Entscheiden statt streiten Wie Texan Shoot-out und andere Streitschlichtungsklauseln funktionieren

Frank Koch ist Partner der internationalen Wirtschaftssozietät Taylor Wessing

Frank Koch ist Partner der internationalen Wirtschaftssozietät Taylor Wessing

Wie teilen zwei Personen fairerweise einen Apfel in zwei gleich große Teile? Antwort: Man lässt einen der beiden das Objekt der Begierde teilen und der andere hat das Recht, das aus seiner Sicht attraktivere Stück zu wählen. Dadurch wird der Teilende motiviert, tatsächlich möglichst fair und gleichmäßig zu teilen.

Dieser einleuchtende Grundgedanke liegt Streitschlichtungsklauseln in Gesellschaftsverträgen zugrunde, die exotische Namen wie „Texan Shoot out“, „Chinese Shootgun“ oder „Russian Roulette“ tragen und sich zunehmender Beliebtheit in Deutschland erfreuen.

Vereinfacht gesagt geht bei diesen sogenannten Buy-Sell-Agreements darum, dass bei unlösbaren Streitigkeiten zwischen zwei gleichberechtigten Gesellschaftern einer der Gesellschafter dem anderen seinen Anteil zu einem von ihm frei gewählten Kaufpreis anbietet und der andere diesen Kaufpreis entweder akzeptiert oder seinerseits zum selben Kaufpreis seinen Anteil veräußern muss. Es gibt zahlreiche Spielarten dieser Klausel, so zum Beispiel auch, dass kein Verkaufs-, sondern ein Kaufangebot gemacht wird.

Entscheidend ist die Bewertung

Streiten sich also Gesellschafter A und B, die beide an der Gesellschaft mit je 50 Prozent beteiligt sind und sich trennen wollen, dann teilt Gesellschafter A den „Apfel“, indem er den Kauf seines Anteils für zum Beispiel eine Millionen Euro anbietet.

B kann nun überlegen, welche der beiden Apfelhälften für ihn attraktiver ist: Hält er die Bewertung des A für zu hoch, wird er seinen Anteil gern für eine Millionen an A verkaufen. Hält er sie für zu tief, wird er sich freuen, den Anteil des A für „nur“ eine Million kaufen zu können. A muss also seine Bewertung des Anteils so wählen, dass er sowohl bei einem Kauf als auch bei einem Verkauf zufrieden ist. 

Entscheiden statt streiten

Der Vorteil einer solchen Klausel liegt auf der Hand: Wenn es zwischen zwei gleichberechtigten Gesellschaftern nicht mehr läuft, leidet schnell die Gesellschaft, da Entscheidungen nicht mehr vorangetrieben werden. Im schlimmsten Fall droht der Gesellschaft sogar die Insolvenz.

Anstatt die Gesellschafter zu zwingen, sich mit Gerichtsverfahren zu überziehen, um den jeweils vermeintlich Schuldigen aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft zu klagen und sich anschließend noch über die angemessene Höhe der Abfindung zu streiten – was Jahre, viel Geld und Nerven kostet –, bietet sich den Parteien hier eine Regelung, die schnell, kostengünstig und fair ist. Weder braucht man Gerichte, um zu entscheiden, wer die Gesellschaft verlassen muss, noch sind teure Sachverständige notwendig, um den angemessenen Wert des Anteils bestimmen zu lassen.

Mittlerweile Rechtssicherheit

Wie die exotischen Namen vermuten lassen, stammen diese Klauseln aus dem US-Recht, wo sie verbreitet und anerkannt sind. Das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG Nürnberg) hatte kürzlich als eines der ersten deutschen Obergerichte die Gelegenheit, sich mit einer solchen Klausel zu befassen. Bedenken gegen die grundsätzliche Wirksamkeit einer Russian-Roulette-Klausel hatte das Gericht nicht.

Insofern besteht zumindest eine gewisse Rechtssicherheit für die Praxis, auch wenn natürlich andere Obergerichte und letztlich der Bundesgerichtshof in der Zukunft eine andere Meinung vertreten können.

Ausgangspunkt der Bedenken, die gegenüber der Wirksamkeit einer solchen Klausel geäußert werden, ist der Grundsatz, dass nach deutschem Recht ein grundloses Hinauskündigen eines Gesellschafters unzulässig ist. Da aber bei den Buy-Sell-Agreements der Initiator des Beendigungsverfahrens nicht weiß, ob er oder sein Mitgesellschafter am Ende aus der Gesellschaft ausscheiden werden (daher Russisches Roulette), liegt die typische Konstellation des „Hinauskündigens“ nicht vor.