Am Beispiel Rostock Der Nutzwert demografischer Daten für das Immobilienportfolio

 Jan Grade von Empirica Regio: „Ohne größere Zuwanderung wird Deutschland insgesamt ab den 2030er-Jahren in einen Schrumpfungspfad übergehen, der bereits jetzt sozioökonomische Veränderungen ankündigt.“

Jan Grade von Empirica Regio: „Demografische Trends wirken sich auch auf die Nachfrage nach Konsumgütern und Dienstleistungen aus, was wiederum die regionale Wirtschaft und andere Assetklassen beeinflusst.“ Foto: Empirica

Derzeit kreist die Diskussion in der Immobilienbranche oft um hohe Baukosten, das Zinsniveau oder Bauvorschriften als Hemmnis für Investitionen. Zweifellos ist das eine wichtige Diskussion mit Blick auf die Bautätigkeit und die Bereitstellung zusätzlichen Wohnraums. Gleichzeitig werden unterschiedliche Zahlen dazu verkündigt, wie viele Wohnungen derzeit fehlen oder zukünftig fehlen werden. Verlässliche Aussagen darüber, wie viel zusätzlicher Wohnraum in Zukunft benötigt wird, lässt sich aus diesen Daten jedoch kaum ableiten.

Für langfristige Investitionsentscheidungen ist die zukünftige Entwicklung einer Region von entscheidender Bedeutung. Dabei sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, zum Beispiel die Haushaltsentwicklung sowie die aufgrund der Altersstruktur in der jeweiligen Region benötigten Wohnformen. Insbesondere institutionelle Investoren, die langfristig und großvolumig investieren, sollten ihre Strategien auf fundierte demografische Analysen stützen, um die Breitenwirkung von Entwicklungen zu berücksichtigen und damit Risiken zu minimieren.

Demografie bestimmt Nachfrage nach Immobilien 

Das Thema Demografie ist ein Dauerbrenner. Insbesondere eine Betrachtung des demografischen Wandels ist von Bedeutung, da dieser einen erheblichen Einfluss auf gesamtwirtschaftliche Planungen und die Zukunftssicherung hat. Ohne größere Zuwanderung wird Deutschland insgesamt ab den 2030er-Jahren in einen Schrumpfungspfad übergehen, der bereits jetzt sozioökonomische Veränderungen ankündigt. Weiterhin kommt erschwerend hinzu, dass die Verrentung der Babyboomer und die daraus resultierende ungleiche Verteilung der Alterskohorten erhebliche Auswirkungen auf das Rentensystem und die Altersvorsorge hat.

Dies ist zwar weitgehend bekannt, eine genauere Betrachtung dieser deutschlandweiten Trends zeigt jedoch, dass diese Entwicklungen auch erhebliche Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben werden. Um die damit verbundenen Chancen und Risiken bei Investitionsentscheidungen besser einschätzen zu können, ist es wichtig, auch regionale Unterschiede zu berücksichtigen, da diese zum Teil erheblich variieren können.

Die langfristige Perspektive im Blick

Für institutionelle Investoren ist besonders die langfristige Perspektive von elementarer Bedeutung. Der Grund: Demografische Entwicklungen beeinflussen die Nachfrage nach verschiedenen Immobilientypen erheblich. So bieten beispielsweise Regionen mit einer alternden Bevölkerung große Investitionschancen in Pflegeimmobilien und betreutes Wohnen, während jüngere, dynamische Regionen Potenzial für den Mietwohnungsbau und das studentische Wohnen aufweisen.

 

Darüber hinaus wirken sich demografische Trends aber auch auf die Nachfrage nach Konsumgütern und Dienstleistungen aus, was wiederum die regionale Wirtschaft und andere Assetklassen beeinflusst. Institutionelle Investoren können diese demografischen Daten also nutzen, um ihre Immobilienportfolios optimal auszurichten und darüber hinaus auch in Gewerbeimmobilien, Infrastrukturprojekte sowie Unternehmensanleihen zu investieren, die von diesen Trends passiv profitieren.

Studentenwohnung oder betreutes Wohnen?

Die detaillierte Analyse der Altersgruppen in bestimmten Regionen ermöglicht beispielsweise präzise Vorhersagen über die zukünftige Nachfrage nach verschiedenen Wohnkonzepten. Eine junge, urbane Bevölkerung erhöht den Bedarf an modernen, kompakten Wohnungen, während ein hoher Seniorenanteil die Nachfrage nach barrierefreien Wohnformen und betreuten Wohnanlagen steigen lässt. Zudem beeinflusst die Zuwanderung aus dem Ausland die Immobilienmärkte, insbesondere in urbanen Ballungszentren. Zuwanderer ziehen häufig in Städte, in denen sie ein entsprechendes Arbeitsplatzangebot oder bereits bestehende Gemeinschaften aus ihren Heimatländern vorfinden. Auch Studierende suchen in Städten nach Wohnraum, was zu einer erhöhten Nachfrage nach studentischen Wohnungen führt.

Notwendige Differenzierung am Beispiel Rostock

Dass immer auch ein Blick auf die regionalen Gegebenheiten im Zusammenhang mit Bevölkerungsprognosen nötig sind, zeigt das Beispiel der Stadt Rostock. Seit Jahren ist ein stetiger Zuzug junger Erwachsener zu verzeichnen (siehe Grafik 1), der vor allem auf die Bildungswanderung zurückzuführen ist. Gleichzeitig verlassen junge Erwerbstätige und Familien die Stadt ins Umland, aber auch in andere Regionen in Norddeutschland. Mögliche Gründe hierfür liegen im Arbeitsmarkt, wenn das Angebot in anderen Regionen attraktiver erscheint.

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Grafik 1 Quelle: Empirica regio (Basis: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Deutschland, 2018-2024, dl-de/by-2-0)

Trotz der Zuwanderung von Erwachsenen kann das Bevölkerungswachstum der Stadt also nicht einfach linear hochgerechnet werden. Denn die entscheidende Frage ist, ob diese nach ihrer Ausbildung in der Stadt oder in der Region bleiben. Eine heikle, aber notwendige Frage, wenn es um den zukünftigen Wohnungsbedarf geht. Dass die Nachfrage das Angebot leicht übersteigt, zeigt der Trend steigender Mieten und sinkender Leerstände in der Stadt, aber auch im Landkreis Rostock. Gleichzeitig hat die Zahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte in den vergangenen Jahren zugenommen, während die Zahl der Mehrpersonenhaushalte stagniert.

Eine Investition in entsprechenden Wohnraum in Rostock könnte sich lohnen. Die Zunahme kleiner Haushalte wird sich wahrscheinlich fortsetzen (siehe Grafik 2) und voraussichtlich noch bis Mitte der 2030er-Jahre anhalten. Somit dürften die Leerstände in der Stadt auf einem niedrigen Niveau bleiben.

Grafik 2 Quelle: Empirica Regio (empirica Wohnungsmarktprognose 2024/2025, Basisjahr 2022; Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Deutschland, 2018-2024, dl-de/by-2-0)

Das Beispiel Rostock zeigt, wie wichtig Faktoren wie Alterskohorten, Nachfrage nach bestimmten Wohnungstypen oder auch regionale Verflechtungen sein können. Aber Vorsicht: Regionale Wohnungsengpässe verändern auch die zukünftige Entwicklung und führen zu einer verstärkten Abwanderung in das Umland. Damit verschiebt sich die zukünftige Nachfrage innerhalb der Region. Hier lohnt es sich ebenfalls, genau zu schauen und Prognosen regelmäßig zu aktualisieren.

Zusatz: Demografie-Checkliste:

  1. Trends analysieren:
    • Beobachten Sie Dynamik und Altersschichtung der Bevölkerung.
    • Verfolgen Sie Zuwanderung und Mobilität der Schlüsselgruppen.
  2. Regionale Besonderheiten:
    • Erkunden Sie lokale und regionale demografische Besonderheiten.
    • Passen Sie Wohnkonzepte an spezifische Altersgruppen an.
  3. Prognosen nutzen:
    • Verwenden Sie nachvollziehbare Bevölkerungs- und Haushaltsprognosen für Investitionsentscheidungen.
    • Prüfen Sie regelmäßig die Aktualität der Prognosen.
  4. Wirtschaftliche Bedingungen:
    • Bewerten Sie wirtschaftliche Attraktivität und Arbeitsmarktbedingungen.
    • Stimmen Sie Ihre Strategie auf wirtschaftliche und demografische Veränderungen ab.
  5. Dynamisch anpassen:
    • Halten Sie Ihre Daten aktuell und passen Sie Strategien flexibel an.

Über den Autor

Jan Grade (Geograph/Geoinformatiker) ist seit 2010 in verschiedenen Positionen bei Empirica tätig und seit 2019 Geschäftsführer bei Empirica Regio, einem Tochterunternehmen mit dem Fokus auf Recherche, Verarbeitung, Analyse und Bereitstellung von Rahmendaten zum Immobilienmarkt. Seine inhaltlichen Arbeitsschwerpunkte liegen im Wohnungsmarktresearch und der Weiterentwicklung der unternehmenseigenen Regionaldatenbank. Bei Empirica war er zuvor wissenschaftlicher Mitarbeiter und dann Projektleiter.  

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