Gerade bei geschiedenen oder getrenntlebenden Eltern wird das besonders eklatant. In der Regel wachsen die Kinder dann bei der Mutter auf und bekommen von ihrem Unternehmervater wenig mit. Unternehmertum, Nähe zum Unternehmen und unternehmerische Verantwortung wird nicht vermittelt. Wenn solche Kinder dann das Unternehmen erben, ist es kein Wunder, wenn die Nachfolge schwierig ist.
Fallbeispiel 2:
Neulich erzählte mir ein Gesellschafter eines Familienunternehmens:
„Wir sind vier Brüder mit acht Frauen und 17 Kindern.“ Auf meinen wohl etwas irritierten Blick lächelte er und erklärte: „Jeder von uns hat eine Ex-Frau. Aber wir zählen diese trotzdem zur Familie. Schließlich erziehen sie unsere Kinder. Deshalb gehören sie weiterhin dazu. Meist ‚kümmert‘ sich dann ein anderer Bruder um die Ex und hält sie bei der Familie, weil man sich selbst nach einer Trennung etwas schwerer damit tut. Und so ist es unseren 17 Kindern aus den verschieden Patchwork-Beziehungen möglich, engen Kontakt zueinander zu haben.“
Hier wird das Gegenteil von Ausgrenzung, also eine gelungene Integration aller (ehemaligen) Angeheirateten gelebt. Die Komplexität wird nicht negiert, sondern Lösungen gefunden, mit ihr umzugehen. Ziel ist ausdrücklich, die nächste Generation als gute und verantwortungsvolle Unternehmerfamilie zu erziehen, die sich untereinander und dem Unternehmen nahe fühlt, um später die Verantwortung gegenüber Unternehmen und Familie tragen zu können. Ein schönes Beispiel, das allen Unternehmerinnen und Unternehmern zu denken geben sollte, die von der Überzeugung geleitet sind: „Wir kämen ja in den Dschungel, wenn wir alle Schwiegerkinder und Angeheiratete mitquatschen lassen und einbeziehen würden.“
Die Rolle des Back-ups
Es gibt Unternehmer, deren Schaffenskraft unerschöpflich zu sein scheint und die Vermutung nahe liegt, deren Tag habe 48 und nicht 24 Stunden. Bei genauerer Betrachtung ist es auch so. Denn hinter beinahe jedem dieser Unternehmer steckt eine Partnerin, die ihm mit all ihrer Kraft im Hintergrund zuarbeitet. Sie ist zum einen Eingeweihte und kennt geheime und (noch) nicht veröffentlichte Ideen, Konzepte und Neuerungen für das Unternehmen, sie ist Sparring-Partnerin bei allen kreativen Überlegungen. Zweitens ist sie graue Eminenz, denn sie ist maßgeblich an allen Entscheidungen im Hintergrund beteiligt und hat nicht selten sogar das ausschlaggebende Letztentscheidungsrecht – wenn auch ohne verbrieftes Mandat. Zum dritten erledigt sie notwendige Routinearbeiten.
Nun gibt es immer wieder Beispiele dafür, dass genau solche Frauen aus dem Hintergrund die Aufgaben des Mannes übernehmen, wenn dieser plötzlich und unerwartet ausfällt und das Unternehmen weiterführen. In der Eigenwahrnehmung ist es in der Regel für sie selbst nur eine organische Fortführung dessen, was sie ohnehin über Jahre hinweg taten. Für die Umwelt scheint es, als ob eine Frau plötzlich Chefin geworden sei.
Implikationen für die Beratung von Unternehmern
Unternehmer haben verschiedene Berater: Steuerberater, Rechtsanwälte und Vermögensberater, um das Firmen- und Privatvermögen zu sichern. Die meisten dieser Beratenden haben einen guten Kontakt zu ihren Mandaten, versuchen deren Bedürfnisse zu verstehen und umzusetzen. Doch nicht selten kommt es trotzdem zu Irritationen. Denn obwohl die Berater in ihrem jeweiligen Fachgebiet nach bestem Wissen und Gewissen gute Lösungen gefunden haben, ist der Unternehmer damit nicht zufrieden.
In solchen Fällen wäre es möglicherweise angeraten, die Lebenspartner hinzuzuziehen und deren Bedürfnisse, Vorstellungen und Überzeugungen in den Lösungsvorschlag zu integrieren. Zwar halten die vorwiegend keine Unternehmensanteile und haben keine legitimierte Funktion im Unternehmen und doch haben sie Einfluss auf den Unternehmer. Sie können scheinbar geeignete Lösungen geradezu konterkarieren, weil es im Hintergrund andere Vorstellungen und Bedürfnisse gibt, die emotional vom Unternehmer geteilt werden. Eine umfassende Beratung und Finanzplanung im Private Banking und Wealth Management berücksichtigt dies.
Über die Autorin:
Rena Haftlmeier-Seiffert ist seit 2006 Geschäftsführerin der Equa-Stiftung. Nach ihrem Studium der Literaturwissenschaften war sie in diesem Fach fünf Jahren in Forschung und Lehre an der LMU München tätig, arbeitete dann 13 Jahre lang in einem traditionsreichen Familienunternehmen des Maschinenbaus und gehörte zuletzt der Geschäftsleitung an. Als Equa-Geschäftsführerin ist sie unter anderem als Dozentin an verschiedenen Universitäten tätig, hat zahlreiche Publikationen zum Thema Familienunternehmen veröffentlicht und moderiert Veränderungsprozesse in Unternehmerfamilien.