2. Handlungsempfehlungen für Family Offices bei Direktbeteiligungen
Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die Bewertung von Private-Equity- und Venture-Capital-Investitionen durch Family Offices insbesondere folgende Handlungsempfehlungen:
Bewertungsstandards: Einen guten Überblick über die Best Practice in der Bewertung geben die International Private Equity and Venture Capital (IPEV) Valuation Guidelines, die auch für Rechnungslegungszwecke insbesondere nach IFRS und US GAAP einschlägig sind. Daneben bieten zum Beispiel die Guidelines der „European Private Equity and Venture Capital Association“ (EVCA) oder der „Private Equity and Venture Capital Valuations Guide“ des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) weitere Hilfestellung. Dass Family Offices sich auf anerkannte Bewertungsstandards stützen, hilft ihnen dabei, bewertungskritische Sachverhalte einzuordnen und schafft gleichzeitig Vertrauen und Transparenz.
Wahl der Bewertungsmethode: Grundsätzlich gilt, dass das Verständnis des Geschäftsmodells sowie die Identifikation von Werttreibern die Basis der Bewertung bilden. Klassische Discounted-Cashflow-Methoden sind bei Private-Equity- oder Venture-Capital-Investitionen wegen ihrer spezifischen Prognose- und Geschäftsmodellunsicherheiten allerdings nur eingeschränkt anwendbar. Im Private-Equity-Bereich sind zum Beispiel Leveraged-Buyout-Modelle weit verbreitet. Das sind Modelle, die explizit die Finanzierungsstruktur einer M&A-Transaktion berücksichtigen.
Für Start-ups werden im fortgeschrittenen Stadium häufig die Venture-Capital-Methode oder die First-Chicago-Methode eingesetzt – beides Modelle, die einen Exit nach einer bestimmten Haltedauer in die Wertfindung einbeziehen. In früheren Entwicklungsstadien kommen stärker qualitativ ausgerichtete Methoden zum Einsatz. Auch für die Anteilsbewertung zur Berücksichtigung von Sonderrechten wie zum Beispiel Liquidationspräferenzen existieren spezifische Bewertungsmethoden (Vgl. für eine Studie zur Bewertungspraxis von VC-Investoren Büttner/Hagel/Prengel/Honold (2025): Die Bewertung von Start-ups und deren Anteilen: Eine Umfrage unter Venture-Capital-Investoren, in: Corporate Finance, S. 45ff.)
Methodenpluralität: Die Visibilität ist bei Private-Equity- und Venture-Capital-Investitionen niedrig. Eine alleinig aussagekräftige Bewertungsmethode existiert in diesem Umfeld nicht. Zur Beteiligungsbewertung sollten Family Offices daher mehrere Methoden simultan einsetzen, um abgeleitete Wertbandbreiten einzugrenzen.
Regelmäßiger Bewertungsturnus: Bewertungsüberlegungen sollten in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden, mindestens jährlich sowie zusätzlich bei sogenannten Triggering Events. Dazu zählen zum Beispiel makroökonomische Schocks oder branchen- und unternehmensspezifischen Änderungen. Family Offices sollten plötzliche Wertveränderungen, die das dynamische Wirtschaftsumfeld von Private-Equity- und Venture-Capital-Investitionen mit sich bringt, nicht unterschätzen.
Einsatz von Sensitivitäts- und Szenario-Analysen sowie Monte-Carlo-Simulationen: Family Offices sollten im Rahmen von Sensitivitätsanalysen kritische Input-Parameter wie die Umsatzentwicklung oder Exit-Multiples variieren, um Werttreiber zu identifizieren und „Was wäre, wenn“-Fragen zu beantworten. Daneben sollten sie nicht nur einwertige Planungen anwenden, um Erwartungswerte zu bestimmen, sondern verschiedene Szenarien erarbeiten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der asymmetrischen Auszahlungsprofile im Exit.
Der Wert ist zudem häufig sensitiv zur Art des Exit-Events. So bietet es sich zum Beispiel an, in Szenario-Analysen zwischen einem Börsengang, einem Trade Sale und der Liquidation zu unterscheiden. Da die Renditen von Private-Market-Investitionen häufig nicht normalverteilt sind, ist es zudem ratsam. Monte-Carlo-Simulationen mit entsprechenden Verteilungsannahmen einzusetzen.
Austausch mit dem Beteiligungsunternehmen und anderen Investoren: Ein vertrauensvolles Verhältnis zu und ein regelmäßiger Austausch mit den Beteiligungsunternehmen sind Schlüssel zum Investmenterfolg. Auf der einen Seite stellt das Management der Beteiligung eine wichtige Informationsquelle für Bewertungsüberlegungen dar, auf der anderen Seite bietet ein transparentes Miteinander die Möglichkeit, bei Planabweichungen rechtzeitig gegensteuern zu können. Daneben bietet der Austausch mit anderen Investoren insbesondere, aber nicht nur bei Co-Investments den Zugang zu unterschiedlichen Perspektiven, fördert den Wissenstransfer zu Best Practices und hilft, typische Bewertungsfallen zu vermeiden.
3. Das Fazit zur Bewertung von Direktinvestitionen
Direkte Private-Equity- und Venture-Capital-Investitionen stellen eine attraktive Anlageklasse für Family Offices dar. Durch den Zugang zu Unternehmen in zum Beispiel anderen Lebenszyklen können Private-Market-Investitionen einen wichtigen Beitrag leisten, das Portfolio eines Family Office zu diversifizieren.
Der Investitionserfolg ist dabei eng mit einer fundierten, häufig einzelfallabhängigen Bewertung verbunden. Die in diesem Beitrag dargestellten Handlungsempfehlungen bieten dafür eine allgemeine Orientierung. Die wichtigste Botschaft dabei: Eine detaillierte Wertanalyse ist in den intransparenten und von Illiquidität geprägten Private-Market-Investmentsituationen nicht nur ein Nice-to-Have, sondern ein elementares Erfolgskriterium. Die Anforderungen an eine solche Wertanalyse sind in der Praxis aber nicht zu unterschätzen.
Über die Gastautoren:
Armin Hagel ist Manager im Bereich Transactions Valuation Restructuring bei Rödl & Partner in Nürnberg und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
Matthias Meitner ist Professor für Unternehmensbewertung an der International School of Management (ISM) und Gründer & Managing Partner von Valuesque in München.
Cyril Prengel ist Partner im Bereich Transactions Valuation Restructuring bei Rödl & Partner in Nürnberg & Berlin.
Clara Fiedler ist Associate im Bereich Transactions Valuation Restructuring bei Rödl & Partner in Nürnberg.