Es scheint wie ein Etappensieg, den die Kryptobranche vor dem US District Court des südlichen New Yorker Bezirks am 13. Juni verbuchen konnte: Die Richterin bestätigte, dass die Kryptowährung XRP des Zahlungsnetzwerks Ripple kein Wertpapier ist, wenn sie über sogenannte „programmatische Verkäufe“, was im Grunde genommen Verkäufe an der Krypto-Börse bedeutet, an Privatkunden verkauft wird. Beim Verkauf an institutionelle Investoren sieht die Welt hingegen ganz anders aus – was nicht nur unlogisch, sondern auch realitätsfremd anmutet.
Deshalb ist es klar, dass das letzte Wort in puncto Regulierung digitaler Assets in den USA immer noch nicht gefallen ist, was auch der unmittelbare Kursanstieg von XRP nach der Urteilsverkündung unterstreicht: ein Plus von 65 Prozent, Bitcoin und Ethereum haben in denselben 24 Stunden allerdings nur 2,3 Prozent, respektive 6,4 Prozent gut gemacht. Und tatsächlich deuten auch die unmittelbar folgenden Gewinnmitnahmen daraufhin, dass Anleger nach wie vor skeptisch sind, weil das Urteil eben weder einem Freifahrtschein für die Kryptobranche gleichkommt noch Rechtssicherheit bedeutet.
Regulierung dringend nötig
Gerade europäische Beobachter schauen mit einer gewissen Sorge auf das Vorgehen der SEC. Dabei sind die Bestrebungen, die neuen Akteure am Markt zu regulieren, durchaus positiv zu betrachten. Denn letztendlich geht es darum, den wachsenden Einfluss von Kryptowährungen auf die Finanzlandschaft zu legitimieren und zu regulieren.
Mehr noch: Es ist das bisherige Versäumnis des US-Kongresses, neue Gesetze zu schaffen, die klare Richtlinien anbieten, welches die amerikanischen Krypto-Akteure in ihre prekäre Lage gebracht hat und wirksame gesetzgeberische Maßnahmen jetzt so dringend notwendig macht – was die Akteure im Übrigen auch selbst fordern.
Rahsan Boykin, General Council beim US-Kryptohändler Hashflow, sagte gegenüber einem US-Magazin nach dem Urteil, dass es den Regulierungsbehörden an klaren Richtlinien fehle, was letztendlich Marktinnovationen behindere: „Um ein wachstumsförderndes Umfeld zu schaffen, muss der Kongress eingreifen und Leitlinien vorgeben, die den europäischen MICA-Verordnungen ähneln.“
Es geht also nicht darum, entweder blindlings für digitale Vermögenswerte einzutreten oder sie zu verteufeln. Fakt ist, dass digitale Assets längst da sind und bleiben werden. Deshalb muss jetzt ein Umfeld geschaffen werden, das ein verantwortungsvolles Wachstum fördert, gleichzeitig die Verbraucher schützt und die Marktintegrität bewahrt.
Die Gesetzgebung sollte den sich entwickelnden Charakter der Wirtschaftssysteme widerspiegeln. Da digitale Vermögenswerte für die Finanzlandschaft immer wichtiger werden, muss sich der Rechtsrahmen entsprechend anpassen. Die von den republikanischen Kongressmitgliedern vorgelegten Gesetzesvorschläge könnten als solide Grundlage für diese Entwicklung dienen.
USA trotz Streits die Nase vorn
Und es gibt noch einen Aspekt, der dafür spricht, dass die USA trotz der aktuellen Querelen mit ihrem Regulierungsvorstoß in puncto digitaler Assets künftig zum Vorreiter werden könnten: Alle regulatorischen Bestrebungen zielen derzeit darauf ab, traditionelle und digitale Vermögenswerte zu integrieren, die „alte“ Finanzwelt mit der „neuen“ zu verbinden. Das bietet Investoren, allen voran den institutionellen, Rechtssicherheit und vereinfacht damit den Zugang zur neuen Finanzwelt immens – ein Vorteil übrigens, der sich weit über die Regulierung hinaus fortsetzt.
Es gibt zahlreiche Synergien zwischen den Innovatoren des Silicon Valley und den traditionellen Finanzinstituten. Hier gibt es keine klassischen Silos, sondern vielmehr einen regen Austausch von Ideen und Zusammenarbeit, die ein Umfeld für Innovationen und Wachstum fördert. Davon werden digitale Vermögenswerte profitieren, weil es Raum zum Reifen gibt. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit zwischen Blackrock und Coinbase, die Investoren über Coinbase einen bevorzugten Zugang zu Kryptowährungen auf der Aladdin-Plattform von Blackrock bietet.
Europäische Regulierung geht andere Wege
Diese Tendenzen in den USA stehen allerdings im Kontrast zu den Maßnahmen, die die Europäische Union zur Regulierung digitaler Assets anstrebt. Sie hat sich klar dafür entschieden, digitale Vermögenswerte als eigene Anlageklasse zu regulieren, gleichzeitig aber wichtige Fragen wie die nach der Finanzierung, des Personals oder des Budgets für ein solches Vorhaben nicht beantwortet. Ein solcher Ansatz vergrößert erfahrungsgemäß die Kluft zwischen dem traditionellen Finanzwesen und dem aufstrebenden Krypto-Ökosystem unnötig und fördert Silos.
Das europäische Vorgehen wird sogar noch problematischer, wenn man es der Finanzmacht der US-Institutionen gegenüberstellt. Finanzriesen wie Blackrock oder Fidelity, deren Bitcoin-Spot-ETFs-Anträge von der SEC mittlerweile genehmigt wurden, sind gut positioniert, um Investoren ein umfassendes Krypto-Engagement zu bieten. Mehr noch: Mit dem beträchtlichen Kapital im Rücken und dem dazugehörigen Kundestamm, haben sie die Macht, eine breite Akzeptanz für digitale Vermögenswerte zu schaffen – mit dem entsprechenden Vorteil für die USA als Digital-Asset-Standort.
Investoren profitieren
Sobald Blackrock und Co. also diese leicht zugänglichen Wege für die breite Öffentlichkeit geschaffen haben, in Kryptowährungen zu investieren, dürften sie Treiber für ein bisher noch nicht dagewesenes Wachstum werden. Noch ist es auch für Europa nicht zu spät, an dieser finanziellen Revolution teilzuhaben. Ein Weg über ein hybrides System, in dem alte und neue Finanzwelt sinnvoll miteinander agieren, ist dafür jedoch unerlässlich. Denn es sind nicht nur die USA, die hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Auch Hongkong ist einer der Pioniere, wenn es darum geht, Verbindungen zwischen neuen und etablierten Finanzakteuren zu schaffen.
Einen Beweis liefert die jüngste Zulassung von Bitcoin- und Ethereum-ETFs, die einfach über die App der lokalen Bank, nämlich HSBC, einem breiten Publikum als Vermögenswerte zugänglich gemacht wurden – ein Beispiel, das unterstreicht, welche bemerkenswerten Fortschritte im Finanzsektor erzielt werden können, wenn ein Staat auf Symbiose statt auf Abschottung setzt.
Profitieren werden in jedem Fall die Investoren, die mit einigen wichtigen Finanzhubs als Vorreiter in Sachen Regulatorik digitale Asset als festen Bestandteil in ihre Portfolios integrieren können. Und dass daran durchaus Interesse besteht, unterstreichen die Ergebnisse vierteljährlicher Fondsmanagerumfrage. Der Anteil spekulativer Investoren nimmt deutlich ab, während Diversifikation, Substanz und auch die Wachstumsaussichten der zugrundeliegenden Technologie wichtige Argumente für ein Invest sind. Und vor allem da, wo Fondsmanager flexibel agieren können – etwa private Mandate oder Family-Offices – ist der Anteil digitaler Asset am größten.
Über den Autor:
Jean-Marie Mognetti ist Geschäftsführer und Mitbegründer des digitalen Vermögensverwalters Coinshares. Neben seinen Managementaufgaben beaufsichtigt Mognetti den Eigenhandel, das Kapitalmarktportfolio und das Risikomanagement des Unternehmens. Seit 2011 ist er Teil der Unternehmensgruppe Global Advisors, wo er bereits diverse Führungspositionen innehatte, zuletzt als Geschäftsführer und Direktor von GABI, einem der weltweit ersten regulierten Bitcoin-Fonds. Bevor er zu Global Advisors kam, war Mognetti Fondsmanager bei Hermes Commodities Fund Managers und Energy-Trader-Assistant bei Lehman Brothers.