Erbschaftsteuer auf dem Prüfstand Vorausschauend handeln – Erben und Schenken werden teurer

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Erbschaftsteuer auf dem Prüfstand
Vorausschauend handeln – Erben und Schenken werden teurer
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Marin Burmester, NWUP

Marin Burmester ist Steuerberaterin und Fachberaterin für internationales Steuerrecht bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft NWUP Nielsen, Wiebe & Partner in Flensburg. Foto: Anika Petersen

Die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer gewinnt weiter an Bedeutung. Nach einer Reihe von Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) und der Finanzgerichte wird das Bundesverfassungsgericht nun erneut das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in seiner Gesamtheit prüfen.

Ein neues Urteil könnte auch für Unternehmen gravierende Änderungen in der steuerlichen Behandlung von Erbschaften und Schenkungen nach sich ziehen. Besonders betroffen könnten Unternehmensnachfolgen sein. Wer bereits eine Betriebsübergabe plant, sollte daher genau prüfen, ob diese gegebenenfalls noch in diesem Jahr umgesetzt werden kann.

Die aktuelle Rechtslage zeigt, dass das ErbStG 2016 zwar nicht generell als verfassungswidrig gilt, einzelne Regelungen jedoch weiterhin rechtlich umstritten sind. Insbesondere die Verschonung des Betriebsvermögens steht erneut auf dem Prüfstand.

Nach geltendem Erbschaftsteuerrecht können Betriebe, die die Voraussetzungen des sogenannten Betriebsvermögensprivilegs erfüllen, unter bestimmten Bedingungen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer weitgehend befreit werden. Hier wird geprüft, ob das Vermögen des Unternehmens begünstigt ist, oder ob es sich um sogenanntes „schädliches Verwaltungsvermögen“ handelt, beispielsweise bei vermieteten Immobilien oder Wertpapiervermögen. 

 

Nach derzeitigem Recht kann das Betriebsvermögen durch den sogenannten Verschonungsabschlag begünstigt werden – entweder zu 85 oder zu 100 Prozent. Voraussetzung ist, dass es sich um originär betrieblich genutztes Vermögen handelt. Diese Verschonung wird jedoch zunehmend kritisch hinterfragt. 

Urteil zur 90-Prozent-Grenze bringt Erleichterung für Unternehmen

Besonders umstritten ist auch die 90-Prozent-Grenze beim Verwaltungsvermögen, der sogenannte „Einstiegstest“. Wird diese Grenze überschritten, entfällt die Begünstigung komplett – auch bei ansonsten operativ tätigen Unternehmen. Bislang führte diese Grenze dazu, dass selbst gewerblich tätige Unternehmen oftmals von der Steuerbegünstigung ausgeschlossen wurden.

Das Problem: Geldforderungen und andere Finanzmittel, die als Verwaltungsvermögen gelten, ließen die Verwaltungsvermögensquote schnell über die kritischen 90 Prozent steigen. Ein Urteil des BFH zu diesem Problem brachte jedoch 2023 zunächst einmal Erleichterung für zahlreiche Unternehmen. 

Das Urteil erlaubt Unternehmen, betrieblich veranlasste Schulden von den Finanzmitteln abzuziehen und damit die Verwaltungsvermögensquote zu senken. Somit können mehr Unternehmen die Steuervergünstigung in Anspruch zu nehmen. Die Finanzverwaltung hat gleichlautende Erlasse hierzu in allen Bundesländern veröffentlicht und erweitert damit zugleich den Anwendungsbereich über Handelsunternehmen hinaus auf alle Rechtsformen und Branchen.

Voraussetzung ist allerdings, dass das Vermögen des Betriebs oder der nachgeordneten Gesellschaften nach seinem Hauptzweck einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient. Die neue Regelung ist besonders relevant für komplexe Unternehmensstrukturen mit mehreren Beteiligungen, da für jede Gesellschaft eine Hauptzweckprüfung vorzunehmen ist.

Die Rechtsprechung des BFH und die daraufhin erfolgten gleichlautenden Erlasse der Länder bieten nun eine Basis für eine verfassungskonforme Anwendung des 90-Prozent-Einstiegstests, indem sie eine Verrechnung der vorhandenen Finanzmittel mit den Schulden ermöglichen. Für Unternehmen, die eine Nachfolgeregelung planen bringt es mehr Rechtssicherheit und Gerechtigkeit.

Viele Betriebe, die den Einstiegstest bisher nicht bestanden hätten und aus diesem Grund eine geplante Schenkung bewusst hinausgezögert haben, können seitdem von der Vergünstigung profitieren. Der Weg für eine faire Besteuerung und die Schonung von Unternehmen im Generationenwechsel ist deutlich geebnet. Die Verfassungsmäßigkeit dieser BFH-Entscheidung wird jedoch weiterhin kritisch beurteilt und steht – wie andere Regelungen auch – bald erneut auf dem Prüfstand.

Latente Steuern: unerwartete Doppelbelastung im Erbfall

Ein oft übersehener Aspekt bei der Nachfolgeplanung betrifft die sogenannte latente Steuerlast, insbesondere bei Kapitalgesellschaften oder Kapitalanlagen. In den vergangenen Jahren haben sich Aktien und GmbH-Anteile als bevorzugte Mittel zur Altersvorsorge etabliert. Viele GmbHs dienen als „Sparschweine“, in denen Gewinne über Jahre akkumuliert werden. Diese Gewinne können entweder in der Gesellschaft belassen oder als Dividende ausgeschüttet werden – bei der Auszahlung fällt jedoch zusätzlich eine Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 Prozent an.

Das Finanzgericht Münster (Urteil vom 2. November 2023, 3 K 2755/22 Erb) befasste sich mit einem Fall, bei dem ein Erbe von einer doppelten Steuerlast betroffen war. Der Verstorbene erhielt Gewinne aus einer GmbH in Höhe von 187.000 Euro, abzüglich 46.750 Euro Kapitalertragsteuer, also 140.250 Euro.

Da das Geld erst einen Tag nach seinem Tod gutgeschrieben wurde, setzte das Finanzamt den ursprünglichen Betrag von 187.000 Euro als erbschaftssteuerpflichtig an. Der Erbe versuchte, lediglich die erhaltenen 140.250 Euro anrechnen zu lassen – jedoch ohne Erfolg. Das Finanzgericht bestätigte die Position des Finanzamts: Für die Erbschaftssteuer zählt der Vermögensstand zum Todeszeitpunkt.

Das Gericht entschied, dass ein Abzug der Kapitalertragsteuer als Nachlassverbindlichkeit nicht zulässig sei, da die Gewinne dem Erblasser formal noch nicht zugeflossen waren. Ein Abzug wäre nur möglich gewesen, wenn das Geld vor dem Tod auf dem Konto des Verstorbenen verbucht worden wäre.

Ein Beispiel: Der Verkauf von Aktien mit stillen Reserven in Höhe von 500.000 Euro erbringt bei einem Erbschaftssteuersatz von 19 Prozent einen Steuervorteil von etwa 24.000 Euro, indem die Kapitalertragsteuer bereits zu Lebzeiten des Erblassers beglichen wurde.

Der Fall zeigt, dass auch hier eine kluge steuerliche Vorsorge unerlässlich ist, um latente Steuern und die damit verbundene Doppelbelastung im Erbfall zu vermeiden. Die Lösung ist dabei oft pragmatisch:  Der erste Schritt ist die Erstellung einer umfassenden Vermögensaufstellung unter besonderer Berücksichtigung der steuerverhafteten stillen Reserven. Anschließend sollte geprüft werden, welche dieser Reserven noch zu Lebzeiten realisiert werden können.

Aktien ließen sich beispielsweise durch Verkäufe übertragen, während bei GmbHs ein Gesellschafterbeschluss zur Gewinnauszahlung erforderlich ist. Ein frühzeitiger Verkauf oder die Ausschüttung von Gewinnen könne den Nachlasswert signifikant reduzieren und dadurch die Erbschaftssteuerlast minimieren. 

Handeln statt abwarten: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für 2026 erwartet

Die Erbschaftsteuer steht sowohl verfassungsrechtlich als auch in der unternehmerischen Praxis unter Druck. Unternehmen und Erben sollten die aktuellen Entwicklungen genau beobachten und ihre Nachfolgeplanung gegebenenfalls anpassen. Der Reformbedarf ist offensichtlich, die politische und rechtliche Unsicherheit hoch, denn die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die zu Ende 2025 oder Anfang 2026 erwartet wird, ist völlig offen.

 

Sie könnte die derzeitige Regelung bestätigen, einzelne Normen für verfassungswidrig erklären oder sogar das gesamte Erbschaftssteuergesetz von 2016 infrage stellen. Dies würde auch erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Nachfolgeplanung haben. Bis dahin könnte die Finanzverwaltung ihre Praxis zunehmend restriktiver gestalten, keine verbindlichen Auskünfte mehr erteilen und Bescheide nur noch vorläufig erlassen.

Wer vorausschauend handelt, kann jedoch weiterhin steuerliche Gestaltungsspielräume nutzen, sei es durch rechtzeitige Betriebsübergaben, die gezielte Prüfung des Verwaltungsvermögens oder die Auflösung latenter Steuerlasten. Ohnehin geplante Maßnahmen könnten im Hinblick auf die anstehende neue Rechtsprechung zeitnah umgesetzt werden, um von der geltenden – vermutlich noch günstigeren – Rechtslage profitieren zu können.

Denn angesichts der nun beschlossenen massiven Erhöhung der Staatsschulden ist zu erwarten, dass auch das Erbschaft- und Schenkungsteuer-Aufkommen von der Regierung nicht reduziert wird. Unternehmer sollten daher fachliche Unterstützung zu Rate ziehen, um mögliche Auswirkungen für sich selbst, für ihre Erben und für ihr Unternehmen umfassend zu bewerten.

 

Über die Autorin:

Marin Burmester ist Steuerberaterin und Fachberaterin für internationales Steuerrecht bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft NWUP Nielsen, Wiebe & Partner in Flensburg, einem Mitglied im HLB-Netzwerk. Sie ist in der Beratung kleiner und mittelständischer Unternehmen tätig und beschäftigt sich dabei neben den Fachgebieten Steuerliche Gestaltungsmodelle, Vereinsbesteuerung und Jahresabschlusserstellung insbesondere mit dem Bereich Erbschaft- und Schenkungsteuer.

Nielsen, Wiebe & Partner ist eine aus fünf Partnern bestehende Gesellschaft von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten mit Sitz in Flensburg-Handewitt. Das Unternehmen betreut vorwiegend den lokal verbundenen und international tätigen Mittelstand in Steuer- und Rechtsfragen.

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