Immobilien-Experte im Interview „Wir werden noch einige Pleiten sehen“

Dominik Benner von der Benner Holding: Im vergangenen Jahr prognostizierte er ausfallende Cashflows.

Dominik Benner von der Benner Holding: Im vergangenen Jahr prognostizierte er ausfallende Cashflows. Foto: Benner Holding

private banking magazin: Unser letztes Gespräch ist gut ein Jahr her. Was ist seitdem auf dem deutschen Immobilienmarkt passiert?

Benner: Wir erleben den typischen Verlauf einer Krise im Immobilienmarkt. Erst sind die Projektierer und Bauträger pleite gegangen, weil ihnen die Projektkosten und Zinskosten für die Grundstücke weggelaufen sind. Nun folgen die Baufirmen mit einiger Verzögerung, hier stehen die Pleiten erst noch bevor, weil erst Ende 2024 und 2025 hier die Auftragsbücher leer werden und letzte Aufträge ausgelaufen sind. Aber 2024 ist ein Turning Point – vieles pendelt sich nun ein, die Mutigen starten die Ankäufe und die Banken finden sich wieder langsam in der höheren Zinsnormalität ein.

 

Wie ist es um die Projektentwicklung bestellt? Schlägt die „Krise“ da noch heftiger durch?

Benner: Die Projektentwickler sind nach meinem Gefühl weitgehend durch. Jene, die genug Eigenkapital haben, schaffen es, die anderen nicht. Aber blickt man einmal auf die letzten 70 Jahre Immobilienzyklus, passiert es alle 10 bis 20 Jahre, dass eine Krise die Entwickler kaputt macht. Entwickler zu sein ist eben ein eher riskantes Geschäft mit schwieriger Planung und hohen Einzelprojektrisiken – das macht es lukrativ ,aber auch riskant. Es hat einen Grund, warum es kaum große Entwickler gibt, die ihr Geschäft seit 100 Jahren machen. Bei Bestandshaltern ist das anders.

Sie haben einen „flächendeckenden Ausfall der Cashflows“ prognostiziert. Waren Sie zu pessimistisch? 

Benner: Meine Prognose war – wie ich finde – recht gut. Ich hatte vor einem Jahr den Ausfall von Cashflows bei Büroflächen und eine massive Abwertung der Office-Bestandshalter prognostiziert. Die Leerstände bei Office in deutschen Städten steigen, Neubauprojekte werden gestoppt und die Bestandshalter haben inzwischen 10 Prozent und 22 Prozent an Wert abgeschrieben – dies hat es so nie zuvor gegeben. Die Mietverträge laufen ja meist noch 3 bis 5 Jahre, so dass erst dann die Anschlussvermietung platzt oder tiefer liegt, der Kapitaldienst funktioniert dann nicht mehr. Wir werden hier noch einige Pleiten sehen, die Banken halten sich hier weiter zurück. Gleichzeitig kaufen nun erste mutige Investoren wieder Office, weil sie den Tiefpunkt im Office-Markt nun sehen.

P5 The Property Kongress – Der Kongress der Immobilienbranche:

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Die fünf Themenschwerpunkte des Kongresses:

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Die Büromarktkrise ist in den USA seit letztem Jahr extrem, dort gelten Bürogebäude als Dead Assets, Banken schreiben Milliarden ab. Und blicke ich auf Retail, sieht die Welt nicht viel anders aus: Galeria Karstadt ist nur ein Beispiel, wie der Leerstand steigt, immer mehr Shopping Center bekommen nicht mehr die Kurve. Auch hier werden die in den nächsten Jahren auslaufenden Mietverträge zu mehr Leerstand und schwierigen Kapitaldienstfällen führen, einschließlich weiterer Abwertungen.

Haben oder hatten wir einen echte Immobilienkrise – oder haben wir lediglich eine Schockwelle erlebt und die Märkte pendeln sich wieder ein?

Benner: Die Immobilienkrise ist sehr stark und betrifft viele. Das ist kein Vergleich zu der Krise in den 90er Jahren oder 2008. Insofern hat dies deutliche Auswirkungen und wir werden noch viele Pleiten sehen. Das Einpendeln erleben wir gerade im Ankauf: Der Transaktionsmarkt war zwei Jahre tot, nun sehen die großen Maklerhäuser wie Savills oder JLL wieder ansteigende Zahlen, auch Hypoport sieht auf der privaten Finanzierungsseite einen Anstieg seit Anfang 2024. Es scheint, als hätten wir uns nun alle an Zinsen von 3 bis 5 Prozent gewöhnt. Im Baubereich wird es noch länger kein Einpendeln geben, hier geht es weiter abwärts und alle staatlichen Förderprogramme sind aus meiner Sicht nicht relevant, sondern eher vergebene Chancen, die unsere Bauministerin nicht wahrnimmt. 

Die Frage ist eher, wie dies weitergeht: Während die Notenbank in den USA die Zinsen konstant lässt, will die EZB nun reduzieren – diese Entwicklung hat es bisher noch nicht gegeben. Wenn man sich als Bestandshalter mit 3 bis 5 Prozent Zinsen als Szenario anfreundet, dann muss man günstiger einkaufen und rechtzeitig die Prolongation managen. Wenn man ordentlich tilgt, sollte dies aber kein Problem sein. 

„Ich glaube, dass Signa eher ein Einzelfall ist“

Sie müssen uns bitte die Benko-Pleite einordnen. Waren die Ereignisse ein stückweit vorhersehbar? Was hat Sie überrascht? 

Benner: Ich kenne mich da wenig aus, da ich im Großprojektbereich wie bei Signa keine Erfahrung habe und ich auch nicht über andere Unternehmer urteilen möchte. 

Aus Ihrer langjährigen Erfahrung abgeleitet: Wie lassen sich solche Dramen verhindern?

Benner: Ich glaube, dass Signa eher ein Einzelfall ist, wo extreme Projekte europaweit umgesetzt wurden und dies noch in Verbindung stand mit der Eigentümerschaft auf der Handelsseite. Mir fallen keine vergleichbare Unternehmen ein. Und es ist ja eher ein mediales Thema, was nun abgearbeitet wird, weil der Akteur, Herr Benko, recht bekannt ist, eine Angriffsfläche bietet und sicherlich mit Galeria sowie den Staatsrettungen und der sehr tiefen Verbindung in die Politik sich viele Feinde geschaffen hat. Ich denke aber, man sollte nicht immer die Frage stellen, wie man so etwas verhindern könnte. In den USA würde man die Gegenfrage stellen: Warum gibt es kaum mutige Unternehmer, die etwas aufbauen? 

 

Lassen Sie uns an Ihren Investitionsentscheidungen teilhaben. Was haben Sie die vergangenen 12 Monate angefasst? Und warum?

Benner: Unser Family Office hat die letzten zwei Jahre sich zurückgehalten, weil wir die Preise vor dem Hintergrund der hohen Zinsen nicht mehr attraktiv fanden. In den letzten fünf Monaten hat sich dies geändert: Die Zinsen sind planbar, Banken fassen wieder Zuversicht und man kann gute Wohnobjekte wieder mit 6 Prozent kaufen – die Preise haben ihren Tiefpunkt gesehen. Insofern ist 2024 für uns ein Turningpoint, wo man antizyklisch kaufen sollte. Aber die meisten Akteure halten sich bislang zurück und wir sind oftmals noch die einzigen Bieter. 

Und blickt man einmal auf den eigenen Bestand, sieht man, was man alles noch umsetzen kann: Von ESG-Investitionsplänen bis Mieterstrommodelle mit PV-Aufdachlösungen und Flächenausbau gibt es genug Optionen, um die Rendite auszubauen und die Objekte zukunftsfähig zu machen. Das Problem ist hier vielmehr, dass die Finanzierungsseite für Bestandshalter schwierig ist. Denn Banken reden oft von ESG, sehen sich aber sellten in der Lage, dies auch als Partner in Portfolios wirklich umzusetzen. Und die ganzen KfW-Programme sind eher auf die Einfamilienhausbesitzer zugeschnitten.

Institutionelle Investoren bevorzugen laut Umfragen von Industria derzeit indirekte Investments via Immobilienfonds, weniger direkte Investments. Worauf führen Sie diese Entscheidungen zurück?

Benner: Die institutionellen Investoren haben bereits oder müssen noch ihre Immobilienquoten reduzieren. Dies bedeutet, dass sich derzeit eine Anleihe mit 5 Prozent sicherlich mehr rentiert als ein Immobilienfonds mit 3 Prozent Ausschüttung. Ich glaube, dass auch hier die Institutionellen eher noch stärker sich auf einzelne Asset-Klassen fokussieren und die Renditeerwartung daran anpassen. Wer hier in Residential investieren will, kann nicht 8 Prozent erwarten, so einfach.

Gestiegen sind auch die Renditeerwartungen institutioneller Investoren. Fast die Hälfte der Befragten erwarten Renditen von 4,5 Prozent und mehr. Das war vor einem Jahr deutlich defensiver. Ihre Meinung dazu. 

Benner: Klar, unter 4,5 Prozent macht es in der heutigen Zinslandschaft keinen Sinn mehr, Immobilien zu erwerben. Die Konkurrenz ist heute nur anders: Jeder Investor bekommt bei Anleihen von guten Firmen wie Bosch oder Siemens inzwischen 4 Prozent und mehr, und dies ohne Aufwand. Und die Aktienmärkte sind ebenfalls stark gelaufen, so dass das Interesse an Immobilien derzeit eher gering ist. Und das finde ich persönlich hervorragend! Denn als wir 2010 erstmals mehr Mehrfamilienhäuser erworben haben, war wenig Nachfrage da, es gab meist nur zwei oder drei Bieter. Dann kamen immer mehr Glücksritter und Spekulanten, die nur auf Wertsteigerung kaufen wollten. Die Krise hat dies nun bereinigt, man kann wieder ungestörter ankaufen und der Markt ist wieder kleiner. Und es fragt mich auch kein Taxifahrer mehr, wo man noch schnell als Investment eine Wohnung kaufen könnte. 

„Wir werden erleben, wie die Politik ihre absurden Vorgaben wieder nach und nach rückabwickelt“

Nun sind wir erneut Partner Ihres P5 The Property Kongress in Frankfurt. Was erwartet die über 1.000 Fachbesucher? 

Benner: Wir werden sogar einen Rekord mit 1.200 Teilnehmern aufstellen. Für mich ist der Kongress ja eher ein Ehrenamt als Engagement, welches ich persönlich gerne begleite. Unser Orga-Team macht dort einen super Job und wir haben spannende Redner und über 60 Workshops, wo wir in der Tiefe Themen besprechen. Ich denke, dass das Format einfach gut ankommt, weil wir eben nicht irgendwelche Firmen hier einen Werbevortrag halten lassen, sondern echte Inhalte und Lessons Learned vermittelt werden, die einen weiterbringen. Und wir diskutieren auch kontrovers, egal in welche Richtung. 

Wenn wir erneut in einem Jahr sprechen: Was wären ihre Top-3-Vorhersagen für die kommenden 12 Monate? Bitte mal 3 Schlagzeilen. 

Benner: Zum einen werden wir erleben, wie die Politik ihre absurden Vorgaben wieder nach und nach rückabwickelt. Denn egal ob Heizungsgesetz oder kommunale Wärmeplanungsvorgabe, das meiste hat nur Verunsicherung gebracht und Chaos hinterlassen. Eine neue Regierung steht in 2025 an. Und keine Partei wird mehr auf die Idee kommen, neue Heizungsverbote als Wahlkampfthema aufzugreifen.

Zum anderen sehen wir, dass die Bestandsmieten massiver steigen als je zuvor. Für Mieter ist dies nicht gut, denn die Nebenkosten steigen ja auch durch die immer höheren Abgaben für Müll, Versicherung und Energie. Die Baukrise wird dazu führen, dass wir deutlich unter 200.000 neue Wohnungen rutschen, und dies führt in Metropolen zu Knappheit. Immerhin gehen nun die Flüchtlingszahlen massiv zurück, so dass hier eine Entspannung einkehrt. 

 

Drittens wird der Staat als Akteur auf dem Immobilienmarkt immer aktiver: Er kauft nicht nur tausende Wohnungen von Vonovia & Co, sondern erwirbt auch immer mehr Innenstadtobjekte und Grundstücke, um Stadtentwicklung voranzutreiben. Dadurch können Bestandshalter ihre Problemobjekte loswerden, Bilanzen bereinigen. Ich sehe das eher skeptisch, denn der Staat war noch nie der bessere Eigentümer, im Gegenteil. Und auch die ganzen Diskussionen, dass Bauen günstiger werden müsste und die Vorgaben seitens der Bauordnung gelockert werden: Das wird nie passieren und sind nur nette Lippenbekenntnisse der Akteure. In den Niederlanden ist Bauen nunmal 30 Prozent günstiger, weil man auf vieles verzichtet und der Staat weniger vorgibt. 


Über den Interviewten:

Dominik Benner ist seit 2014 geschäftsführender Gesellschafter der Benner Holding und deren Beteiligungen in den Bereichen Grundbesitz, Handel, Agrar & Energie und Gastronomie. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft an den Universitäten St. Gallen (Bachelor, Master), Schweiz, und San Diego sowie an der französischen Wirtschaftshochschule Insead Fontaineblau erhielt Benner die Promotion als Dr. oec. HSG. Nach verschiedenen Führungspositionen und Prokura bei Bilfinger Berger wurde Benner 2011 zum Geschäftsführer innerhalb der juwi-Gruppe berufen und bekleidete dort mehrere Führungs- und Projektpositionen.  

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