Digitalisierung im Portfoliomanagement Was neuronale Netzwerke in der Finanzanalyse leisten können

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Modellkonstruktion entscheidend

Im Hinblick auf die Anwendungen in der Finanzanalyse ist es natürlich von entscheidender Bedeutung, mit welchen Daten ein KNN trainiert und welche Modellkonstruktion dem neuronalen Netz zugrunde gelegt wird. Bezogen auf die Finanzanalyse ist der Einsatz von KNN unter anderem in der Finanzmarktprognose, Risikooptimierung, Wertpapieranalyse bis hin zur Portfoliogenerierung und Portfoliosteuerung denkbar.

Unabhängig davon, in welchem Bereich der Finanzanalyse man ein KNN einsetzen möchte, ist es wichtig, dass es zwischen Input- und Output-Daten einen kausalen Zusammenhang gibt. Dabei gilt: Je effizienter Märkte sind, desto schwächer ist die Kausalität zwischen Input- und Outputdaten ausgeprägt.

Sofern die strenge Informationshypothese gelten würde, auf der die Moderne Portfoliotheorie von Markowitz basiert, würden Kursentwicklungen an den Finanzmärkten gar einer Zufallsbewegung, einem Random Walk, folgen und der Einsatz von Analyseverfahren wäre obsolet. In der Behavioral Finance hat sich jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich Anleger keinesfalls wie ein Homo oeconomicus verhalten. Im Gegenteil: Psychologische Effekte, wie Verlustaversion oder Herdentrieb aus Angst beziehungsweise Gier, führen oftmals zu Marktunvollkommenheiten, die wiederum den Einsatz von Methoden der Finanzanalyse plausibel machen.

Künstliche neuronale Netzwerke haben aufgrund ihrer variablen Modellkonstruktion und der parallelen Verarbeitung großer Datenmengen die Möglichkeit, bei einer schwach ausgeprägten Kausalität auch nichtlineare Zusammenhänge zwischen Input- und Outputdaten zu erkennen. Diese Fähigkeit ist gerade für Modelle sehr wichtig, die das Verhalten von komplexen Systemen, wie es die Finanzmärkte nun einmal sind, möglichst gut nachbilden sollen, da hier kleine Veränderungen bei den Inputdaten zu sehr großen Auswirkungen bei den Outputdaten führen können.

Aktivierungsfunktion und Rückkoppelungseffekte

Diese Erkenntnis aus der Chaostheorie kann bei der Konstruktion eines KNN unter anderem dadurch berücksichtigt werden, dass die Aktivierungsfunktion, über die ein künstliches Neuron einen Impuls bei Erreichung eines Schwellenwertes weiterleitet, entsprechend modelliert wird. In der Praxis werden hierfür bei der KNN-Konstruktion anstelle diskreter Aktivierungsfunktionen Funktionen mit S-förmigem Verlauf des Graphen, sogenannte sigmoide Funktionen, eingesetzt.

Auch kommt es an den Finanzmärkten fortlaufend zu Rückkoppelungseffekten. So kann beispielsweise der Aktienkursverlauf selbst die Stimmung bei Investoren und Analysten beeinflussen. Auch diese Rückkoppelungseffekte, die oftmals für chaotische Verhaltensmuster oder sich selbst verstärkende Trends verantwortlich sind, können bei der Modellierung von KNN berücksichtigt werden, in dem Verbindungen von Neuronen zu Neuronen vorangegangener Schichten eingeführt werden. Im Unterschied zu Feedforward-Netzen werden solche Netze dann als Feedback-Netze oder rekurrente neuronale Netze bezeichnet.

Fazit

Auf dem Papier ist der Einsatz künstlicher neuronaler Netzwerke in der Finanzanalyse vielversprechend: Die Geschwindigkeit in der Informationsverarbeitung und das Erkennen von nichtlinearen Systemzusammenhängen auch bei schwach ausgeprägter Kausalität bieten interessante Chancen.

Gleichzeitig sind dem Einsatz jedoch auch Grenzen gesetzt. Jede Modellkonstruktion ist nur eine vereinfachte Abbildung der Wirklichkeit. Daher bleibt auch beim Einsatz von KNN als Hilfsmittel in der Finanzanalyse der gesunde Menschenverstand von großer Bedeutung.

Über den Autor:
Thomas Wüst, Geschäftsführender Gesellschafter der Valorvest Vermögensverwaltung in Stuttgart, hat sich in seinem Studium mit modernen Ansätzen im Portfoliomanagement und in der Wertpapieranalyse beschäftigt. Bereits in seiner Diplomarbeit setzte er sich 1995 mit der Chaostheorie und dem Einsatz von künstlichen neuronalen Netzen in der Finanzmarktanalyse auseinander.

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