Dividendenstripping „Das wäre eine bodenlose Blamage für die deutsche Finanzpolitik“

„Wenn sich bewahrheitet, dass auch Jahre nach der Aufdeckung des ‚Cum-Cum‘- und ‚Cum-Ex‘-Skandals immer noch weiter betrogen werden kann, dann wäre das ein ungeheuerliches Versagen und eine bodenlose Blamage für die deutsche Finanzpolitik“, kommentiert Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, die neuen Erkenntnisse des Recherchenetzwerks „Correctiv“ zum Umfang des Steuerskandals.

„Ich erwarte von Olaf Scholz, dass er sich gegenüber dem Bundestag erklärt und lückenlos über mögliche weitere Betrugsfälle aufklärt“, so Hofreiter weiter. „Wenn die Enthüllung über fortgesetzte Betrugsfälle zutreffen, braucht es ein Sofortmaßnahmenpaket, um die weitere Plünderung öffentlicher Gelder durch Finanzbetrüger zu stoppen.“ So müsse der systematische Austausch von Daten zwischen europäischen Steuerbehörden verbessert werden.

„Hier hätte schon viel früher erheblicher Schaden verhindert werden können“, kritisiert der Oppositionspolitiker. „Die Bundesregierung muss beim nationalen und internationalen Kampf gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung endlich in die Gänge kommen und verhindern, dass sich Betrüger an öffentlichen Geldern bedienen, während umfassende Investitionen in Schulen, Kitas und unsere Infrastrukturen weiter ausbleiben.“

Grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle

Ein Sprecher des von Scholz geführten Bundesministeriums der Finanzen (BMF) betonte, die Europäische Union habe sich im Mai dieses Jahres darauf geeinigt, wie die Staaten künftig Informationen über bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle automatisch austauschen: „Wir beraten derzeit mit den Ländern über die Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht“, zitiert ihn die Presseagentur DPA.

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Dem BMF und dem Bundeszentralamt für Steuern sind bisher für Deutschland 418 Fallkomplexe mit einem Volumen von 5,7 Milliarden Euro bekannt, zitiert DPA die Parlamentarische Staatssekretärin Christine Lambrecht (SPD). Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) habe zudem Kenntnis von aktuell 72 „Cum-Ex“-verdächtigen Geschäften. Hinzu kämen weitere noch zu prüfende 19 Verdachtsfälle.

Bei den umstrittenen Geschäften handeln mehrere Investoren rund um den Dividendenstichtag untereinander Aktien mit (cum) und ohne (ex) Anspruch auf die Ausschüttung. Die Finanzämter erstatteten in der Folge mehrfach Kapitalertragsteuern und den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag. Dieses seit 2002 bekannte Schlupfloch im Steuerrecht wurde erst zehn Jahre später mit einer Gesetzesreform geschlossen.

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