Erfahrungen aus der Praxis So finden Anleger die passende ESG-Rating-Agentur

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Vigeo Eiris kooperiert mit dem deutschen Partner Imug Rating aus Hannover. Imug ist einer der bekanntesten Anbieter maßgeschneiderter ESG-Ratings mit vom Nutzer festgelegten Vorgaben. Auf der Kundenliste der Niedersachsen steht zum Beispiel die Sparkassen-Tochter Deka. Auf Nachfrage unserer Redaktion grenzt sich MSCI von anderen ESG-Research-Anbietern ab und verweist auf die eigene Größe: Man biete beispielsweise über 8.250 ESG-Ratings an und decke mehr als 14.450 Emittenten und über 600.000 Aktien- und Renten-Instrumente ab. 

ESG-Ratings sind facettenreich 

Wie facettenreich ein ESG-Rating sein kann, zeigt das Beispiel ISS ESG. Dort bewerten Analysten sowohl die Umweltarbeit als auch soziale und die Unternehmensführung betreffende Aspekte anhand von über 100 branchenspezifisch ausgewählten Indikatoren. Wer dabei besonders gut abschneidet, erhält ein „Prime“-Rating. So wie die Aareal Bank, deren Emissionen deshalb auf nachhaltig orientierte Investoren einen ganz besonderen Reiz ausüben. 

Zu dieser Gruppe gehört auch die kirchliche Pax-Bank in Köln. Das Finanzinstitut nutzt Rohdaten für die ESG-Analyse, wie der Abteilungsleiter im Asset Management der Pax-Bank, Gregor Kuhl, erläutert. In den vergangenen Jahren bezog das Institut seine ESG-Informationen vom Datenspezialisten Vigeo Eiris. Seit Anfang 2020 bevorzugt die Pax-Bank jedoch das Angebot von MSCI ESG. „Unsere Nachhaltigkeits-Rating-Agentur liefert uns im Wesentlichen Rohdaten, die wir in der Datenbank mit unseren Einstellungen selbst auswerten. Wir hinterlegen insofern unseren eigenen Wertefilter, unseren Pax-Bank-Nachhaltigkeitsfilter. So kommen wir zu eigenen Ergebnissen“, erläutert Kuhl. 

Wer heute einem ESG-Spezialisten ein Mandat gibt, sollte sich vorab Gedanken machen, was er von dem Dienstleister erwartet: Wie groß ist das Anlageuniversum, das er abdeckt? Wie groß ist die Zahl der Unternehmen und Staaten, für die man als Nutzer Ratings erhält? Wie viele Mitarbeiter beschäftigt die Rating-Agentur und welche Expertise haben diese Personen? Kommen sie frisch von der Universität? Oder sind es erfahrene Sektor-Spezialisten? Und wie gehen die Analysten eigentlich an ihre Arbeit heran?

Warum Analysten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen 

In jüngster Zeit haben Marktbeobachter darauf hingewiesen, dass ESG-Rating-Agenturen bei ihren Analysen bisweilen zu äußerst unterschiedlichen Beurteilungen kommen. Im Februar 2020 veröffentlichte das Flossbach von Storch Research Institute eine entsprechende Untersuchung. Ein besonders krasses Beispiel, das die ebenfalls in Köln ansässige Denkfabrik anführt: Auf einer Bewertungsskala von 0 (nicht nachhaltig) bis 100 Punkten (sehr nachhaltig) bewertete MSCI ESG den Fahrzeugbauer Volkswagen im September 2019 mit sage und schreibe null Punkten, Sustainalytics vergab immerhin 19 Zähler. Von Robeco SAM hingegen gab es 65 Punkte. Ist Volkswagen nun also „nicht nachhaltig“, „ein bisschen nachhaltig“ oder „nachhaltig“? Für Flossbach-von-Storch-Analyst Kai Lehmann ist das – wie offenbar auch für die drei genannten Agenturen – Ansichtssache. 

Dass Rating-Agenturen zu unterschiedlichen Resultaten kommen können, weiß Pax-Bank-Anlagechef Kuhl aus eigener Erfahrung. Ihm zufolge legen ESG-Analysten bei ihrer Bewertung schon mal subjektive Bewertungsmaßstäbe an. Ein Beispiel: Während sich Umsätze aus umstrittenen Firmenaktivitäten wie der Waffenherstellung aus dem Geschäftsbericht ableiten lassen und sich daher auch die Ergebnisse der Datenanbieter im Wesentlichen gleichen, gehen ihre Ergebnisse etwa beim Umgang mit sogenannten Kontroversen – zum Beispiel Korruption – auseinander. „Hier müssen Sie als Nutzer tiefer einsteigen und sich vor Augen führen, welche Agentur was wie einstuft – und welche Einstellungsmöglichkeiten Sie als Nutzer der jeweiligen Datenbank haben.“