen Wasser das Stadion. Ähnlich verhielt es sich mit der Verbreitung von Covid, Netflix oder Elektroautos.

Ihr Fonds ist nach Artikel 9 klassifiziert. Wie sah der Prozess bis dahin aus?

Goddin: Das war nicht einfach. Die Klassifizierung nach 6, 8 und 9 ist noch gar nicht final fertig. Es gibt noch keine klaren Richtlinien. Es ist ein Experiment, das hoffentlich das unterstützt, was wir schon lange tun. Nämlich, dass die Branche transparent investiert.

Wie wichtig ist Nachhaltigkeit Ihnen persönlich?

Goddin: Jeder einzelne Cent, den ich erübrigen kann, steckt in diesem Fonds. Ich glaube aus tiefstem Herzen daran, dass wir das Richtige tun und damit auch noch Geld verdienen können.

Was ist Ihnen wichtiger, Nachhaltigkeit oder Digitalisierung?

Goddin: Man kann das nicht wirklich voneinander trennen. Müsste ich das, dann natürlich Nachhaltigkeit.

Wäre es nicht produktiver, alles zu entwickeln, was man im Universum der Digitalisierung tun kann, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen? Stichwort AI und Big Data.

Goddin: Digitalisierung ist der Schlüssel. Ohne die Hilfe moderner Technologie und technologischen Fortschritt werden Sie keines der 17 Sustainable Development Goals der UN erreichen.

Über den Interviewten: Neil Goddin ist seit 2020 Fondsmanager bei Artemis IM. Vor dieser Zeit war er unter anderem bei Kames Capital (heute Aegon Asset Management). 

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