Die globalen Wirtschaftsaussichten werden derzeit schlechter. Doch bestimmte Bereiche der Aktienmärkte, von denen einige jahrelang nicht beachtet wurden, zeigen sich nun stark. Dazu gehören vor allem Aktien auf Märkten wie Europa und Japan, die in den vergangenen Monaten angesichts einer ausgeprägten Schwäche des US-Dollars in die Höhe geschossen sind. Tatsächlich hat sich die Zahl der attraktiven Investitionsmöglichkeiten im vergangenen Jahr vergrößert. Das steht ganz im Gegensatz zum vergangenen Jahrzehnt, als US-Technologieaktien mit großer Kapitalisierung die Marktrenditen dominierten.
„Früher war der Markt binär, mit einer Entweder-oder-Logik – heute ist er ausgewogener“, meint Capital-Group-Aktienportfoliomanager Martin Romo. „Das Spektrum der Anlagemöglichkeiten hat sich erweitert und umfasst jetzt Aktien innerhalb und außerhalb der USA, Wachstums- und Qualitätsaktien, den Technologiesektor und das Gesundheitswesen, Industrieunternehmen und den Energiesektor.“
Eine Dollarabwertung könnte Nicht-US-Aktien beflügeln
Zumindest ein Teil dieser Dynamik beruht auf der Entwicklung des US-Dollars. Nach einer elfjährigen Stärkephase hat der Greenback an Dominanz verloren, sein Kurs gegenüber dem Euro, dem Yen und vielen anderen Währungen wurde abwertet. Ein anhaltender Abwärtstrend wäre eine willkommene Nachricht für Anleger mit Aktien und Anleihen, die nicht aus den USA kommen, und deren Renditen in den vergangenen Jahren unter Wechselkurseffekten gelitten haben.
Grafik 1: Nicht-US-Aktien haben sich in Phasen der Dollarschwäche erholt
Märkte außerhalb der USA zeigen bereits Anzeichen für einen Währungsschub. Als der Dollar abrutschte, erwirtschafteten europäische Aktien im vierten Quartal 2022 und im ersten Quartal 2023 die höchsten Renditen der Industrieländer. Auch japanische Aktien haben eine beeindruckende Rally durchlaufen – wobei der Tokio Stock Price Index (TOPIX) Mitte Mai auf den höchsten Stand seit 33 Jahren gestiegen ist.
Seit Oktober 2022 ist der Dollar gemessen am J.P. Morgan US-Dollar Real Effective Exchange Rate Index um etwa 6 Prozent gesunken. Das mag zwar nicht viel erscheinen, aber Währungstrends entwickeln sich oft über lange Zeiträume, so Andrew Cormack, Fixed-Income-Portfoliomanager bei Capital Group. „Die US-Währung durchläuft üblicherweise langjährige Zyklen“, erklärt Cormack. „Und ich denke, dass der starke Dollarzyklus der letzten zehn Jahren schon ein wenig zu lange gedauert hat.“
Während der Dollar aufgrund seines Status als sicherer Hafen immer noch unregelmäßig Stärkephasen durchlaufen könnte, meint Cormack, dass der langfristige Kurs niedriger sein dürfte. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, darunter die schleppende US-Konjunktur, der schwache Wohnungsmarkt und Anzeichen dafür, dass die US-Notenbank Federal Reserve im restlichen Jahresverlauf 2023 keine weitere Zinserhöhung vornehmen könnte.