Erbschaftsteuer-Reform „Berater müssen auf merkwürdige Rechtslage hinweisen“

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Bei einer Holding konnte man Strukturen so schaffen, dass man die Erbschaftsteuer komplett umgehen konnte. Das ist nicht mehr möglich?

Pawlytta: Sie konnten das Vermögen bisher in Unternehmensgruppen, zum Beispiel auch durch die Gründung von Tochtergesellschaften, sehr geschickt verteilen. Und zwar so, dass das „schädliche Verwaltungsvermögen“, welches sich negativ bei der Erbschaftsteuer auswirken kann, bei allen Gesellschaften unter den gesetzlichen Grenzen lag, die eine Befreiung von der Erbschaftsteuer voraussetzen. Und dadurch konnte man die gesamte Unternehmensgruppe erbschaftsteuerrechtlich verschonen. Das soll nun anders werden, es wird bei Holdingstrukturen eine Verbundprüfung geplant. Wenn man es stark vereinfacht, so kann man sagen, dass das Vermögen aller Gruppengesellschaften in einen Topf kommt. Es wird dann das Gesamtvermögen ermittelt und festgestellt, welches Vermögen begünstigungsfähig ist und welches definitiv besteuert wird.

Was passiert konkret, wenn es bis zum 30. Juni 2016 nicht gelingt, ein neues Erbschaftsteuerrecht zu verabschieden?

Pawlytta: Das Bundesverfassungsgericht selbst hat erklärt, dass das eigentlich als nicht verfassungskonform erklärte bisherige Recht auch über den 30. Juni 2016 hinaus anwendbar bleibt, falls es vorher nicht durch ein neues Recht abgelöst wird. In der Wissenschaft wird kritisiert, dass dies ein unhaltbarer Zustand ohne Präzedenzfall sei. Für Unternehmer und Berater gilt: Sie müssen nach den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zwangsläufig erst einmal weiter von dem alten Erbschaftsteuerrecht ausgehen, wenn nach dem 30. Juni 2016 kein neues Erbschaftsteuerrecht kommt, eine Situation, die bei vielen für Kopfschütteln sorgt.

Was heißt das für die Haftung des Beraters, wenn das neue Recht später kommt und dann – durchaus denkbar – auf den 1. Juli 2016 zurückdatiert wird? Womöglich hat er dann im Nachgang falsch beraten?

Pawlytta: Ein Berater sollte seine Mandanten auf diese merkwürdige Rechtslage hinweisen. Der Mandant muss sich dann – wir sprechen hier naturgemäß von Schenkungsfällen und nicht von Erbfällen – entscheiden, was er tut, ob er wartet, bis eine klare neue Reglung erfolgt, oder ob er nicht warten kann oder will. Ich sage meinen Mandanten, dass sie damit rechnen müssen, dass die aktuelle Rechtslage spätestens nach dem 30. Juni 2016 wegfallen könnte, und zwar auch noch rückwirkend, zum Beispiel im Herbst 2016. Wer unbedingt nach dem 30. Juni 2016 und vor einer Klärung der Rechtslage schenken will, kann sich zumindest absichern und in den Schenkungsvertrag etwa schreiben, dass er die Schenkung widerrufen und das Geschenk zurückfordern kann. Hierbei sind allerdings je nach Unternehmensform einige steuerliche Besonderheiten zu beachten.

Und bei Erbfällen? Die Menschen sterben ja trotzdem.

Pawlytta: Hier ähnelt die Rechtslage sehr der Rechtslage für Schenkungen, und sie ist auch ähnlich umstritten. Folgt man der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, würde der Erbfall nach dem 30. Juni 2016 wohl nach dem alten Recht beurteilt werden müssen, solange es keine Neuregelung gibt. Gibt es zum Beispiel erst im Herbst eine Neuregelung, die auf den 1. Juli 2016 zurückwirkt, so vertreten manche die Auffassung, dass ein Todesfall im Juli oder August 2016 wie eine Schenkung nach dem neuen Recht zu besteuern sei. Wenn sich die Politik nicht auf eine Neuregelung einigt, so wird das Bundesverfassungsgericht nach einer entsprechenden Vorlage das derzeit anwendbare Recht vermutlich endgültig außer Kraft setzen. Aber auch dann gäbe es wieder Ungewissheiten, ab wann genau das derzeit noch anwendbare Recht endgültig außer Kraft gesetzt ist. Es ist wohl noch offen, wie sich die Politik entscheidet, falls sie die Erbschaftsteuerreform erst nach dem 30. Juni 2016 auf den Weg bringt. Die Politik muss sich noch mit all diesen Fragen beschäftigen.

Für welche Zielgruppe besteht jetzt noch Handlungsbedarf, bevor das neue Recht kommt?

Pawlytta: Das sind vor allem Unternehmer, deren Unternehmen heute ein signifikantes Verwaltungsvermögen haben, also bis zu der Grenze von 50 Prozent des Gesamtwerts des Unternehmens. Das Verwaltungsvermögen heutiger Prägung scheint wohl auch künftig beibehalten zu werden, soll aber als „nicht produktives Vermögen“ auf jeden Fall besteuert werden. Auch Familienunternehmer, die über Anteile mit einem Wert weit über 26 Millionen Euro verfügen, könnten nach altem Recht wohl mit weniger Schenkungsteuer belastet werden, sofern die anderen üblichen Voraussetzungen für eine Steuerverschonung vorliegen. Für sie wird das neue Recht bürokratischer und sehr wahrscheinlich mit einer höheren Steuerlast versehen. Jeder, der deshalb jetzt noch schenken möchte, muss sich aber sputen, da die Zeit knapp wird.










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