Private Banking für Unternehmer Individualität trotz Standardisierung – oder gerade deswegen?

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Und Sie sind wahrscheinlich ein absoluter Experte in Ihrem Marktsegment und Meister Ihres Fachgebietes. Ihre Produkte und deren Qualität werden überall geschätzt. Das können Sie, das verstehen Sie, dazu haben Sie studiert und mitunter Jahrzehnte lang probiert. Und das haben Sie vollkommen im Griff. Da würden Sie doch sicher auch gerne den vollen Überblick bei der Anlage Ihres Privatvermögens behalten – schon allein zum Selbstschutz. Hätten Sie dann nach einer 70-Stunden-Woche noch die Zeit oder Lust, sich in komplexe Anlageprodukte einzulesen, um diese vollumfänglich zu verstehen? 

Der eine oder andere von Ihnen wird nun reflexartig rufen: „Aber dafür hat er doch mich!“ Und das stimmt, aber einlesen wird ein Unternehmer sich dennoch wollen und zumindest grob verstehen, in was er da investiert auch.

Sie als Unternehmer, der vielleicht selbst zahlreiche Produkte im Angebot hat, verstehen da intuitiv, wie Komplexität mit Mehraufwand beim Controlling etc. skaliert.

 

Oder verkürzt ausgedrückt: Der Unternehmer, der sein hart erarbeitetes Privatvermögen am liebsten in überschaubar strukturierte Anlagen investiert und von Ihnen erwartet, dass Sie sein Depot dann jederzeit mit Argusaugen überwachen, trifft auf Vertriebler in den Finanzinstituten, die aufgrund ihrer eigenen freiheitsliebenden Typologie gerne clevere Anlagestrategien konstruieren und umsetzen möchten.

Kleiner Exkurs am Rande: Sie alle kennen doch bestimmt mindestens einen Unternehmer, der sein Eigenheim auf dem Betriebsgelände stehen hat, fünf Immobilien mit 30 Wohnungen in derselben Straße besitzt und am liebsten noch aus dem Wohnzimmerfenster alle sehen möchte. Eben genau aus dem genannten Grund der Überschaubarkeit und Kontrollierbarkeit.

Die Realität der Berater

Als Private-Banking-Berater verbringen Sie wahrscheinlich einen Teil – wenn nicht sogar einen Großteil – Ihres Arbeitstages damit, die Märkte zu analysieren, Ideen für Anlagen zu entwickeln, Produkte herauszusuchen, diese zu verkaufen und sie im Nachgang zu überwachen. Und dazu kommen dann auch noch die bürokratischen Herausforderungen.

Haben Sie da noch Zeit, sich wirklich gut auf den Unternehmer einzustellen, sich damit zu beschäftigen, in welchen Komplexitäten er sich bewegt und herauszufinden, wo akut Handlungsbedarf besteht? Vermutlich eher weniger.

Die Lösung: Individuell kombinierte Standardprodukte

Kurz gesagt: Die meisten Unternehmer möchten von Ihnen überhaupt keine ultra-komplexen und stark diversifizierten Anlageprodukte – und Sie können die Zeit dafür sinnvoller einsetzen, indem Sie zum Beispiel die Situation des Unternehmerkunden anhand unserer sieben Fokusthemen noch genauer analysieren, sich in das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette einarbeiten, sich über die Nachfolgeplanung Gedanken machen et cetera. Denn Unternehmer möchten eher ein Angebot wie das My-Müsli-Sortiment, das ich schon einige Male als Beispiel herangezogen habe: Eine überschaubare Anzahl an Standardprodukten (Haferflocken, Nüsse, etc.), die individuell kombiniert werden können und so Individualität sowie Übersichtlichkeit ermöglichen.

Nutzen Sie eine Kombination aus individuell zusammengestellten, übersichtlichen Standardprodukten und ‑dienstleistungen sowie persönlichem Mensch zu Mensch, um sich bei Ihren Unternehmerkunden einzigartig zu positionieren. Denn Ihr Unternehmerkunde ist eher dazu bereit, sein Geld in verständliche Anlagen zu stecken – genau so, wie er vermutlich in einem Restaurant mehr Vertrauen in die Küche hat, wenn sich diese auf sieben oder acht Standardgerichte mit unterschiedlichen Beilage-Optionen spezialisiert, anstatt fünfzig Gerichte italienisch, indisch, französisch und chinesisch auf einer Karte anzubieten. Denn dass der Koch das dann alles wirklich gut kann und alle Zutaten frisch sind, ist mehr als fraglich.

 

Machen Sie Ihren Unternehmerkunden auch klar, dass Sie verstehen, welche Mühen hinter dem hart erarbeiteten Privatvermögen stecken. Denn dieses musste mit Leistung erarbeitet werden und der Unternehmer wird es nur ungern jemandem anvertrauen, der den Eindruck macht, dass er es in ein komplexes, für den Unternehmer nicht nachvollziehbares Anlagekonzept investiert.

Übrigens: Der Berater in unserer Eingangsgeschichte ist schließlich auf genau denselben Gedanken gekommen. Er beschränkte sich beim zweiten Gespräch statt wie ursprünglich auf 20 ausgefeilte Sonderprodukte nun auf 5 Standardprodukte, die er individuell kombinierte und gewichtete. Der Unternehmer war dann auch hellauf begeistert von dem neuen, deutlich übersichtlicheren Angebot. Das Angebot wirkte, trotz der wenigen Produkte, deutlich durchdachter als das vorherige.  Der Berater hat sich „K.I.S.S.“ (Keep it short and simple) zu Herzen genommen. Und es kam schließlich zum Abschluss in hoher einstelliger Millionenhöhe, da der Berater so seine Vertrauenswürdigkeit demonstrieren konnte. Wir sehen also: Manchmal ist weniger Komplexität doch mehr Wohlfühlfaktor!


Über den Autor:

Dirk Wiebusch ist Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Unternehmerfamilien (IFUF). Er berät seit mehr als 25 Jahren Familienunternehmen und Unternehmerfamilien. Seine Erfahrung gibt Wiebusch in Seminaren und Vorträgen an Finanzdienstleister weiter.

 

 

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