Nicht nur im Family Office Diese vier Risikofaktoren entscheiden über jedes Portfolio

Vladislav Gounas (li.) und Yannick Düring von der Deutschen Oppenheim Family Office

Vladislav Gounas (li.) und Yannick Düring von der Deutschen Oppenheim Family Office: Vieles, was als zusätzliche Diversifikation beworben wird, versagt bei extremen Ereignissen. Foto: Deutsche Oppenheim Family Office

Niemand hätte Ende 2019 geahnt, dass uns schon wenige Monate später ein Ereignis im Stile der Corona-Krise treffen könnte. Pandemien, wie auch andere Naturkatastrophen, sind Ereignisse, die immer wieder auftreten werden. Da es unmöglich vorherzusagen ist, wann so ein Ereignis das nächste Mal eintreten wird, kann es am Aktien- und Anleihenmarkt nicht eingepreist sein.

Diese Unsicherheit ist ein Grund dafür, warum risikobehaftete Geldanlagen systemisches Risiko innehaben und deshalb eine positive Rendite generieren. Trotzdem kann man ein Portfolio auf solch extreme Ereignisse vorbereiten – durch bestmögliche Diversifikation.

Zwei gegensätzliche Kräfte stehen sich gegenüber

Wenn wir ein Portfolio bauen, existiert auf der einen Seite ein zeitlich variierender Grad an Unsicherheit, auf der anderen die zeitlich relativ robust wirkende Diversifikation über die verschiedenen Asset-Klassen.

Die Diversifikation findet auf mehreren Ebenen statt. Dass ein Portfolio aus Einzeltiteln im Hinblick auf Regionen und Sektoren breit streuen sollte, ist bekannt. Dadurch mindert man bereits einen Teil der Einzeltitelrisiken, und schlechte Unternehmensnachrichten können ein Portfolio im Idealfall nicht mehr so stark beeinflussen.

Doch zu welchem Grad sollte man die Risiken eines liquiden Portfolios – illiquide Assets wie Immobilien und Private Equity werden in dieser Analyse außen vor gelassen – zusätzlich mit Unternehmensanleihen, Hochzinsanleihen, Schwellenländer-Anleihen, Rohstoffen, Staatsanleihen, Gold oder Absolute-Return-Fonds diversifizieren?

Die schlechte Nachricht zuerst: Vieles, was als zusätzliche Diversifikation beworben wird, versagt konstruktionsbedingt bei extremen Ereignissen. Unternehmensanleihen zum Beispiel sind, statistisch betrachtet, ein Hybrid aus Aktien- und Zinsrisiko. Je schlechter die Bonität, desto dominanter das Aktienrisiko. Hochzinsanleihen korrelieren hauptsächlich mit Aktienrisiken und nicht mit Anleiherisiken.

Hedgefonds sollen zwar unkorrelierte Erträge liefern, schaffen dies aber oftmals in Krisen nicht. Schließlich sind auch sie, statistisch gesehen, im Schnitt eine Kombination aus primären Asset-Klassen wie Aktien, Anleihen, Währungen und Rohstoffen. Deshalb wirkte auch keine dieser Asset-Klassen diversifizierend zu Aktien im turbulenten März 2020.

Ein breiter Index aus europäischen und US-amerikanischen Unternehmensanleihen fiel zwischen dem 18. Februar und dem 23. März 2020 um 8,0 Prozent in Euro beziehungsweise um 12,4 Prozent in US-Dollar. Er hat die Verluste am Weltaktienmarkt von über 30 Prozent damit vielleicht abgemildert, aber nicht diversifiziert.

Noch weniger effektiv war der globale High-Yield-Index mit minus 22 Prozent in US-Dollar. Schwellenländer- und Wandelanleihen fielen ebenfalls um rund 22 Prozent, ein repräsentativer Rohstoffindex um 19 Prozent (alle in US-Dollar). Ein breit aufgestellter Hedgefonds-Index fiel um fast 11 Prozent.

Doch wie sieht es aus mit Staatsanleihen ohne Ausfallrisiko, dem US-Dollar und weiteren Währungen sowie Gold aus?

Dies sind Anlageklassen, die aus statistischer Sicht gut diversifizieren können – und zwar deshalb, weil sie sich an unkorrelierte Marktrisikofaktoren annähern. Nehmen wir an, man würde einen repräsentativen Investoren fragen, welche Begriffe ihm einfallen, wenn er die dominanten Werttreiber der weltweiten Finanzmärkte in den letzten zehn Jahren beschreiben soll – also der meisten Aktien, Anleihen, Währungen, Rohstoffe, Hedgefonds und Absolute-Return-Fonds sowie Immobilien- und Private-Equity-Investments weltweit. Denkt er an Wirtschaftswachstum, die Geldpolitik oder an den Niedrigzins?

Die statistische Antwort

Kombiniert man die Zeitreihen der weltweiten Aktien-, Zins-, Währungs- und Rohstoffmärkte, addiert noch einzelne weitere (makro-)ökonomische Zeitreihen und analysiert diesen Datensatz mittels einer seit vielen Jahren bekannten statistischen Big-Data-Technik namens Hauptkomponenten-Analyse, dann erhält man als Ergebnis zugrunde liegende Risikofaktoren, die sich statistisch an den Großteil all dieser Marktprozesse annähern.

Bereits die vier wichtigsten Risikofaktoren erklären rund 67 Prozent der meisten weltweit gehandelten Aktien-, Anleihen, Rohstoff- und Währungsindizes zwischen dem 31. Januar 1999 und dem 30. April 2020. Die sechs wichtigsten Faktoren erklären sogar 77 Prozent. Das sind Tausende von Titel verschiedenster Anlageklassen und Währungsräume, die sich auf Indexebene alle mehr oder weniger so bewegen wie eine kleine Handvoll dominanter Risikofaktoren des Finanzmarktes. Ist das nicht überraschend?

Diese nicht zu beobachtenden, weil rein statistisch konstruierten, Risikofaktoren haben konstruktionsbedingt die vorteilhafte Eigenschaft, dass sie nicht zueinander korrelieren. Das bedeutet, man hätte ein hochgradig diversifiziertes Portfolio, wenn man in diese Risikofaktoren investieren könnte.

Welche Namen gibt man diesen Faktoren? Einfache Korrelationsanalysen liefern eine gute Inspiration. In der folgenden Grafik werden die vier ersten und wichtigsten Risikofaktoren (x-Achse) mit einigen Standard-Asset-Klassen korreliert (y-Achse).

Quelle: Deutsche Oppenheim Family Office

Je höher der Balken, desto höher die Korrelation zwischen dem jeweiligen Faktor und der jeweiligen, auf der x-Achse bezeichneten Asset-Klasse. Zum Beispiel korreliert Risikofaktor Nummer 1 zu 69 Prozent mit Aktien Welt und zu 56 Prozent mit dem Volatilitätsindex Vix. Er kann deshalb als Prämie für ein Aktienrisiko interpretiert werden.

Den zweiten Risikofaktor könnte man aufgrund der 69-prozentigen Korrelation zum US-Dollar als Leitwährungsfaktor ansehen. Der Dritte kann als Zinsfaktor interpretiert werden, denn er zeigt eine Korrelation von 74 Prozent mit Euro-Staatsanleihen auf und eine 72-prozentige Korrelation zu US-Anleihen mit US-Dollar-Euro-Währungsabsicherung.

Den vierten Risikofaktor können wir aufgrund seiner 70 Prozent hohen Korrelation zu Gold als Safe-Haven-Faktor interpretieren. Auch einwandfrei zu erkennen, ist die hohe Korrelation von Unternehmensanleihen (70 Prozent), Hochzinsanleihen (87 Prozent) und Rohstoff-Futures (62 Prozent) mit dem ersten, dem Aktienrisiko-Prämienfaktor. Das ist ein Hinweis darauf, dass diese Asset-Klassen, statistisch gesehen, langfristig redundant sind, aber gut für taktische Wetten geeignet sein können.

Damit erhalten wir ein unmittelbar umsetzbares Ergebnis

Wenn wir ein Portfolio aus Asset-Klassen konstruieren, welche sich an die vier Risikofaktoren annähern, diversifizieren wir nun auch systemische Aktienrisiken. Und nach entsprechenden Instrumenten müssen wir nicht lange suchen: Schon eine geringe Anzahl mittels ETFs günstig umsetzbarer Anlageklassen reicht aus – für Aktien zum Beispiel der MSCI All Country World Index.

Damit partizipiert man am weltweiten Wirtschaftswachstum. Sollte es nicht ganz so rund laufen, wirken der Leitwährungsfaktor und der Zinsfaktor diversifizierend. Beim Zinsfaktor ist das, in Asset-Klassen gesprochen, ein Investment in Staatsanleihen von Ländern ohne Ausfallrisiko.