Entgegen der Tax-Ruling-Diskussion Ein Plädoyer für den Finanzstandort Luxemburg

Nicolas Mackel ist Vorsitzender der Agentur zur Förderung des Finanzplatzes Luxemburg. Er verteidigt die Standortpolitik des Großherzogtums

Nicolas Mackel ist Vorsitzender der Agentur zur Förderung des Finanzplatzes Luxemburg. Er verteidigt die Standortpolitik des Großherzogtums

In jüngster Vergangenheit wurde in Medienberichten wiederholt suggeriert, dass sich eine Reihe von Gesellschaften in Luxemburg niedergelassen haben, um von angeblich geheimen Tax Rulings zu profitieren. Warum sonst sollten sich multinationale Unternehmen für Luxemburg entscheiden?

So reizvoll diese Geschichte sein mag, so irreführend ist sie auch. Tatsächlich ist die Praxis, Vorabentscheidungen zur Besteuerung von international agierenden Unternehmen zu gewähren – sofern sie dies beantragen – nicht auf Luxemburg beschränkt. 22 von 28 EU-Mitgliedstaaten tun dies.

Über ein halbes Jahrhundert hinweg hat sich Luxemburg zu einem internationalen Finanzplatz entwickelt, der weltweit für sein hohes Maß an Expertise anerkannt ist. Dieses Finanzzentrum wird von einem umfassenden und hoch entwickelten Umfeld getragen.

Während sich andere Länder eher auf ihren Heimatmarkt fokussieren, ist Luxemburg zu einem führenden Anbieter der internationalen Finanzwelt geworden, dessen Fachkräfte im Laufe der Jahre eine ausgewiesene Kompetenz in grenzübergreifenden Angelegenheiten entwickelten. Hierzu gehören neben zahlreichen anderen Aktivitäten Holding- und Finanzierungstätigkeiten.

Zentrumsbildung ist etwas Natürliches

Viele Branchen und Wirtschaftsaktivitäten sind auf bestimmte Zentren konzentriert – so stehen etwa Antwerpen und Genf für Schmuck, das Silicon Valley für die IT-Industrie und andere Orte sind Heimat für die Luftfahrt- oder Automobilindustrie. Dies liegt unter anderem in der Konzentration von Fachkenntnissen und Fertigkeiten der Menschen vor Ort begründet.

Solche Kompetenzzentren ermöglichen Synergien. Sind solche Zentren oder Ballungsräume einmal etabliert, ziehen sie mit ihrer Reputation weitere Akteure auf den jeweiligen Feldern nach.

So sind beispielsweise in der Investmentfonds-Branche Vermögensverwalter und Investoren heutzutage rund um die Welt zu finden. Warum aber haben sich die meisten Vermögensverwalter für Luxemburg als Standort ihrer globalen Vertriebsplattform entschieden? Luxemburg hat sich zur größten Investmentfonds-Drehscheibe entwickelt, weil hier ein relevantes Umfeld existiert und weil der Standort sich in den zurückliegenden Jahrzehnten zu einem Kompetenzzentrum für grenzübergreifende Angelegenheiten entwickelte.

Darüber hinaus ist die Tatsache, dass Luxemburg auf die verschiedenen Bedürfnisse internationaler Investoren eingeht, für Unternehmen attraktiv. Luxemburg modernisiert kontinuierlich seinen Rechtsrahmen, um stets auf dem neuesten Stand zu sein und eine leistungsfähige, wirtschaftsfreundliche Bürokratie zu gewährleisten. Diese Kompetenz und die Fähigkeit, auf die Bedürfnisse internationaler Investoren zu reagieren, haben es Luxemburg ermöglicht, eines der führenden Finanzzentren Europas zu werden.

Falsch interpretierte Zahlen

Die gebündelte Expertise erklärt auch, warum zahlreiche multinationale Unternehmen ihre Holding- und Finanzfunktionen, die für sich genommen ebenso wie für diese Unternehmen legitime und notwendige Aufgabenbereiche sind, in einem Zentrum wie Luxemburg ansiedeln.

Multinationale Unternehmen lassen sich auch wegen der umfassenden Präsenz von Banken und anderen Finanzdienstleistern in Luxemburg nieder, die ihnen die benötigten Finanzdienstleistungen bereitstellen. Die Unternehmen wählen also wegen einer Vielzahl verschiedenster Gründe – geschäftlicher ebenso wie rechtlicher – Luxemburg als Standort.

Oft gründen sie dabei Untergesellschaften, häufig eine Gesellschaft pro Transaktion. Dies multipliziert die Anzahl an eigenständigen Gesellschaften und trägt zu der Wahrnehmung bei, dass tausende Unternehmen an ein und derselben Adresse registriert sind.

Letztendlich sind die den Unternehmen gewährten Vorabentscheidungen nicht mehr als verbindliche Rechtsauskünfte der Luxemburger Steuerbehörde, wie die bestehende Steuergesetzgebung auf bestimmte Projekte oder Transaktionen anzuwenden ist. Ihr Ziel ist es, Berechenbarkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten, sowohl für den Steuerzahler als auch für den Staat.

Entgegen der Behauptungen in den Medien, sind die Vorabentscheidungen nicht geheim. Zwar unterliegen sie, wie jedes andere steuerrelevante Dokument, dem Steuergeheimnis. Sie sind aber den Finanzbehörden der Länder, in denen die Unternehmen ihren Stammsitz haben, zugänglich, entweder über die Luxemburger Behörden oder die Unternehmen selbst.

Auch sind die Vorabentscheidungen keine ausgehandelten „Deals“ zwischen Luxemburg und den Unternehmen. Sie werden nicht verhandelt. Stattdessen legt die Steuerverwaltung dar, wie sie die bestehende nationale und internationale Steuergesetzgebung auf eine bestimmte Situation anzuwenden beabsichtigt.

Die Europäische Kommission hat im Übrigen bestätigt, dass diese Praxis mit der europäischen Gesetzgebung in Einklang steht, solange alle Steuerzahler in einer vergleichbaren Situation gleich behandelt werden.

Selbstprüfung der Staaten wäre besser

Grund für eine niedrige Steuerrate ist nicht die Präsenz eines Unternehmens in einem bestimmten Land, sondern die Wechselwirkung zwischen komplizierten Steuerregimen verschiedener Jurisdiktionen. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich der Blick von Staaten und Bürgern auf internationale Steuerangelegenheiten verändert. Die Legitimität mancher Mechanismen wird in Frage gestellt, obwohl sie konform mit internationalem Recht sind. Luxemburg teilt diese Bedenken.

Insbesondere halten wir es für inakzeptabel, dass Firmen bestehende internationale Regeln so ausgestalten, dass sie eine Besteuerung ganz oder zum erheblichen Teil vermeiden. Die entsprechenden nationalen und internationalen Regeln müssen also an die heutigen Realitäten angepasst werden.

Alle Länder sollten daher die laufende Debatte als Gelegenheit zur Selbstprüfung und zur Kontrolle der eigenen Steuersysteme nutzen. Zur Lösung dieses Problems bedarf es einer koordinierten Anstrengung der internationalen Gemeinschaft.

Als Mitglied der OECD, die das Thema derzeit diskutiert, wird Luxemburg seinen Teil zu einer fairen und effizienten Lösung dieser Probleme beitragen. Beispielsweise wurde auf europäischer Ebene Mitte des Jahres mit Unterstützung von Luxemburg die Mutter-Tochter-Richtlinie verschärft.

Auch auf nationaler Ebene sind einige Veränderungen auf den Weg gebracht worden. So bekennt sich Luxemburg zum Prinzip der Transparenz und schloss Anfang November das Gesetzgebungsverfahren ab, welches zur Abschaffung des Steuergeheimnisses führen wird.

Im selben Maße kann auf die Unterstützung der Regierung Luxemburgs gesetzt werden, wenn es gilt, eine Lösung zur Verhinderung der Nicht-Besteuerung von Unternehmen zu finden. Diesen Kurs haben wir schon lange vor den jüngsten Veröffentlichungen des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) eingeschlagen.

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