Endliches Vermögenswachstum „Das globale Vermögen und die Verschuldung werden schrumpfen“

Daniel Stelter, früher Senior-Partner bei der Strategieberatung BCG, berät heute Finanzinstitute bei der Bewältigung der andauernden Finanzkrise

Daniel Stelter, früher Senior-Partner bei der Strategieberatung BCG, berät heute Finanzinstitute bei der Bewältigung der andauernden Finanzkrise

Der französische Wirtschaftsforscher Thomas Piketty, berühmt durch sein Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“,  und seine Unterstützer können sich bestätigt fühlen. Der neueste Global Wealth Report der Credit Suisse zeigt weltweit wachsende Vermögen und Vermögenskonzentration. Auch für die Zukunft erwarten die Analysten einen deutlich über der Wachstumsrate der Wirtschaft liegenden Zuwachs an Vermögenswerten.

Zugleich warnen Ökonomen wie Larry Summers vor einer säkularen Stagnation der Weltwirtschaft, also einer langen Periode geringen Wachstums. Die Welt habe zu viel Ersparnis und zu wenig Investition und Konsum. Stehen wir also vor einem sich beschleunigenden Vermögens¬wachstum bei gleichzeitiger Stagnation in der Welt? Wohl kaum.

Sowohl Piketty wie auch die Credit Suisse führen bestehende Trends fort. Piketty erwartet unabhängig vom Wirtschaftswachstum eine reale Kapitalrendite von 4 bis 5 Prozent, die Credit Suisse arbeitet mit erwarteten Unternehmensgewinnen und Regressionsanalysen. Die grundsätzliche Frage – wie es überhaupt sein kann, dass Vermögen dauerhaft schneller wachsen als das Volkseinkommen – stellen weder Piketty noch die Credit Suisse. Sie betrachten Symptome, nicht die wahre Ursache.

Hier kommt die Kehrseite des Vermögens – die Verschuldung – ins Spiel. Ein derartiges Wachstum der Vermögenswerte und auch der Vermögenskonzentration wäre gar nicht möglich ohne die zeitgleich enorm gestiegene weltweite Verschuldung. Neue Schulden stützen die Realwirtschaft und treiben die Nachfrage und Preise von Vermögenswerten.

In der Tat hat sich parallel zu der von Piketty beobachteten Zunahme an Vermögen seit 1980 die Schuldenlast in den Industrieländern mehr als verdoppelt. Eine Entwicklung, die sich seit Beginn der Krise weltweit beschleunigt: Die globale Verschuldung ist seit 2007 von 105 auf 150 Billionen Dollar gestiegen. Die Industrieländer haben Schulden von 275 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Schwellenländer von 175 Prozent. Beide liegen mit je 20 Prozent über dem Niveau von 2007. China schafft es übrigens mit 250 Prozent auf westliches Niveau.

Piketty und die Credit Suisse gehen implizit davon aus, dass sich der Trend zu weiter steigender Verschuldung ungebremst fortsetzt. Es wird aber nicht möglich sein, die Schulden dauerhaft schneller wachsen zu lassen, als die Einkommen. Bezöge sich die Verschuldung nur auf den Kauf von Vermögenswerten, die dann entsprechend im Wert steigen, ließe sich das Spiel solange fortsetzen, wie die Wertsteigerung des Vermögenswertes über den Zinskosten liegt. Aber selbst in einem Umfeld von fast Nullzinsen ist dies endlich.

Sobald die Wertsteigerung nicht mehr gegeben ist, käme es zu erheblichen Einbrüchen an den Finanzmärkten, weil sich dann die negative Wirkung des Kaufs auf Kredit zeigt: Alle würden zeitgleich versuchen, aus den Markt auszusteigen. Die Vermögenswerte kollabieren. Was bleibt ist die Schuldenlast – ohne den entsprechenden Vermögenswert. Zu beobachten war dies in Spanien nach dem Platzen der Immobilienblase.

So schön eine Welt ewig steigender Vermögenswerte wäre, so unrealistisch ist sie. Viel wahrscheinlicher ist, dass Vermögen und Schulden gemeinsam schrumpfen. Entweder weil das Schuldengebäude zum Einsturz kommt oder weil die Politik den Empfehlungen Pikettys folgt, die  Vermögenden konfiskatorisch zu besteuern, um damit die Schulden abzutragen. Da spielt es dann keine Rolle, dass Pikettys Theorie auf einem schwachen Fundament steht.


Über den Autor:
Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Forums „Beyond the Obvious“. Er war von 1990 bis 2013 Unternehmensberater bei der Strategie¬beratung The Boston Consulting Group (BCG), zuletzt als Senior-Partner und Geschäftsführer. Seit 2007 berät er internationale Unternehmen im Umgang mit den Herausforderungen der fortschreitenden Finanzkrise.

Aktuell hat Stelter eine Replik auf das Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ des französischen Ökonomen Thomas Piketty im Verlag Frankfurter Allgemeine Buch veröffentlich. Mit seinem Buch „Die Schulden im 21. Jahrhundert“, das schon im Titel auf Pikettys Bestseller Bezug nimmt, weist Stelter auf die gravierende Betrachtungslücke seines französischen Kollegen hin, der in seiner Veröffentlichung übersieht, dass die Vermögen nur ein Symptom, die Schulden aber das wahre Problem der wirtschaft¬lichen Entwicklung sind.

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