Die Zukunft im Wealth Management, Teil 1 „Privatbanken sollten die digitale Konkurrenz ernst nehmen“

Holger Boschke (li.) und Volker Errolat von der Beratungsgesellschaft TME

Holger Boschke (li.) und Volker Errolat von der Beratungsgesellschaft TME

Mit Produkten und Dienstleistungen im Wealth Management konnten private Geldhäuser bislang relativ risikofrei Geld verdienen. Doch das könnte sich bald ändern. Wie schnell, zeigt das Beispiel Internet Payments – eine Form des Bezahlens, die es vor wenigen Jahren noch gar nicht gab.

Dominiert wird dieser Bereich mit über 230 Millionen Konten in 193 Ländern und 25 Währungen inzwischen von Paypal. 2015 ging das Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von rund 35 Milliarden Euro an die Börse – 15 Jahre nach seiner Gründung. Erst im gleichen Jahr startete Paydirekt, das erste Online-Bezahlverfahren der Banken und Sparkassen.

Bemerkenswert ist dies aus zwei Gründen: Zum einen wird deutlich, wie schnell sich ganze Segmente im Banking durch die Digitalisierung verändern können. Zum anderen zeigt sich, wie lange die deutschen Banken gebraucht haben, um ein Konkurrenzprodukt auf den Markt zu bringen und damit das Bedürfnis ihrer Kunden nach einem sicheren und bequemen Bezahlverfahren im Internet zu bedienen. Der Vorsprung von Paypal dürfte dabei kaum mehr aufzuholen sein.

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Künftige Konkurrenz im Wealth Management

Im Wealth Management könnte den Geldhäusern eine ähnliche Entwicklung bevorstehen. Auch wenn das Thema Finanzplanung und Vermögensanlage über Online-Medien noch relativ neu ist, gibt es eine ganze Reihe digitaler Innovationen, die den Markt in kürzester Zeit umwälzen könnten.

Insgesamt lassen sich sieben Geschäftsbereiche unterscheiden, in die Fintechs derzeit mit disruptiven Geschäftsmodellen vordringen und in denen gerade Privatbanken bislang noch das Nachsehen haben.
  1. Daily Banking
    Unter Daily Banking fallen Online-Angebote wie Kontostandsabfragen, Überweisungen oder die Verwaltung einfacher Anlageprodukte. Einige Geldhäuser bieten ihren Kunden mittlerweile auch Personal-Finance- und Aggregations-Tools an, einige wenige auch Fotoüberweisungen oder Authentifizierung per Fingerabdruck und Pulsmessung.

    Gerade die auf anspruchsvolle Kunden spezialisierten Privatbanken und Asset Manager haben in diesem Bereich jedoch noch großen Nachholbedarf. Und auch wenn die genannten Dienste teilweise zum Multikanalangebot gehören, unterscheiden sie sich doch in mehreren Punkten ganz erheblich. Zu nennen wären hier Sicherheitsstandards, Informationstiefe, Transaktionsfähigkeit, Daten-Synchronisation, Einbindung sozialer Medien, Nutzerfreundlichkeit sowie die Optimierung für Tablets und Smartphones.

  2. Informationsmanagement
    Dazu gehören einfache Analyse-Tools, Webinars zu aktuellen Finanzthemen sowie Marktkommentare und Ad-hoc-Analysen, die den Kunden informieren und gleichzeitig einen Dialog herstellen. Die Idee dahinter ist einfach: Gut informierte Kunden sind aktiver, insbesondere in der Vermögensanlage.

    Wer sich als Kunde einer Privatbank aber auf die Suche nach Finanzmarktdaten begibt, landet eher auf den Webseiten der Internetriesen Yahoo (70 Millionen Besucher pro Monat), Microsoft (MSN) oder Google sowie Adressen wie CNN, Reuters und Bloomberg. Damit muss er „seine“ Bank-Webseite verlassen.

  3. Online Brokerage
    Der Online-Handel von Wertpapieren ohne explizite Beratung (Execution Only) erlangt immer mehr Bedeutung, insbesondere das Discount Brokerage für Privat- und Geschäftskunden mit besonders hohem Orderaufkommen, zum Beispiel auch für unabhängige Vermögensverwalter.

    Obwohl auch Privatbanken für dieses Geschäftsfeld prädestiniert wären, wird es derzeit vornehmlich von Direktbanken besetzt. Andere attraktive Online-Portale wie das der Onvista Bank oder Lynx gehen ebenfalls nicht auf die großen etablierten Player zurück.

  4. Geschlossene Anlageprodukte
    Im Zuge der Finanzmarktkrise sind geschlossene Anlageprodukte in Verruf geraten und zum Teil mit hohen Haftungsrisiken verbunden. Viele Banken sind deshalb dazu übergegangen, sich vertrieblich auf Family Offices und besonders vermögende Privatkunden zu fokussieren.

    Die Digitalisierung könnte der Produktgattung jedoch zu einer Renaissance verhelfen, denn durch die erhöhte Transparenz, geringere Kosten – insbesondere im Vertrieb –, und der höheren Liquidität könnten Investitionen in geschlossene Anlageprodukte wieder deutlich an Attraktivität gewinnen.

  5. Social Communities
    Kundenkommunikation findet inzwischen verstärkt in sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook und via Whatsapp statt. Darüber hinaus haben sich spezielle Social-Trading-Plattformen wie Ayondo, eToro, Wikifolio oder Zulu Trade herausgebildet. Dort legen erfahrene Anleger ihre Trades und Trading-Strategien offen, sodass andere Kunden von ihren Tipps und/oder der Schwarmintelligenz des Netzwerks profitieren können.

    Das kommt bei einer wachsenden Klientel gut an, auch wenn das Thema Front Running nicht ganz unkritisch ist. Manch einer wird sich noch an die Blogs zu Zeiten der Dotcom-Blase erinnern, als man in Deutschland massenweise australischen Penny-Stocks hinterherjagte.

  6. Online-Beratung
    Unter Online-Beratung ist zum einen die Beratung von Kunden unter Einbindung neuer Medien zu verstehen, zum Beispiel Screen Sharing oder Online-Chats.

    Zum anderen fallen darunter online bereitgestellte Empfehlungen im Wertpapiergeschäft bis hin zur Online-Vermögensverwaltung. Auch Privatbanken könnten ihren Kunden diesen Service als Mehrwert bieten und sich damit von der wachsenden Konkurrenz absetzen. In den USA sind Plattformen wie Personal Capital mit über einer Million Usern damit bereits recht erfolgreich.

  7. Online-Vermögensverwaltung
    Besonders viel Marktpotenzial sehen Experten in Robo Advisory. Die algorithmus-gesteuerte Anlageberatung wird von den Marktführern Wealthfront und Betterment in den USA gezielt vorangetrieben. Allein Betterment, das vor kurzem 100 Million Dollar an Venture Capital erhielt, sammelte zuletzt 2,8 Milliarden Dollar ein. Die Kundenzahl ist auf 150.000 gestiegen.

    Diese Zahlen sollten Privatbanken aufhorchen lassen. Auch wenn sich die Angebote der Robo Advisors bisher noch nicht explizit an vermögende Privatkunden richten und deutsche Firmen wie Easyfolio oder Vaamo noch wenig profitabel sind, zeigen sie auf, welche Veränderungen auch in diesem Segment noch zu erwarten sind.

    Durch die weitgehend automatisierte Portfolio-Allokation, den Einsatz besonders kostengünstiger Fonds sowie geringer Transaktions- und Verwaltungskosten können diese Firmen ihre Dienstleistungen deutlich günstiger anbieten als viele der etablierten Marktteilnehmer. Allein in den USA prognostizieren Studien Ertragsausfälle von bis zu 90 Milliarden US-Dollar, müssten sich die Geldhäuser auf diesen Preiskampf einlassen.

Fazit

Angesichts derartiger Verschiebungen sollten Privatbanken die Konkurrenz im Wealth Management nicht auf die leichte Schulter nehmen. Zumal die Digitalisierung in der Vermögensberatung speziell für private Geldhäuser enormes Innovationspotenzial birgt und somit die Chance, auch in einem stark fragmentierten Markt weiter zu wachsen.

Im zweiten Teil der Artikel-Serie geht es um die Innovations- und Wachstumstreiber für Privatbanken. Der Beitrag folgt in Kürze.


Über die Autoren:
Holger Boschke ist Aufsichtsratsvorsitzender der Beratungsgesellschaft TME. Als ehemaliger stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Kleinwort Benson in London, Investmentchef der Dresdner Bank und Bereichsvorstand Privat- und Geschäftskunden der Commerzbank verfügt er im Private Banking und Wealth Management über besondere Expertise. Insgesamt blickt auf mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Finanzindustrie zurück.

Volker Errolat ist seit Januar 2016 verantwortlich für den Bereich Privat Wealth und Asset Management bei der TME. Seine langjährigen Erfahrungen basieren auf der Verantwortung von Produktentwicklungs- und Digitalisierungsinitiativen bei UBS, Credit Suisse und in der Beratung bei der Wirtschaftskanzlei Pricewaterhouse Coopers.  

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