Familienunternehmen Erbschaftsteuer entpuppt sich als Damoklesschwert

Karin Ebel von Peter May Family Business Consulting

Karin Ebel von Peter May Family Business Consulting: Sie rät den Familienunternehmen zu erhöhter Wachsamkeit. Foto: Peter May Family Business Consulting

In der Frage, wie sich die Corona-Krise wirtschaftlich auf Familienunternehmen in Deutschland auswirken kann, wird derzeit ein Aspekt weitgehend vernachlässigt. Ungemach resultiert aus der aktuell geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuer für Betriebsvermögen. Demnach können Nachfolger weitgehend von der Erbschaftsteuer entlastet werden, sofern sie über einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren die Lohnsumme und damit die Arbeitsplätze in den geerbten Unternehmen erhalten. Gelingt dies nicht, wird rückwirkend die bisher gestundete Erbschaftsteuer anteilig fällig.

Diese lange und kontrovers diskutierte Regel erleichtert den Übergang von Firmen auf die nächste Generation. Dass Betriebsvermögen zunächst von der Erbschaftsteuer verschont bleibt, dient dem Fortbestand von Unternehmen und Arbeitsplätzen. 

Nach 15 Monaten Corona-Krise stellt sich diese Regel aber als eine Schönwetterantwort heraus. Ein fiktiver Fall verdeutlicht das: Martina K. hat 2016 mit ihren beiden Geschwistern von Ihrem verstorbenen Vater das familieneigene Unternehmen geerbt, das sie heute als Geschäftsführerin leitet. Der Fiskus verschont sie und ihre Geschwister bis auf weiteres von der Erbschaftsteuer auf das Betriebsvermögen von 80 Millionen Euro. Die Steuer, in diesem Fall rund 20 Millionen Euro, entfällt, sofern Martina K. in den kommenden sieben Jahren ihren Mitarbeitern durchschnittlich die gleiche Lohnsumme auszahlt wie in den fünf Jahren vor dem Erbfall (Ausgangslohnsumme).

Die Corona-Krise verursacht aber 2020 und 2021 erhebliche Umsatzeinbrüche. Martina K. müsste gegensteuern, auch über den Abbau von Arbeitsplätzen. Dieser betriebswirtschaftlich sinnvolle Weg würde aber voraussichtlich zur Folge haben, dass die Firma bis zum Jahr 2023 die notwendige Lohnsumme nicht erreicht.  Martina K. und ihre Geschwister müssten dann Erbschaftsteuer in erheblicher Höhe aus ihrem Privatvermögen zahlen.


Das Problem, das auf Familienunternehmen wie jenes von Martina K. und ihren Geschwistern in den kommenden Jahren zukommt, ist gravierend. Unter den Schutz von Betriebsvermögen fielen beispielsweise im Jahr 2018 vererbte Firmenwerte in Höhe von insgesamt 22,7 Milliarden Euro. Es handelt sich also um erhebliche Summen. Ohne diese Ausnahmen wären 2018 schätzungsweise zwischen 4 und 6 Milliarden Euro an Erbschaftsteuer für die Erben von Familienunternehmen angefallen.

Ein Tsunami baut sich auf

Die Situation nach weit über einem Jahr Pandemie und Corona-Lockdowns lautet nun für viele Familienunternehmen: Nach Zeiten der Hochkonjunktur, steigenden Umsatz- und Mitarbeiterzahlen sowie erhöhten Löhnen manifestieren sich teils erhebliche Einbrüche in den Bilanzen. Insbesondere bei Firmen, die von der Pandemie besonders betroffen sind, sinken die Lohnquoten. Die Geschäftsführer von Unternehmen, die in eine Schieflage geraten sind, stehen vor einem Dilemma. Sie müssten Teile ihres Geschäfts verkaufen, restrukturieren oder sanieren, damit ihre Firma überleben kann.

Eine deshalb sinkende Lohnquote bringt Gesellschafter, deren Erbschaftsteuer gestundet ist, in die Zwickmühle. Diese zunächst gestundete Erbschaftsteuern müssten sie, zumindest anteilig, auf jeden Fall zahlen. Sie haften persönlich für diese Erbschaftsteuer, falls ihr Unternehmen die festgelegte Lohnquote unterschreitet. Im schlimmsten Fall ist dann nicht nur das Unternehmen bedroht, sondern auch die Nachfolger könnten in die persönliche Insolvenz schlittern. Dieser Konstruktionsfehler entwickelt sich zu einem gefährlichen Damoklesschwert für viele Familienfirmen. Insbesondere kleinere und mittelgroße Unternehmen mit geringem Eigenkapital kämpfen derzeit mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.

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Die schwierige wirtschaftliche Situation, Restrukturierungskosten und die zusätzlichen Erbschaftsteuern könnten viele Familienunternehmen in den kommenden Jahren in die Knie zwingen. Auch könnten wirtschaftlich notwendige Maßnahmen und die Liquidation von Betriebsteilen unterbleiben, um zumindest keine Erbschaftsteuern nachträglich entrichten zu müssen. Derzeit tickt für die Nachfolgegeneration also eine gefährliche Zeitbombe. Im schlimmsten Fall gehen die Firmen in den Konkurs und die Inhaber in Privatinsolvenz. Ein solches Szenario könnte sich in den kommenden Jahren wie ein Tsunami aufbauen, erst weitgehend unbemerkt, aber dann mit Wucht.

Was ist zu tun?

Der Bundesregierung sind diese Probleme seit Beginn der Pandemie bekannt. Bereits im Juni 2020 wurden im Rahmen einer Kleinen Anfrage Vorschläge zum Umschiffen der Lohnsummenfalle gemacht – vorerst ohne Ergebnis. Ein Ausweg wäre, dass der Gesetzgeber die Lage entschärft, indem die erforderliche Lohnsumme zeitweilig kürzt den Zeitraum zum Erreichen dieser definierten Lohnsumme verlängert. Auch wäre es denkbar, die Pandemie-Jahre unberücksichtigt zu lassen. Das Thema gehört in jedem auf die Agenda des Finanz- und Wirtschaftsministeriums. Sonst könnten gerade die Gesellschafter von kleineren und mittelgroßen Unternehmen zu den strukturellen Opfern der Pandemie gehören.

Bis die Gesetze angepasst werden, bleibt den betroffenen Familienunternehmen nur, ihre Lohnsumme noch genauer im Blick zu behalten, um früh genug eine drohende Erbschaftsteuerpflicht zu erkennen. In solchen Fällen sollten Inhaberfamilien klare Kante zeigen und im Krisenfall frühzeitig mit einem Erbschaftsteuertopf Vorsorge treffen.

 


Über die Autorin:
Karin Ebel ist Partnerin der Peter May Family Business Consulting in Bonn. Als Rechtsanwältin und Steuerberaterin begleitet sie Unternehmerfamilien und Family Offices seit über zwei Jahrzehnten bei strategischen, rechtlichen und steuerlichen Fragen.

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