Herausforderungen der Energiewende Die Krux mit der Grundlast

Oliver Fischer, Arete Ethik Invest

Oliver Fischer, Arete Ethik Invest Foto: Arete Ethik Invest

Erneuerbare Energien bieten drei entscheidende Vorteile. Erstens belasten sie die Umwelt deutlich weniger als konventionelle Kraftwerke, die vor allem mit Kohle und Gas arbeiten. Wie es sich mit der Kernkraft verhält, ist umstritten, spielt aber in Deutschland, aktuell zumindest, keine Rolle mehr. Selbst die großen Energieversorger sprechen sich gegen ein Comeback der Atomkraft aus.

Zudem kann Wind- und Solarstrom heute deutlich günstiger produziert werden als Energie aus fossilen Brennstoffen. Vor allem Kohlekraftwerke verursachen vergleichsweise hohe Kosten. Am günstigsten sind freistehende Photovoltaikanlagen. Auch On- und Offshore-Windparks arbeiten laut Fraunhofer-Institut günstiger als Braun- oder Steinkohlekraftwerke.

 

Und drittens ermöglichen erneuerbare Energien eine gewisse Unabhängigkeit von potenziell unzuverlässigen Lieferanten fossiler Energieträger. Wie fatal sich eine solche Abhängigkeit auswirken kann, haben die Gaslieferungen aus Russland gezeigt. Und ob Länder wie Katar oder die USA mit ihren Flüssiggaslieferungen eine sichere Bank sind, muss sich langfristig erst noch zeigen. Bei Wind- und Solarstrom gibt es allerdings das Problem der Dunkelflauten, die vor allem im Herbst und Winter immer wieder auftreten.

Boom bei großen Akkus

Hier bietet es sich an, auf Stromspeicher zu setzen. Diese waren lange Zeit zu teuer. Doch mittlerweile hat eine dramatische Kostensenkung stattgefunden. Heimspeicher sind seit 2013 um gut 70 Prozent günstiger geworden. Auch große stationäre Batterieanlagen, mit denen sich größere Mengen Wind- oder Solarstrom speichern lassen, haben sich deutlich verbilligt. Das erklärt auch den Boom, den sie derzeit erleben. Denn mit großen stationären Stromspeichern lässt sich mittlerweile Geld verdienen.

Vereinfacht ausgedrückt funktioniert das Geschäftsmodell wie folgt: Wenn die Sonne scheint und/oder viel Wind weht, werden große Mengen erneuerbare Energie erzeugt und die Preise sinken aufgrund des hohen Angebots. In diesen Phasen kann der Betreiber des Batteriespeichers den Strom günstig einkaufen. Wenn die Sonne untergeht und/oder der Wind nachlässt, steigen die Preise wieder. Dann kann der gespeicherte Strom mit Gewinn verkauft werden. Das Geschäft ist so lukrativ, dass sich stationäre Stromspeicher teilweise schon nach fünf Jahren amortisiert haben.

Aber auch bei den Batteriespeichern gibt es verschiedene Probleme. Vor allem gibt es trotz des jüngsten Booms auf absehbare Zeit viel zu wenige stationäre Batteriespeicher. Das liegt auch daran, dass die einzelnen Großbatterien nur vergleichsweise geringe Strommengen speichern können. Sie können nur Stunden, nicht aber ganze Tage oder gar Monate ausgleichen. Die Vorstellung, im Sommer genügend Strom für Herbst und Winter zu speichern, ist auf absehbare Zeit illusorisch.

E-Autos sind nur ein kleiner Teil der Lösung

Schon länger gibt es die Idee, die Akkus von E-Autos als Speicher zu nutzen, ähnlich wie den Stromspeicher in der Garage oder im Keller für eine Solaranlage auf dem Dach. Doch auch hier ist eine spürbare Stabilisierung des Stromangebots noch lange nicht in Sicht. Erstens gibt es dafür noch gar nicht genügend Elektroautos. Und zweitens können noch zu wenige Stromer bidirektional laden, also nicht nur Strom speichern, sondern auch wieder abgeben, also entladen.

Wenn die erneuerbaren Energiequellen zu wenig oder gar keinen Strom liefern, müssen sogenannte Back-up-Kraftwerke einspringen. Dabei handelt es sich vor allem um Kohle- und Gastkraftwerke, aber auch Kernkraftwerke, die sich schnell hochfahren lassen

Konventionelle Kraftwerke müssen einspringen

 Das Problem ist, dass Deutschland die letzten Kernkraftwerke vom Netz genommen hat und gleichzeitig immer mehr Kohlekraftwerke stilllegt. Unter dem Strich gibt es derzeit einfach zu wenig Back-up-Kraftwerke. Deutschland hilft sich aus der Misere, indem es bei Dunkelflauten Strom aus dem Ausland bezieht. Die Folge ist aber, dass dort in diesen Phasen die Preise durch die deutsche Zusatznachfrage zum Teil drastisch steigen. Die schwedische Energieministerin Ebba Busch sprach in diesem Zusammenhang bereits von einer Achterbahnfahrt der Strompreise, die unerträglich sei.

Die drittgrößte Industrienation der Welt sollte den Anspruch haben, ihre Energieversorgung in erster Linie selbst sicherstellen zu können. In der Konsequenz bedeutet dies, dass Deutschland seine Back-up-Kapazitäten deutlich ausbauen muss. Da der Kohleausstieg beschlossene Sache und eine Renaissance der Kernenergie in Deutschland derzeit nicht angedacht ist, bleiben nur neue Gaskraftwerke.

Diese belasten die Umwelt zumindest deutlich weniger als Kohlekraftwerke und können perspektivisch auf Wasserstoff umgestellt werden. Wird dieser durch Elektrolyse gewonnen, gilt er als grün, weil dann klimaneutral. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass grüner Wasserstoff auf absehbare Zeit nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird, um damit Gaskraftwerke zu betreiben.

 

Über den Autor:

Oliver Fischer ist Partner und Präsident des Verwaltungsrates bei der in Zürich ansässigen Arete Ethik Invest und für das Relationship- und Solutions-Management tätig. Bevor der Diplom-Betriebswirt zur Arete Ethik Invest wechselte, arbeitete Fischer für das Privatbankhaus Hauck Aufhäuser Lampe.

 

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