Stilles Stehlen Erbschleicherei in der Beratungspraxis erkennen – und verhindern

Maximilian Kleyboldt vom FPSB: Erbschleicherei lässt sich in der Beratungspraxis des Private Wealth Management teilweise erkennen und verhindern.

Maximilian Kleyboldt vom FPSB: Erbschleicherei lässt sich in der Beratungspraxis des Private Wealth Management teilweise erkennen und verhindern. Foto: FPSB

Jedes Jahr, so Zahlen des DIW, gibt hierzulande eine Genera­tion ein Vermögen im Gesamtvolumen von durchschnittlich 400 Milliarden Euro an die nächste weiter. Doch nicht immer bekommen die rechtmäßigen Erben auch das Vermögen der Vor­gängergeneration. Was sich wie der Stoff für einen Film anhört, geschieht häufiger, als man denkt: Erbschleicherei. 

Wie hoch der Schaden durch Erb­schleicherei ist, lässt sich nur vermuten. In einem Fall aus der Beratungspraxis kümmerte sich ein Pfleger um eine ältere Dame, die vor ihrem Tod noch zu Hause lebte. Er brachte sie dazu, ihren Hausarzt zu wechseln, sodass nur noch ein mit dem Erbschleicher befreundeter Arzt sie be­handelte.

Zudem begann der Pfleger, die Erblasserin zu isolieren, indem er Besuche ihrer Familie abblockte. Nach ihrem Able­ben tauchte ein kurz zuvor handschriftlich verfasstes Testament auf, in dem sie den Pfleger zum Alleinerben einsetzte. Die Strategien der Erbschleicher sind stets ähnlich. Sie beginnen damit, Nähe und eine Beziehung zum potenziellen Erblasser aufzubauen. Denn die wenigsten Personen lassen sich ohne ein Vertrauensverhältnis zu einer Vermögenstransaktion bewegen.

Erbschleicher versuchen Kontakt zu unterbinden

Der nächste Schritt ist, Kontakt zu Angehö­rigen zu unterbinden, da sie als gesetzliche Erben die natürlichen Feinde des Erbschlei­chers sind. Außerdem erschleichen sich Täter Vollmachten, fälschen Dokumente, manipulieren handschriftliche Testamente, lassen bestehende Testamente verschwin­den, erwirken eine Heirat oder Adoption oder arbeiten darauf hin, Schenkungen zu Lebzeiten zu erhalten. Es ist zwar mo­ralisch verwerflich, ältere Menschen so zu beeinflussen, dass ein Testament zu den ei­genen Gunsten abgeändert wird.

 

Aufgrund der grundgesetzlich geschützten Testier­freiheit in Deutschland ist Erbschleicherei – sofern sie nicht rechtswidrig erfolgt, also zum Beispiel Dokumente gefälscht werden – rechtlich jedoch nicht angreifbar. Aus diesem Grund ist es besser, sich im Vor­feld zu schützen.

Dafür gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Der erste Schritt für einen Vermögensinhaber ist, dass er sein Testament frühzeitig und dann errich­tet, wenn er im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten ist. Das ist ohnehin sinnvoll, schließlich lassen sich so ganz grundsätz­lich Erbstreitigkeiten am besten vermeiden. Eine Selbstbindung des Erblassers ist eine mögliche Strategie vor dem Schutz ge­gen Erbschleicherei vor dem Erbfall. 

Eheleute und eingetragene Le­benspartner können ein gemeinschaft­liches Testament oder mit anderen Per­sonen einen Erbvertrag aufsetzen. Stirbt einer der Partner, kann der andere, sofern keine Öffnungsklausel vereinbart wurde, diesen Vertrag nicht mehr ändern, aufhe­ben oder widerrufen. Abweichende letzt­willige Verfügungen sind unwirksam. In einen Erbvertrag kann eine Öffnungsklau­sel mit der Bedingung eingefügt werden, dass der Betroffene seine Testierfähigkeit zuvor gutachterlich prüfen und bestätigen lässt.

Eine weitere Maßnahme ist die amt­liche Verwahrung des Testaments beim Nachlassgericht. Missbrauchsgefahr geht auch von Vorsorgevollmacht und Betreu­ungsverfügung aus. Besteht die Sorge vor Fremdeinflüssen, sind vertrauensvolle Per­sonen zu bevollmächtigen – eventuell ge­meinschaftlich oder kontrolliert von einem Kontrollbevollmächtigten.

Vermögens­inhaber sollten frühzeitig Personen des eigenen Vertrauens Vollmachten erteilen, gegebenenfalls auch unwiderruflich. Die­se könnten sie so einrichten, dass sie nur durch den Vollmachtgeber widerrufen wer­den kann, der eine Vollmacht erteilt hat – und nicht durch andere Bevollmächtigte. Nur dann bestehen Öffnungstatbestände.

Vermögensinhaber können die Vorsorge­vollmacht notariell beglaubigen, die Her­ausgabe durch den Notar an Bedingungen knüpfen oder vereinbaren, dass die Voll­macht unwiderruflich ist und nur durch no­tarielle Erklärung widerrufen werden kann. Die erhält ein Erbschleicher nicht so leicht wie eine privatschriftliche Vollmacht.

Frühzeitige und offene Gespräche können helfen

Ergänzen lässt sie sich durch Anforde­rung und Vorlage eines Sachverständigen­gutachtens über die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers. Eine zusätzliche Vereinbarung kann die Bevollmächtigten eingrenzen. Wenn Vermögensträger ihre Vorsorgevollmacht umsichtig formulieren, können sie dort dem Bevollmächtigten stets unmittelbaren Zugang zum Vollmacht­geber gewähren.

Da Erbschleicher erfahrungsgemäß systematisch den Kontakt des Betroffenen mit seinem Umfeld unterbin­den, stellen die Bevollmächtigten so leich­ter – notfalls gerichtlich – Kontakt wieder her. Inhaber können Vermögen an recht­mäßige Erben zu Lebzeiten übertragen und es mit Nießbrauch, einer Leibrente oder einem Wohnrecht verknüpfen.

 

Eine Mög­lichkeit bei einer größeren Erbmasse oder Erblassern ohne Familie: Familiengesell­schaften oder Stiftungen. Auch schützt es, wertvolle Gegenstände zu inventarisieren und sie in Bankschließfächern aufzube­wahren. Wenn Vermögensinhaber sämtli­che Vermögensverhältnisse in einem Ver­mögensstatus festhalten, können sie ihn frühzeitig mit der Familie teilen. Und zwar ganz praktisch: frühzeitige und offene Ge­spräche innerhalb der Familie, regelmäßi­ger Kontakt zum Erblasser. So verhindert eine Familie, dass ein potenzieller Erb­schleicher einzige Vertrauensperson wird.

Wenn Vermögensinhaber Vertrauensper­sonen einen Wohnungs­- oder Hausschlüs­sel übergeben und ihnen schriftlich einen Mitbesitz an der Immobilie einräumen, dürfen Erbschleicher die Türschlösser nicht austauschen. Eine Vertrauensperson könn­te das mit einer einstweiligen Verfügung rückgängig machen.

Beweise rechtzeitig sichern 

Auch nach dem Erbfall ist nicht alles verloren. Ansatzpunkte? Testierunfähig­keit, Anfechtung von Testamenten und Sit­tenwidrigkeit. Das Nachlassgericht stellt hohe Anforderungen an den Nachweis der Testierunfähigkeit. Die Familie sollte Briefe, Unterlagen, Verträge und sonstige Schriftstücke als Nachweis für das Schrift­bild sowie für die Unterschrift aufbewah­ren und rasch nach dem Erbfall mögliche Beweise sichern.

Auch Sittenwidrigkeit ist schwer nachzuweisen. Sie ist bei einer Hochzeit zwischen der betagten Erblasse­rin und dem viel jüngeren Erbschleicher zu vermuten. Im letzten Schritt können Hinterbliebene die letztwillige Verfügung anfechten, wenn der Erblasser durch Dro­hung zur Testamentserrichtung veranlasst wurde oder das Testament aufgrund von Täuschung oder eines Irrtums erstellt hat. Die Beweislast obliegt dem Anfechtenden. Und was auch gesagt werden muss: Die Ge­fahr ist meist ganz nah. Es kommt nämlich oft vor, dass ein Erbschleicher unter den ei­genen Verwandten des Erblassers lauert.


Über den Autor:

Maximilian Kleyboldt ist Certified FInan­cial Planner und gehört seit 2012 dem Vorstand des Financial Planning Standard Board Deutschland an, dem Zertifizierungsverband der Finanzplaner, Generationenberater sowie Estate Planner. Er ist Direktor im Wealth Planning der Bethmann Bank sowie Gründungsmitglied und seit 2009 Vorstand im Netzwerk der Finanz­ und Erbschaftsplaner.

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