ABV-Chef im Gespräch „Es gibt keinen Rentenplan B“

Rudolf Henke

Rudolf Henke: Er ist seit 2020 Vorsitzender des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV). Foto: ABV

private banking magazin: Herr Henke, was sind die dringlichsten Herausforderungen für das System der berufsständischen Versorgung?

Rudolf Henke: Zunächst ist die Digitalisierung zu nennen. Verwaltungs- und Kommunikationsprozesse werden mit zunehmendem Tempo elektronisch abgewickelt. Das kostet Geld und Arbeit. Das Projekt des europäischen Sozialdatenaustauschs EESSI ist das größte IT-Projekt der Welt, und die ABV und ihre 90 Mitgliedseinrichtungen sind ein Teil davon. Eine weitere Herausforderung ist die Erzielung einer hinreichenden Rendite an den Kapitalmärkten, um unsere Rentenanwartschaften bedienen zu können. Dabei setzen wir mehr und mehr auf nachhaltige Anlagestrategien. Von der Corona-Krise sind die Versorgungswerke, wie die gesamte Landschaft der Alterssicherung in Deutschland, bisher jedoch kaum betroffen. Und das große demografische Problem dieses Jahrzehnts, die Alterung, haben wir im Griff. Seit wir in unserer Versicherungsmathematik auf Generationentafeln umgestellt haben, sorgt jede Generation für ihre statistische Lebenserwartung selbst vor.

Könnten Sie sich drei Maßnahmen von der Politik wünschen, die Versorgungswerken nützen, welche wären das?

Erstens die Gleichbehandlung unserer Mitglieder bei der Pflichtkrankenversicherung der Rentner. Dass Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse, die oft ihr Leben lang Beiträge gezahlt haben, beim Renteneintritt aus der Pflichtmitgliedschaft der Krankenversicherung ausgegrenzt werden, weil der Bezug einer gesetzlichen Rente Vorbedingung ist, ist eine Ungerechtigkeit, die nicht zu unserem System passt. Denn im Ergebnis zahlen sie dann Beiträge vom Gesamteinkommen und nicht nur von der Rente.

Und zweitens?

Von den zuständigen Ministerien wünschten wir uns, regelmäßiger eingebunden zu werden. Drittens: Das Thema „Nachhaltigkeit“. Portfolios werden zunehmend ESG-konform ausgerichtet. Wir wünschen uns vom Gesetzgeber, dass er die Flexibilität bei der Umsetzung von ESG-Strategien nicht durch gesetzliche Vorgaben einschränkt und insbesondere keinen unnötigen Verwaltungsaufwand zum Beispiel durch umfassende Reporting-Pflichten schafft.

Am 26. September ist die Bundestagswahl. Was muss in der kommenden Legislaturperiode angepackt werden?

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Direkt bezogen auf die berufsständische Versorgung nichts. Der Bund hat keine direkte Gesetzgebungskompetenz für die länderbasierten Versorgungswerke. Indirekt gibt es Auswirkungen der Bundeskompetenzen für das Sozial- und Verwaltungsrecht sowie Teile des Steuerrechts.

Und allgemein?

Henke: Die Einsicht, dass die gesetzliche Rentenversicherung durch den Einbezug unserer Mitglieder weder finanziell stabilisiert werden kann, schon gar nicht nachhaltig, noch dass irgendwelche Gerechtigkeitsdefizite behoben werden können. Es ist ein Trugschluss, dass durch die Einbeziehung neuer Beitragszahler die demografische Belastung durch den Rentenzugang der „Babyboomer“ quasi bezahlt werden kann. Die neuen Versicherten erwerben mit jedem Beitrag Anwartschaften, die künftig zusätzlich bedient werden müssen. Vor allem aber sinkt die demografische Belastung nach dem steilen Anstieg nicht wieder steil ab – sie verbleibt auf einer Art Hochplateau. Damit bleiben die Lasten dauerhaft, die Kosten der Alterung sind nur zukünftigen Generationen aufgebürdet worden. Wenn wir mit Recht viel über Nachhaltigkeit und Fußabdrücke im Klimawandel reden, dürfen wir die nachhaltige Finanzierung der Alterssicherung nicht vernachlässigen. Wo es keinen Planeten B gibt, gibt es auch keinen Rentenplan B.