Wie ernsthaft die Lage ist, wird durch den rückwärtsgewandten Blick auf die Schulden-zu-BIP-Verhältnisse zudem noch verschleiert. Nicht berücksichtigt werden nämlich Verpflichtungen für die Zukunft in Form von Sozial- und Gesundheitsausgaben sowie Rentenversicherungen und Pensionen. Dem World Economic Forum (WEF) zufolge werden die sechs größten Altersvorsorgesysteme der Welt, das der USA, Großbritannien, Japan, der Niederlande, Kanada und Australien, 2050 eine Lücke von 224 Billionen US-Dollar aufweisen. Nimmt man noch China und Indien dazu, die bevölkerungsreichsten Länder der Welt, kommt man sogar auf ein Defizit von 400 Billionen US-Dollar, was 500 Prozent des globalen BIP zu diesem Zeitpunkt entsprechen würde. Das wird „die Einkommen der künftigen Generationen gefährden und die Industrieländer mit der größten Krise ihres Altersversicherungssystems in der Geschichte konfrontieren“, schreibt das WEF.
Angesichts dieser Probleme und der Tatsache, dass die Verschuldung in vielen Ländern schon die Grenze des Vertretbaren erreicht hat, sind drastische Maßnahmen nötig. Zu diesen könnte gehören, aktuell geltende Versprechen zu widerrufen und Einkommens- und Vermögenssteuern sowie Schulden zu erhöhen, um die Wirtschaft wieder ans Laufen zu bringen, unter Umständen verbunden mit dem Ausfall von Staatsanleihen und der Abwertung der Währung.
Alle Möglichkeiten werden auf politischer und wirtschaftlicher Ebene und auf den Finanzmärkten Probleme aufwerfen. Investoren werden es in den nächsten Jahrzehnten nicht leicht haben. Für Bondmanager und ihre Kunden wird es wichtiger denn je, Rendite und Ausfallrisiko genau im Blick zu behalten.
Man könnte die Sache auch positiver betrachten: Die steigende Verschuldung dürfte zwar höhere Ausfallrisiken zur Folge haben, es könnte aber auch mehr Anleihekäufer geben. Die Renditen müssten dann nicht in katastrophale Höhen klettern, wie so mancher erwartet.
Dennoch könnte sich das Machtgefälle in der Welt verändern: Schuldnerländer könnten zu „Sklaven“ der Geldgeberländer werden. Einen Vorgeschmack darauf bietet schon jetzt China, ein Land mit einem der weltweit größten Bankvermögen und größter Halter von US-Staatsanleihen. China erinnert die USA immer wieder daran, die Staatanleihen auch zu bedienen. Vor zehn Jahren wäre so etwas noch völlig undenkbar gewesen.
Sind Schulden tatsächlich die Lebensader des Kapitalismus, ist es fast sicher, dass etwas Ähnliches wie 2008 noch einmal passieren wird. Die Aufgabe von Rentenfondsmanagern der Zukunft wird sein, erste Vorboten einer solchen Krise zu erkennen.
Der Bondmanager der Zukunft
Die Fixed-Income-Branche ändert sich also rasant. Bondmanager der Zukunft werden sich auf neue Quellen für Echtzeitdaten aus der Wirtschafts- und Unternehmenswelt stützen, um Entscheidungen zu treffen. Transaktionen werden Peer-to-Peer über anonyme Plattformen erfolgen, abgesichert durch (unveränderliche) Blockchain-Protokolle. Der ganze Prozess könnte sogar vollständig automatisiert werden, wenn Asset-Liability-Matching-Programme über Staatsanleihen- und Devisenplattformen Portfolios in Echtzeit optimieren.
All das heißt aber nicht, dass menschliche Eingriffe in Zukunft gar keine Rolle mehr spielen werden oder sollen. Der durch Algorithmen verursachte Flash-Crash am 6. Mai 2010 um 14:45 Uhr, der den Dow Jones innerhalb von nur 30 Minuten um 9 Prozent abstürzen ließ, oder die Krise am Anleihemarkt während des „Taper Tantrums“ 2013 zeigen, dass am Markt von Zeit zu Zeit die Aufsicht eines „Erwachsenen“ nötig ist. In der nächsten Phase des technologiegetriebenen Wandels in der Fondsbranche müssen Unternehmen die richtige Balance finden zwischen Automatisierung und dem menschlichen Eingriff.
Ohne Zweifel wird das Tagesgeschäft von Bondmanagern aber ganz anders aussehen. Während sich heute Fondsmanager und Analysten um individuelle Portfolios kümmern, könnten in Zukunft Datenanalysten schlaue Algorithmen entwickeln, mit denen die besten Preise gefunden werden können. Menschen konzentrieren sich dabei auf die Strategien und Regeln – und kümmern sich um Ausnahmen. Manche sehen auch KI direkt integriert in den Handels- und Portfoliomanagementprozess.
Mithilfe der Protokollierung von Transaktionen durch Blockchain ist der Weg zudem offen für neue Handelssysteme jenseits der traditionellen Broker-Kunden-Beziehungen. Bislang haben sich Vermögens- und Asset-Manager mit ihren Investitionen in die digitale Transformation meist darauf konzentriert, über verbesserte Internetseiten, ausführlichere Portfolioinformationen und eine bessere Kommunikation Mehrwert für ihre Kunden zu schaffen. Die Investitionen in die Technologie dürften künftig auch in eine andere Richtung gehen. Ein neuer Typus des Bondmanagers ist im Kommen.
Über den Autor:
Joubeen Hurren ist Co-Manager des AIMS Fixed Income Portfolios und verwaltet als Mitglied des Global Investment Grade Credit Teams internationale und auf Euro lautende Investment-Grade-Anleiheportfolios. Vor seinem Wechsel zu Aviva im Jahr 2011 war bei Bank of New York Mellon in der Geschäftsentwicklung für die Kundenbetreuung tätig. Hurren ist CFA-Charterholder.