Vernachlässigte Beratungsthemen, Teil 3 Wie Private Banker bei der Auswahl eines Bevollmächtigten helfen können

Ulrich Welzel ist Experte und Trainer für die Themen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Ulrich Welzel ist Experte und Trainer für die Themen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Schon vor vielen Jahren hat Rosa M. (76) eine Patientenverfügung erstellt und ihren Nachbarn Bertold F. (61) zum Bevollmächtigten in ihrer Vorsorgevollmacht eingetragen. In Gesprächen mit Freunden verweist sie wiederholt auf ihre Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht: „Ich habe Bertold F. als Bevollmächtigen eingesetzt, der macht alles für mich und hat mein vollstes Vertrauen. Er weiß, dass ich im Fall der Fälle nicht mit Pumpen und Maschinen am Leben gehalten werden will.“

Berthold F. hilft ihr, wo es geht. Auch als Rosa M. aus gesundheitlichen Gründen innerhalb von 14 Tagen aus ihrem schmucken Häuschen in ein Pflegeheim umziehen muss.

Vier Monate nach dem Einzug wird Rosa M. um 6:30 Uhr mit schwerer Atemnot ins Krankenhaus gefahren. Kaum dass der Notarzt sie über die Schwelle der Notaufnahme fährt, kollabiert ihr Körper. Alle Reanimierungsversuche nutzen nichts: Rosa M. fällt ins Wachkoma. Im Wachkoma liegend, wird sie an sieben unterschiedliche Pumpen mit lebenserhaltenden Flüssigkeiten angeschlossen.

Bertold F. als Bevollmächtigter wird umgehend benachrichtigt und kommt kurze Zeit später auf die Intensivstation. Der betreuende Arzt auf der Intensivstation hat Bedenken, den in der Patientenverfügung geäußerten Willen von Rosa M. umzusetzen, weil er noch auf Besserung hofft. Das Auftreten des Arztes verunsichert Bertold F. so sehr, dass er das Krankenhaus untätig verlässt und zur Arbeit fährt.

Letzten Wunsch spät umgesetzt


Der Intensivmediziner nimmt im Laufe des Vormittags Kontakt zum Hausarzt auf. Dieser bestätigt den Willen von Rosa M., niemals lebensverlängernde Maßnahmen einzuleiten. Am Ende des Gesprächs einigen sich die beiden Mediziner darauf, den Wünschen von Rosa M. zu entsprechen und die lebensverlängernden Maßnahmen zu stoppen, damit Rosa M. friedlich sterben kann. Es fehlt nur noch die Einwilligung des bevollmächtigten Bertold F.

Trotz unzähliger Versuche, Kontakt mit Bertold F. aufzunehmen, dauert es bis 18 Uhr bis ihn der Hausarzt erreicht. Auf seine Bitte: „Fahren Sie bitte sofort in Krankenhaus, der behandelnde Arzt wartet schon auf Sie“, kommt die Antwort von Bertold F.: „Das geht jetzt nicht, ich habe noch einen Termin bei meinem Sportverein.“ Nur der parallel eintreffende Anruf des Intensivmediziners bewegt ihn, sofort ins Krankenhaus zu fahren.

Zwölf Stunden nach Einlieferung ist der Bevollmächtigte soweit, den Empfehlungen der Mediziner zu folgen und den Willen der Vollmachtgeberin umzusetzen. Die lebensverlängernden Infusionen werden langsam zurückgefahren, und eine hinzugezogene Hospizbegleiterin begleitet Rosa M. bis sie kurz vor Mitternacht friedlich verstirbt.

Am nächsten Tag fragt der Hausarzt Bertold F., warum er am Vortag 12 Stunden nicht erreichbar war: „Ich war total überfordert. Obwohl wir in den vergangenen Wochen viel über diese Situation gesprochen haben, hatte ich in dem Moment unglaublich Angst, derjenige zu sein, der über Leben und Tod bestimmt. Das war mir vorher nicht klar.

Auswahl des Bevollmächtigten

Das Beispiel zeigt: Es sollten nur Personen eingesetzt werden, …

  1. denen der Vollmachtgeber zu 100 Prozent vertraut und dem im Notfall zugetraut wird, den letzten Willen notfalls auch juristisch durchzusetzen.

  2. die in Notfällen schnell vor Ort sein können. Es nutzt nichts, wenn der Bevollmächtigter/Betreuer hunderte von Kilometern entfernt wohnt oder arbeitet.

  3. die in der Lage sind, die vielfältigen Aufgaben eines Bevollmächtigten/Betreuers wahrzunehmen. Findet der Vollmachtgeber in seinem persönlichen Umfeld keine Person, kann ein gerichtlicher Betreuer bestellt werden. Das kann Sinn machen, wenn der Vollmachtgeber meint, dass engste Familienmitglieder emotional nicht in der Lage sind, den letzten Schritt zu vollziehen.

  4. Bei mehreren Bevollmächtigten, zum Beispiel zwei erwachsenen Kindern, hat es sich bewährt, eine Rangfolge in der Entscheidung einzubauen. Leider kommt es immer wieder vor, dass gleichberechtigte Bevollmächtigte am Sterbebett anfangen zu streiten.


Die Bürde der Bevollmächtigten

Das Mandat eines Bevollmächtigten ist keine Gefälligkeit oder Höflichkeit unter Freunden, Verwandten oder Nachbarn, sondern eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe.

Bevollmächtigt sein bedeutet,…

  1. nicht Herr über Leben und Tod, sondern einseitiger Interessenvertreter zu sein.

  2. ein gewaltiges Maß an Verantwortung und Verpflichtungen zu übernehmen.

  3. möglicherweise emotional stark beansprucht zu werden.

  4. bei Streitigkeiten die Patientenrechte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen juristische und medizinische Personen durchsetzen zu können.

  5. ich über die Konsequenzen klar zu sein, im Notfall sofort den Arbeitsplatz zu verlassen.

  6. im Notfall an der Seite des Vollmachtgebers zu stehen und eigene Bedürfnisse zurückstellen zu können.

  7. sinnvoller Weise nur Vollmachten anzunehmen, wenn der Vollmachtgeber in der Nähe lebt. Eine Betreuung über viele hundert Kilometer ist für beide Seiten sehr schwierig, um den Kontakt zum Vollmachtgeber, den Medizinern und anderen Entscheidern sinnvoll aufrecht zu halten.

  8. sich mit Fragen an den örtlichen Betreuungsverein, an das Betreuungsgericht (ansässig beim Amtsgericht), einen Notar oder Medizinrechtsanwalt zu wenden.