Drohende Kernschmelze „Der digitale Fortschritt zerstört Banken einen Großteil ihrer Geschäftsmodelle“

Andreas Leckelt, Geschäftsführer der Fintech-Holding Comvest

Andreas Leckelt, Geschäftsführer der Fintech-Holding Comvest

Seit Anfang 2007 haben sich die Aktienpreise einer Gruppe von vierzehn führenden Banken im Schnitt beinahe halbiert. Der globale Aktienindex MSCI World stieg im selben Zeitraum hingegen um zirka 35 Prozent.

Die Gründe für den Niedergang der Banken sind zahlreich. Problematisch sind dabei jedoch weniger die irgendwann abgetragenen Altlasten, sondern vielmehr die Herausforderungen der Zukunft. Der technische Fortschritt wird einen Großteil der bestehenden Geschäftsmodelle der Banken mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig zerstören.

Die Geschwindigkeit, mit der digitale Finanzunternehmen, kurz Fintechs, die alte Finanzindustrie attackieren, nimmt ungebremst zu. Damit droht der Bankindustrie eine Kernschmelze wie sie andere Industriezweige seit der Jahrtausendwende bereits erlebt haben. Im Jahr 1999 schockierte Napster die Musikindustrie mit seiner kostenlosen Tauschbörse. In der Folge vernichtete der iTunes-Musikshop den CD-Laden und riesige Ketten wie Virgin Megastore. Die Plattenindustrie setzt heute weltweit nur noch halb so viel um, wie alleine in den USA vor Napster.

Finanzindustrie zu langsam für Wandel

Wenn eine neue Technologie die bisherigen Regeln einer Industrie umkrempelt, lässt sich stets das gleiche Verhaltensmuster beobachten. Widerstand der langjährigen Angestellten, die die Veränderungswelle mit dem Argument „Das haben wir schon immer so gemacht“ begegnen.

Gleichzeitig versuchen die Lobbyisten der Branche die Wettbewerber mit Regulierungen zu stoppen. Zehn Jahre später haben sich die Veränderungen dennoch durchgesetzt, während die alten Marktführer den Weg in die Bedeutungslosigkeit angetreten haben.

Nächste Kundengeneration denkt in Apps

Die nächste Generation der Bankkunden wird wie selbstverständlich davon ausgehen, dass alle Bankgeschäfte digital möglich sind. Der zukünftige Kundennutzen wird vor allem durch eine attraktive App generiert werden. Die sogenannte Generation der Millennials hat absolut kein Verständnis dafür, dass Dokumente persönlich unterschrieben werden müssen und legt keinen Wert auf den Besuch in Filialen.

Das alles schafft Raum für spannende Innovationen wie sie heute bereits durch die sogenannten Fintech-Startups umgesetzt werden. Statt die Bank um einen Kredit zu bitten, können Unternehmer ihren Finanzierungswunsch zukünftig mittels einer Crowdlending-Plattform direkt im Zusammenspiel mit der Community im Netz realisieren. Die Unternehmen generieren über diesen Weg einen zusätzlichen Marketing-Effekt und kommen zugleich schneller und unbürokratischer zu ihrer Finanzierung.

Verbraucherkredite und Versicherungen werden dem Kunden künftig über Apps genau in dem Augenblick angeboten, in dem er das jeweilige Produkt benötigt. Mit nur wenigen Klicks kann der Kunde dann beispielsweise eine Produktversicherung für mobile und stationäre Elektronik, Möbel, Brillen und Fahrräder im Internet abschließen.

(R)evolution

Für die Finanzindustrie bedeutet dies, dass sie nicht von einigen wenigen Angreifern herausgefordert werden, sondern einer Vielzahl von neuen Wettbewerbern gegenüberstehen, die alle jeweils einen Teil des bestehenden Universalbankgeschäfts adressieren. Eine einheitliche Strategie auf die digitale Herausforderung zu reagieren, ist bei Sparkassen, Volksbanken und Großbanken jedoch nicht zu erkennen.

Die letzte Ausgabe der erstmals 1768 erschienenen Ausgabe der Encyclopedia Britannica erschien im Jahr 2010. Plattformen wie Wikipedia und Google haben die Enzyklopädie vollständig ersetzt.

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