Erstgespräch im Private Banking Champagner? Nein, danke!

Neulich unterhielt ich mich in Berlin mit einem alten Bekannten. Unter anderem erzählten wir uns, was uns aktuell im Job bewegt. Er, Ende dreißig, arbeitet in einem Internet-Unternehmen, das in den vergangenen Jahren extrem gewachsen ist und vor einem Jahr von einem global aufgestellten Konzern geschluckt wurde. Im Zuge der Übernahme verkaufte er seine Anteile – für ein paar Millionen Euro.

Was er mit dem Geld gemacht habe, wollte ich wissen – und traf mit meiner spontanen Vermutung ins Schwarze: Als erstes habe er sich eine 180 Quadratmeter große Wohnung in Berlin-Mitte gekauft. Dann machte er sich auf die Suche nach einer guten Privatbank. Ob mir seine Kandidaten etwas sagen würden? Bestimmt!

Zwei Termine habe er vereinbart, die nicht unterschiedlicher hätten laufen können. Nach dem ersten Termin wusste er, was er auf keinen Fall wollte. Nach dem zweiten Termin wusste er, dass er keinen dritten brauchen würde.

Der erste Termin fand in der Niederlassung einer traditionsreichen Privatbank in bester City-West-Lage statt: Eine übertrieben gesittete Empfangsdame, dicke Teppiche und teure Möbel – das alles kam ihm völlig fremd vor.

Dann begrüßte ihn sein angehender Kundenberater – und bot ihm als erstes ein Glas Champagner an. Was? Champagner? Mittags um halb eins? Er lehnte dankend ab. Obwohl er von da an wusste, dass er hier falsch war – weil er sich hier falsch fühlte – ließ er das Kennerlengespräch über sich ergehen. Ein wenig Bedenkzeit bitte. Und Tschüss.

Beim Termin mit der zweiten Bank gab es Mineralwasser. Einrichtung und Umgangston hatten zwar auch hier wenig mit seinem Hinterhof-Loft-Büro gemein, doch zumindest kam ihm hier alles echt vor. Das Gespräch war gut, die Strategie plausibel, das Gebührenmodell schien fair. Unterschrift. Fertig. Zurück an die Arbeit.

Dass sein konservatives Portfolio nach einem Jahr über 10 Prozent im Minus liegt, stört in nicht wirklich.


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