Draghis Erbe Personalfragen spielen in der Geldpolitik keine wichtige Rolle

Hans Peter Grüner ist unter anderem Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim.

Hans Peter Grüner ist unter anderem Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim.

Der Beginn von Mario Draghis Amtszeit im November 2011 lag mitten in einer der schwersten Bewährungsproben der EZB. Die Risikoaufschläge der Staatsanleihen mehrerer Länder hatten sich 2011 deutlich vergrößert, zehnjährige italienische Staatsanleihen etwa auf über 5 Prozentpunkte Anfang Dezember. Draghis berühmtem Ausspruch „What ever it takes“ folgte die Ankündigung der EZB, gegebenenfalls Staatsanleihen einzelner Länder zu kaufen, das Outright-Monetary-Transactions- Programm (OMT). In der Folge sanken die Risikoaufschläge in der Breite.

Die Einschätzung, dass es Draghi war, der damals eigenhändig die Eurozone zusammenhielt, nährt heute den Glauben an die herausgehobene Rolle der personellen Besetzung der nächsten EZB-Präsidentschaft. Gesucht wird eine Person, die die Märkte überzeugt, dass die EZB die Eurozone zusammenhalten kann, und Öffentlichkeit und Gerichten klarmacht, dass dies im Rahmen ihres Mandats geschieht.

Personen können eine wichtige Rolle spielen. Aber die Hoffnung auf eine rein personelle Lösung der Eurokrise wäre trügerisch. Tatsächlich offenbart die teilweise nervöse Debatte über Mario Draghis Nachfolge vor allem etwas über den politischen und wirtschaftlichen Zustand der Währungsunion.

Denn eigentlich sollte Geldpolitik ein eher langweiliges Geschäft sein, das von jeder Dame oder jedem Herrn mit wirtschaftlichem Sachverstand, Standfestigkeit und ausreichend gezügeltem Temperament geführt werden kann. Dass viele das heute anders sehen, ist ein schlechtes Zeichen.

Dabei ist die wirtschaftliche Ausgangslage der Eurozone als Ganzes besser als 2012. Die Arbeitslosenrate ist von über 12 Prozent auf unter 8 Prozent gefallen und liegt nun nahe beim Tiefstand aus 2008. Seit 2013 wächst die Wirtschaftsleistung ohne Unterbrechung. Aber die politische Stimmung hinkt der wirtschaftlichen Lage hinterher. Europa ist politisch zerrissen. Das gilt einerseits länderübergreifend, mit einem Konflikt über den finanzpolitischen Kurs, und andererseits national, mit mehreren fragilen Koalitionsregierungen ohne kohärentes Konzept.

Auch sollten die guten Durchschnittsdaten nicht über die Lage in einzelnen Ländern hinwegtäuschen. Der Risikoaufschlag Italiens wurde nicht dauerhaft gesenkt – zeitweilig ist er auf über 3 Prozentpunkte gestiegen. Die Schuldenkrise Italiens ist mit der Wahl einer Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega zurückgekehrt. Der Abbau notleidender Kredite in den Bankbilanzen verläuft eher schleppend. Man sollte in einer solchen Lage nicht zu viel von der Geldpolitik erwarten – sie kann der Eurozone Zeit kaufen, sie aber nicht auf Dauer eigenhändig zusammenhalten. Das hat zwei Gründe:

Erstens gelten für die EZB rechtliche Grenzen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält – wie ich finde zu Recht – schützend die Hand über dem OMT-Programm der EZB. Das OMT-Programm bindet Ankäufe an die Compliance des Landes im Rahmen eines Programms, des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Der Ankauf von Anleihen eines Landes, das sich vollends von der soliden Haushaltsführung verabschiedet, wäre hingegen monetäre Staatsfinanzierung.