private banking magazin: Herr Liebe, das thematische Investieren ist der Nische entwachsen. Worin begründet sich das Interesse der Anleger an diesem Bereich?
Walter Liebe: Dass Themenfonds der Nische entwachsen sind ist richtig. Wir verzeichnen weltweit einen noch nie dagewesenen Mittelzufluss in diese Fonds. Nach Daten von Morningstar haben zwischen dem 31.03.2020 bis zum 31.03.2021 sich die Zuflüsse verdoppelt, global auf 600 Milliarden Dollar. Europa ist dabei Marktführer, hier wuchs der Anteil von 150 auf 300 Milliarden Dollar.
Woran liegt das?
Liebe: Speziell in Deutschland gibt...
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private banking magazin: Herr Liebe, das thematische Investieren ist der Nische entwachsen. Worin begründet sich das Interesse der Anleger an diesem Bereich?
Walter Liebe: Dass Themenfonds der Nische entwachsen sind ist richtig. Wir verzeichnen weltweit einen noch nie dagewesenen Mittelzufluss in diese Fonds. Nach Daten von Morningstar haben zwischen dem 31.03.2020 bis zum 31.03.2021 sich die Zuflüsse verdoppelt, global auf 600 Milliarden Dollar. Europa ist dabei Marktführer, hier wuchs der Anteil von 150 auf 300 Milliarden Dollar.
Woran liegt das?
Liebe: Speziell in Deutschland gibt es einen Nachholbedarf in der Aktienkultur. Aktuell ist Deutschland der mit Abstand am schnellsten wachsende Fondmarkt Europas, weil festverzinsliche und andere traditionelle Anlagen zu wenig abwerfen. Besonders Kunden aus dem Sparkassen- und Volksbankenbereich haben in Sachen Wertpapierinvestments einen riesigen Nachholbedarf. Unabhängig von der derzeitigen Situation in Deutschland, gab es einen solchen Boom bei Themenfonds bislang zweimal. Diese entstehen typischerweise in der Spätphase eines langanhaltenden Bullenmarktes.
Was sind die Gründe dafür?
Liebe: Das hat unter anderem mit der Bereitschaft zu tun, in Aktien allgemein zu investieren und mit der gestiegenen Risikobereitschaft. Mittelzuflüsse sind ja auch ein Indikator für eine Aktienmarkt-Begeisterung. Das gab es zur Jahrtausendwende und vor der großen Finanzkrise 2008. Der Umfang an Assets in Themenfonds war aber sehr viel geringer. 2000 bei 40 und 2008 dann bei knapp 100 Milliarden Dollar. Heute sind es 600 Milliarden Dollar.
Warum ist das Volumen so viel höher heute?
Liebe: Wir befinden uns gesellschaftlich an einer Bruchstelle, was den Veränderungswillen, den Veränderungsdruck und auch die Technisierung betrifft. An ganz vielen Fronten sehen wir einen massiven Übergang zu digitalen Technologien, einem stärkeren Umweltbewusstsein. Folge davon ist die Transformation der Volkswirtschaften hin zu einer kohlenstoffarmen Welt, mithilfe von Elektromobilität und weiteren Komponenten. Vor der Jahrtausendwende träumte man von mobilem Internet –das es noch gar nicht gab – und eine Spekulationsblase entstand.
Themenfonds müssen ein theoretisches Fundament besitzen
Aber jetzt gibt es reale Produkte und Services und diesen Transformationswillen wirklich. Das bringt selbstverständlich Geschäftsmodelle hervor, die Lösungen für die Herausforderungen, die damit einhergehen, anbieten. Diese Modelle haben sich aufgrund der Transformation, die in der Wirtschaft stattfinden, aber auch dank des Bewusstseins der Investoren, die Geld investieren, sensationell entwickelt. Deshalb haben wachstumsorientierte, megatrendunterlegte Aktien, die man gut zu Themen gruppieren kann, gute Ergebnisse geliefert. Die Folge daraus ist eine steigende Wahrnehmung und aus dieser resultieren steigende Mittelzuflüsse. Das Thema „Themenfonds“ ist damit aber noch nicht durch.
Inwiefern?
Liebe: Weil eines der Phänomene dieser Veränderung, die wir sehen, von langlaufenden Treibern unterstützt werden, die wir Megatrends nennen. Das ist eines der besonderen Qualitätsmerkmale für einen guten Themenfonds, dass er ein theoretisches Fundament besitzt, welches das Thema antreibt – idealerweise mehrere Megatrends, die dafür sorgen, dass beispielsweise die Themen Digitalisierung, Robotik, Sicherheit, saubere Energie oder Healthcare bleiben – und zwar über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg.
Kommen wir noch einmal auf die Aktienkultur in Deutschland und den hiesigen Nachholbedarf zu sprechen. Bekommen Sie diesen beispielsweise dadurch zu spüren, dass mehr Institutionelle in Themenfonds gehen wollen?
Liebe: Wir profitieren davon, dass wir Themenfonds bereits seit 1995 auflegen und die Angebotspalette schrittweise ausgebaut haben. Zudem haben wir in dieser Zeit viele Fonds und Anbieter gesehen, die gescheitert sind und konnten sehen, wie man es besser nicht macht.
Bei Pictet Asset Management verwalten wir knapp unter 90 Milliarden Euro mit etwa 50 Mitarbeitern im Themenfondsbereich, was also alleine schon einem mittelgroßen Asset Manager entspräche. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass institutionelle Anleger - insbesondere aus Deutschland - traditionell nicht in Themenfonds investiert waren. Das hat jedoch mehrere Gründe.
Welche?
Liebe: Zum einen hat das mit der Regulierung zu tun, der sie in Sachen Risikoaktiva unterliegen. Die investierbare Aktienquote insgesamt ist deshalb überschaubar. Ein Lebensversicherer aus Großbritannien darf 70 Prozent in Aktien anlegen. In Deutschland sind diese Quoten zum Teil im unteren einstelligen Bereich. Da ist also wenig Luft für thematische Strategien. Außerdem arbeiteten institutionelle Anleger sehr häufig eng mit dem Risikomanager zusammen. Es bestand immer der latente und unstillbare Wunsch, Investments zu tätigen, die sich, wenn man das Risiko zu hoch einschätzt, auf Knopfdruck hedgen, also absichern lassen. Man wollte alles im Griff haben.