Doppel-Interview der Vorstandschefs der SDK und der Stuttgarter „Wir passen vielleicht besser zusammen als Gothaer und Barmenia“

Guido Bader und Ulrich Mitzlaff (v.l.)

Guido Bader und Ulrich Mitzlaff (v.l.): Die Vorstandschefs der beiden Versicherer die Stuttgarter und SDK verhandeln aktuell über einen Zusammenschluss. Foto: DAS INVESTMENT

private banking magazin: Mit Barmenia und Gothaer haben jetzt zwei sehr unterschiedliche Versicherer fusioniert. Der eine ist stark im PKV-Markt positioniert, der andere fokussiert sich auf die Sparten Leben und Komposit. Wollen Sie diesem Vorbild nun nacheifern? 

Guido Bader: Nacheifern trifft es nicht ganz. Unsere Gespräche begannen bereits vor knapp zwei Jahren – also lange bevor im September vorigen Jahres die Fusionspläne von Gothaer und Barmenia bekannt wurden. Aber so ein Prozess kostet einfach Zeit: Zunächst haben wir vor etwa einem Jahr die Spitzen unserer zwei Aufsichtsräte informiert. Im März 2024 gab es dann eine gemeinsame Sitzung der Vorstände beider Firmen. Jetzt ist die Nachricht öffentlich und es beginnt mit der Due-Diligence-Prüfung die wirklich harte Arbeit. Aktuell befindet sich das Vorhaben noch im Stadium von Arbeitshypothesen und einer Grundsatzvereinbarung.

 

Die Gremien und Organe wie Mitgliedervertreterversammlungen und Vorstände, Aufsichts- und Betriebsräte müssen den jeweiligen Umsetzungsschritten noch zustimmen. Das ist für die erste Umsetzungsphase Mitte des kommenden Jahres geplant. Am Ende soll es eine schrittweise Integration der Gesellschaften in eine gemeinsame Gruppe geben, die von den Vorstandsmitgliedern der beiden Teilfirmen in Personalunion geführt wird. Zudem müssen noch die Versicherungsaufsicht der Bafin und das Bundeskartellamt den Zusammenschluss genehmigen. 

Bei Barmenia und Gothaer standen Größen- und Verbundvorteile im Vordergrund. Gilt das auch für SDK und Stuttgarter? 

Bader: Ja. Unsere Unternehmen passen vielleicht sogar noch besser zusammen als Gothaer und Barmenia. Wir ergänzen uns geradezu optimal: Das Geschäft mit Lebensversicherungen der SDK befindet sich im Run-off und ist derzeit gar nicht mehr als potenzieller Konkurrent am Markt. Und auch für unsere Mitglieder wäre es vorteilhaft, wenn wir 40.000 Verträge von der Süddeutschen Lebensversicherung übernehmen würden. Wir als Stuttgarter betreiben wiederum fast kein Geschäft in der privaten Krankenversicherung, kurz PKV. Während die SDK also auf die Produktkategorie PKV fokussiert bleiben kann, setzen wir weiterhin auf Unfall- und Lebens-Policen. Durch den möglichen Zusammenschluss der beiden Gruppen könnte ein komplettierter und zugleich spezialisierter Personenversicherer mit einem stark diversifizierten und deutschlandweit aufgestellten Mix der Vertriebswege entstehen. 

Muss also keiner der beiden Partner sprichwörtlich eine Kröte schlucken?

Ulrich Mitzlaff: Nein. Der von uns geplante Zusammenschluss der zwei weiterhin am deutschen Versicherungsmarkt verbleibenden Kernmarken SDK und Stuttgarter steht nicht ohne Grund unter dem Motto „Vereint stärker!“. Denn es verhandeln hier zwei Unternehmen auf Augenhöhe miteinander, die alleine für sich heute jeweils gut am Markt positioniert sind. Doch in der Kombination würden wir uns verdoppeln: Die beiden Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit verfügen über vergleichbare Kennzahlen bezüglich ihrer Bilanzgrößen und Bruttobeiträge. Die mögliche neue Versicherungsgruppe hätte nach heutigem Stand eine Bilanzsumme von über 18 Milliarden Euro und mehr als 1,8 Milliarden Euro gebuchte Bruttobeiträge. 

Wichtige Kennzahlen vor der Fusion: 

Werte 2023 Stuttgarter  SDK 
Bilanzsumme (in Millionen Euro) 8.951 9.094
Volumen aus Kapitalanlagen (in Millionen Euro) 7.134 8.795
Gebuchte Bruttobeiträge (in Millionen Euro) 812 1.005
Zahl der Versicherungsnehmer 1.199.625 740.391
Zahl der Arbeitnehmer 788 790
Marktposition Rang 32 in der Sparte Leben Rang 13 im PKV-Markt
Assekurata-Rating A (starke Bonität),

stabiler Ausblick
A+ Unternehmens-

qualität (sehr gut)

Quelle: SDK / die Stuttgarter

Aber größer ist nicht unbedingt besser. Besteht nicht das Risiko, zwei sprichwörtliche Schnellboote zu einem schwerfälligen Tanker zu fusionieren? 

Mitzlaff: Nein, die Gefahr sehen wir nicht. Es ist vielmehr von Vorteil, denn Größe ist heute zunehmend wichtig. Es wäre ein Versäumnis, wenn wir die so entstehenden Vorteile nicht nutzen würden. Einerseits würden in der gemeinsamen Gruppe manche Kosten nahezu halbiert – beispielsweise für die Regulatorik, Personalgewinnung oder IT-Systeme. Andererseits würden wir unsere Kapitalanlage verdoppeln: Gemeinsam kämen wir auf ein Volumen von rund 15,9 Milliarden Euro. Das würde nicht nur unsere Position bei Preisverhandlungen mit Asset Managern verbessern. Es würde uns auch mehr Opportunitäten in illiquiden Anlageklassen ermöglichen – wie beispielsweise Infrastruktur-Investments. 

Schön. Aber wo ist der Haken? 

Mitzlaff: Wir finden einfach keinen Haken. 

Geht es Ihnen insgeheim vielleicht auch darum, schon bald Personal einzusparen? 

Bader: Überhaupt nicht. Die zusammengeschlossene Versicherungsgruppe mit rund 1,9 Millionen Kunden hätte nach heutigem Stand rund 1.600 Mitarbeitende. Und wir haben nicht die Absicht, Stellen zu streichen. Es ist vielmehr unser erklärtes Ziel, die Belegschaften zu erhalten. Statt mit Überkapazitäten kämpfen unsere beiden Unternehmen mit dem demografischen Wandel. Weil wir durch natürliche Abgänge in Altersrente während der nächsten Jahre zunehmend Personal verlieren, müssen wir die Produktivität der verbleibenden Mitarbeitenden steigern. Hierfür setzen wir neben der Digitalisierung auch auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Unser Plan ist, den jetzt beginnenden Fachkräftemangel so bestmöglich aufzufangen. 

Es bleiben also alle Arbeitsplätze erhalten. Aber gibt es auch eine Garantie für die beiden Firmensitze? 

Mitzlaff: Ja, wir möchten unsere beiden Hauptverwaltungen in Stuttgart beziehungsweise dem benachbarten Fellbach sowie die Landes- und Vertriebsdirektionen beibehalten. Denn wir brauchen Platz, um wachsen zu können. Und für den Arbeitsalltag gibt es vorerst auch keinen Grund, umzuziehen: Die S-Bahn benötigt für die sieben Stationen zwischen unseren Hauptgebäuden lediglich 17 Minuten Fahrzeit. Mit der neuen Organisation könnten sich unsere Firmen zukünftig den lästigen Verwaltungsaufwand teilen. Und wir hätten endlich Zeit für die vielen Projekte im Arbeitsspeicher, die wir noch auf dem Zettel haben. Außerdem würden sich den Arbeitnehmern mehr attraktive Karrierepfade bieten. Denn in einem größeren Unternehmen hätten sie vielfältige Chancen auf einen beruflichen Aufstieg. Übrigens begrüßen auch die Vertreter der Arbeitnehmer unsere Vorhaben. Denn es würde uns resilienter machen. Das zählt natürlich auch für den Vertrieb. 

Aber schaffen Sie sich mit den beiden Sales-Teams im neuen Konzern nicht eine Konkurrenzsituation im eigenen Haus? 

Bader: Im Gegenteil. Auch im Vertrieb würden sich vielmehr Synergien ergeben. Die SDK ist zum Beispiel sehr stark in ihrem süddeutschen Heimatmarkt. Die stärkste Filialdirektion der Stuttgarter ist hingegen in Hamburg zu finden, weil wir dort vom wachsenden Geschäft mit der betrieblichen Altersversorgung profitieren. Auch im Vertrieb könnten sich somit für uns ganz neue Entwicklungspotenziale ergeben.  

 

Die SDK ist voll auf das Thema PKV konzentriert. Den Kern ihres Vertriebs bildet die Ausschließlichkeitsorganisation mit selbstständigen Handelsvertretern. Daneben beherrscht sie auch den Direkt- und den Bankenvertrieb: Als Spezialanbieter für die PKV ist die SDK insbesondere mit den Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern und Baden-Württemberg eng verdrahtet. Wir, die Stuttgarter, sind mit unserem Produktsortiment hingegen vor allem bei den unabhängigen Versicherungsmaklern und Mehrfirmenvertretern hierzulande eine starke Marke. 

Stichwort Marke: Was passiert bei einer Fusion mit den zwei etablierten Marken? Und wie soll die gemeinsame Dachgesellschaft heißen? 

Mitzlaff: Sowohl die SDK als auch die Stuttgarter würden unter ihren bisherigen Namen am deutschen Versicherungsmarkt präsent bleiben. Der Name der geplanten gemeinsamen Gruppe sowie des Versicherungsvereins an deren Spitze steht noch nicht fest. 


Über die Interviewten: 

Guido Bader und Ulrich Mitzlaff sind die Vorstandschefs der beiden Versicherer die Stuttgarter und Süddeutsche Krankenversicherung (SDK) aus dem benachbarten Fellbach. Die beiden Unternehmen prüfen aktuell einen Zusammenschluss, wie sie kurz vor der diesjährigen Branchenmesse DKM angekündigt haben. Über die Beweggründe dafür berichten sie in dem obigen Interview mit DAS INVESTMENT. 

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