Fondsanalysten im ESG-Modus, Teil 1 Duo mit klaren Vorstellungen – und eigenem Analyse-Tool

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In der Analyse der Investmentphilosophie und -prozesse stellen sich Fragen nach der personellen Ausstattung und Erfahrung der Mitarbeiter genauso, wie die Einbettung in konkrete Bewertungen und Entscheidungen. Falls sich ein Anbieter eines besonders starken Anspruchs beim Impact Investing verpflichtet fühlt, stellt sich beispielsweise wiederum die Frage der Länge, der Haltedauer eines durchschnittlichen Investments und des Abstimmungsverhaltens bei Hauptversammlungen genauso, wie der Gesamtanteil der Fondsgesellschaft an der Aktionärsstruktur. Kann nämlich selbst bei bestem Willen ein Eigentümer von 0,1 Prozent des Aktienkapitals überhaupt einen ausreichend hohen Einfluss auf das Management eines Unternehmens ausüben, oder handelt es sich dann doch eher um ein nützliches Marketing-Label?

Umgekehrt sollten größere Fondsgesellschaften nicht automatisch nur aufgrund ihrer oftmals höheren Anteile am Unternehmenskapital automatisch gegenüber Nischenanbietern bevorzugt werden. Großen Organisationen fällt es aufgrund ihrer Komplexität nämlich häufig viel schwerer, sich glaubhaft und ganzheitlich einem umfassenden ESG-Kodex zu unterwerfen als kleineren Boutiquen. Glaubhafte Transformationsprozesse in der Unternehmenskultur sind in großen Gesellschaften oftmals viel langwieriger und komplexer als bei kleineren Anbietern.

Fonds mit ernsthaften ESG-Absichten, schaffen es immer auf die Shortlist

Last but not least bewerten wir sorgfältig Aspekte des ESG-Reportings von Fondsgesellschaften, analysieren deren Inhalte und Transparenz ebenso wie die prozessuale Aufstellung des jeweiligen Anbieters. All das kostet Mühe und Zeit, doch es ist die Anstrengung nicht nur Wert, sondern führt aufgrund einer breiten und transparenten Informationsbasis auch zu besseren und systematischeren Entscheidungen.

Nachdem wir in Abstimmung mit dem kirchlichen Investor den Einbau einer expliziten ESG-Kategorie bei diesem speziellen Suchprozess vorgenommen hatten, hätte man vermuten können, dass dieser Eingriff die Ergebnisse bei der Erstellung einer Anbieter-Shortlist deutlich beeinflussen würde. Obwohl diese Schlussfolgerung naheliegt, können wir dies nicht bestätigen. Bei der Entscheidung mit unserem Kunden über die Shortlist-Kandidaten für die Beauty Contest-Präsentation haben wir nämlich verschiedene Gewichtungen der expliziten ESG-Kategorie zwischen 0 und 30 Prozent simuliert und sind interessanterweise immer zu denselben Anbietern auf der Shortlist gekommen.


Zwar verschoben sich die Platzierungen je nach Gewichtungsschema geringfügig, aber es macht deutlich, dass offensichtlich eine transparente und glaubwürdige Aufstellung beim Thema Nachhaltigkeit auf Anbieterseite nicht nur gut für das eigene Image ist, sondern zu replizierbaren Prozessen und konsistenten Investmentergebnissen führt, die auch Kunden zugutekommen, die sich ESG-Aspekten weniger stark verschrieben haben. Denn auf Dauer werden solche Fondsgesellschaften die Chancen und Risiken ihrer Investitionen besser als ihre Wettbewerber verstehen, ihre Entscheidungsprozess optimieren und so auf lange Sicht vermutlich überdurchschnittliche Resultate erzielen.


Über die Gastautoren:

Peter Dombeck gründete 2019 die Beratungsgesellschaft Novovest. Vor dieser Zeit war er elf Jahre bei Aberdeen Standard. Bei der britischen Fondsgesellschaft war er Leiter der Geschäftsentwicklung für institutionelle Kunden für Deutschland und Österreich. Davor arbeitete er unter anderem bei Feri und der Berenberg Bank.

Marc-André Köhler ist gleichberechtigter Mitgründer von Novovest. Davor war er unter anderem im Bereich Geschäftsentwicklung bei Aberdeen Standard tätig.

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