Der Wirtschaftlichkeitsgedanke im Zusammenhang mit Kunstwerken galt noch vor wenigen Jahrzehnten als verpönt. Kunstkäufe resultierten primär aus einer rein ästhetischen, psychologischen oder soziokulturellen Motivation heraus.
Bedingt durch niedrige Zinsen stieg allerdings die Nachfrage privater und institutioneller Investoren nach einer Erweiterung des Anlageuniversums, innovativen Investmentkonzepten und stärkerer Risikostreuung. Alternative Investments und insbesondere Collectibles – zu denen unter anderem Antiquitäten, Oldtimer, Weine und Uhren gehören – rückten immer stärker in den Fokus von Family Offices und Wealth Managern.
Als Königsklasse innerhalb dieser Gruppe genießt Kunst wachsende Popularität, da diese wie keine andere Anlageform – neben Chancen auf attraktive Renditen und geringen Korrelationen zu traditionellen und auch weiteren alternativen Investments – Passion sowie kulturellen Wohlstand mit Kapitalerhalt und steuerlichen Vorteilen vereint.
Der unvollkommene Kunstmarkt
Charakteristika des Kunstmarktes sind Informationsasymmetrien und Intransparenz hinsichtlich der Marktteilnehmer und Transaktionen. Hinzu kommen Preisbildungsprozesse, die von kulturellen, soziopsychologischen und intersubjektiven Faktoren bestimmt werden, und daraus resultierende Verzerrungseffekte, ein hoher Grad an Illiquidität, fehlende staatliche Regulierung sowie hohe Transaktionskosten.
Der Kunstmarkt ist geprägt von kurzlebigen Trends und irrationalem (Herden-) Verhalten der Akteure. Die Bewertung von Kunst unterscheidet sich stark von derjenigen anderer Anlageklassen und es erweist sich aufgrund der individuellen Beschaffenheit eines jeden Kunstwerks als ein komplexer Prozess, einen Marktwert zu eruieren.
All diese Eigenschaften zeichnen einen unvollkommenen Markt aus und mögen auf den ersten Blick wenig attraktiv erscheinen. Sie werfen zudem die Frage auf, inwieweit Kunst tatsächlich als ernstzunehmende Anlageklasse und integraler Bestandteil des Angebots im Wealth Management fungieren sollte.
Ungeachtet der aufgeführten Marktdefizite wurden in zahlreichen empirischen Untersuchungen positive Effekte auf die Rendite-Risiko-Struktur von langfristig ausgerichteten Investmentportfolios durch die Beimischung von Kunst im Rahmen der Asset Allocation bestätigt. Ferner reagierte der Kunstmarkt verglichen mit anderen Anlageklassen bislang nur gering auf wirtschaftliche und politische Krisen.
Zur Ökonomik von Kunst und ihrer systematischen Erforschung
Seit einiger Zeit findet ein Umdenken im Hinblick auf die Ökonomik bildender Kunst statt. Die Abwendung vom ursprünglichen Ideal und der neue Profitgedanke spiegeln sich in der systematischen Erforschung, der Identifizierung von Trends und Werttreibern sowie in der Professionalisierung des Kunstmarktes wider.
Neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, Datenbanken und Online-Plattformen hat sich innerhalb der vergangenen Dekade auch eine Vielzahl an Indexkonzepten herausgebildet, die auf öffentlich zugänglichen Daten von Auktionshäusern basieren und über welche – analog zu traditionellen Anlageklassen – die Wertentwicklung des gesamten Kunstmarktes sowie die einzelner Kunstgattungen oder geografischer Regionen annähernd ermittelt wird.
Verbreitete Indizes, deren Methodik unterschiedlichen Berechnungsmodellen unterliegt, sind der Sotheby’s-Mei-Moses-Index, Artnet Fine Art Index, Artprice Global Index, General Fine Art Index und der Art Investment Market Index.