Stefan Bauer ist Berater bei einer Bank. Und er ist verunsichert. Er fragt sich, was die Digitalisierung für ihn konkret bedeutet. Wird er über kurz oder lang von einem Roboter ersetzt, oder halten die neuen technischen Möglichkeiten vielleicht sogar Verheißungen für ihn parat? Ich bin der festen Überzeugung – und da stimme ich mit der überwiegenden Zahl der Stimmen am Markt überein: Die Digitalisierung in der Finanz Industrie wird die persönliche Beratung nicht ersetzen, sondern ergänzen. Stichwort: hybride Beratung. Dieses Ergänzen wird umfangreich und auch tiefgreifend sein. Aber sie bietet die große Chance, dass Stefan Bauer, der hier stellvertretend für alle Finanzberater steht, wieder mehr der Berater sein kann, der er war, als er hoch motiviert seine Laufbahn begann.
Momentan erleben wir eine große Diskrepanz zwischen dem, was technisch möglich ist und wie der Beratungsalltag tatsächlich aussieht. Eine repräsentative Studie aus Großbritannien belegt, was Berater landauf, landab täglich spüren: Sie verbringen zu wenig Zeit mit wirklich wertstiftenden Tätigkeiten, sprich mit ihren Kunden. Nur 25 Prozent ihres Arbeitstages stehen sie im direkten Austausch mit den Personen, um die es eigentlich geht. Seien es Gespräche über Finanzthemen oder auch der Bericht von der jüngsten Reise.
Der Rest der Zeit vergeht mit dem Zusammentragen von Daten, dem Ausfüllen von Formularen oft noch in Papierform, dem Eintippen der Informationen in die entsprechenden Eingabemasken der Software oder der Pflege von Datenbanken. Die Programme, die den Beratern in der Breite zur Verfügung stehen, sind untereinander nicht vernetzt, sondern stehen siloartig nebeneinander. Von smarten, vernetzten Datenauswertungen sind sie Lichtjahre entfernt.
Die Möglichkeiten der echten Digitalisierung können nicht nur genau die oben genannten Probleme lösen, sie haben sogar das Potenzial, eine neue Kultur im Beratungsalltag zu etablieren: eine Kultur der Effizienz. Weil zeitraubende manuelle Dateneingaben und händische Übertragung von Informationen von einem Programm ins nächste nun automatisiert und tagesaktuell über Schnittstellen stattfinden. Aber auch einen Alltag, in dem Beratung wieder individuell sein kann, weil auch maßgeschneiderte Angebote effizient und gesetzeskonform abgewickelt werden können. Eine Beratung, die wieder Spaß macht – und zwar sowohl Beratern als auch Kunden –, weil mehr Zeit für die Beziehungspflege zum Kunden bleibt. Und nicht zuletzt eine Beratungskultur, die von Kundenerlebnissen geprägt ist.
Die Finanzbranche schneidet in puncto Kundenerlebnis im Vergleich zu Amazon und Co. schwach ab. Wenn man sich vor Augen führt, dass ein Kunde sich einmal im Jahr mit seinem Berater trifft, jedoch dreimal pro Woche in sein Online Banking sieht, liegt die Aufgabe aber klar auf der Hand. Die Beziehung zum Kunden die Finanzdienstleister auch und vor allem auf der digitalen Ebene aufnehmen und vertiefen. Den Kunden muss man mit einem digitalen Kundenerlebnis für sich einnehmen.