Digitalisierung im Private Banking, Teil 2 Auf die Erlebniswelt des Kunden kommt es an

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Kundenbindung im Ökosystem

Digitalisierung ermöglicht vor allem eines: Die dichtere Vernetzung der Bank nach außen mit seinen Kunden und Lieferanten sowie nach innen mit den eigenen internen Einheiten. Diese Vernetzung ermöglicht eine deutlich höhere Interaktion mit dem Kunden.

Das ist sehr im Interesse der Bank, da eine Erhöhung der Interaktion nützliche Effekte bringt: (1.) Erhöhung der Kundenbindung und damit (2.) der Ertragspotentiale pro Kunde. Eine Erhöhung der Interaktion ermöglicht zudem auch ein viel tieferes Verständnis des Kundenverhaltens und bietet neue Möglichkeiten, maßgeschneiderte Angebote zu entwickeln.

Die engere Vernetzung mit Drittparteien kann für die Etablierung von sogenannten Ökosystemen förderlich sein. Dies entspricht dem, was heute häufig eine Privatbank im realen Ökosystem eines Wealth-Management-Kunden ist. Nichts anderes stellt die Bank dar, wenn sie für den Kunden als primärer (prefered partner) Ansprechpartner zur Verfügung steht, wenn es sich um Vermögensverwaltungsfragen dreht und Rechtsanwälte, Steuerberater, Treuhänder, Immobilien- oder Kunstexperten für den Kunden im eigenen Netzwerk gesucht werden.

Großes Potential für die Entwicklung von Ökosystemen kann im Open-Banking-Ansatz gesehen werden, welche eine Standardisierung von Kundendaten schafft und damit die Lebensadern eines solchen Ökosystems ermöglicht. Dies ist als einer der wichtigsten Trends des vergangenen und auch der kommenden Jahre anzusehen.

Die nicht vorhandenen Skaleneffekte

Eine der betriebswirtschaftlichen Konstanten des Private-Banking-Geschäftes ist die begrenzte Skalierbarkeit des Geschäftsmodells. Verblüffend ist ja, dass es eine der wenigen Branchen ist, in der die Diskrepanz zwischen dem größten und dem kleinsten Anbieter so gewaltig ist. So stehen in direktem Wettbewerb zueinander etwa eine global tätige UBS mit mehr als 2.000 Milliarden Euro verwaltetem privaten Kundenvermögen und beispielsweise einem kleinen unabhängigen Vermögensverwalter mit 100 Millionen Euro Kundenvermögen.

Die ökonomische Erklärung hierfür liegt darin, dass im Private Banking beziehungsweise in der Vermögensverwaltung die Skaleneffekte (economies of scale) nicht so hoch sind, wie man vielleicht glauben würde. Wären diese sehr groß, würde es auf der Welt nur ein paar wenige sehr große Anbieter wie in der Automobilbranche geben.

Warum sind aber die Skalenvorteile im Private Banking so gering? Vor allem weil ein auf persönliche Beziehungen beruhendes Geschäft beschränkte Skalierungsmöglichkeiten hat: Ein Kundenberater kann nicht immer mehr Kunden betreuen, denn ab einer bestimmten Anzahl an Kunden würde ein zusätzlicher Kunde auf die Dienstleistungsqualität aller anderen Kundenbeziehungen drücken.

Die Digitalisierung als Großchance

In diesem Sinne ähnelt die Vermögensverwaltungsbranche eher Branchen wie Rechtsanwälten oder Ärzten – wo die durchschnittliche Anzahl von Kunden pro Anwalt/Arzt nicht unendlich skalierbar ist. Die Digitalisierung könnte diese ökonomischen Zusammenhänge zugunsten einer effizienteren Kundenberater-Kunde-Interaktion beeinflussen.

Sollte sich sogar ein weitgehendes digitales Beratungsmodell ohne menschliche Schnittstelle (oder sehr reduzierter) durchsetzen, würden sich daraus offensichtlich enorme Skaleneffekte generieren lassen. Der Digitalisierungs-Business Case bedingt anfänglich hohe Investitionen in die Erstellung eines digitalen Angebotes, durch die Effizienzgewinne würde sich mittel- bis langfristig ein hoher Return on Investment erzielen lassen.

Dies allerdings nur, wenn in einem hybriden Modell der Kundenberater seine Beratungszeit gezielter einsetzen kann und die Technologie die administrativen und regulatorischen Kosten deutlich senken kann. In weitgehend digitalen Lösungen wäre theoretisch die Skalierbarkeit praktisch unendlich.