Wandelanleihen Die Vielseitigkeit einer wenig beachteten Anlageklasse

Fabian Leuchtner, Geschäftsführer der Fondsboutique Aguja Capital

Fabian Leuchtner, Geschäftsführer der Fondsboutique Aguja Capital: „Wandelanleihen sind für Investoren ein spannendes Konstrukt.” Foto: Aguja Capital

Oft wird der Kapitalmarkt mit dem Aktienmarkt gleichgesetzt, und dieser dann auf einige geläufige Namen wie Adidas, BMW oder SAP reduziert. Doch der Kapitalmarkt hat deutlich mehr zu bieten als Aktien von Dax- oder S&P 500-Unternehmen. So ergeben sich oft die spannendsten Chance-Risiko-Profile in eher weniger beachteten Bereichen der Märkte. Hierzu zählen Aktien von Hidden-Champions mit Small-Cap-Charakter, Spezialsituationen wie Übernahmesituationen, Squeeze-Outs oder auch Spin-offs, sowie Hybrid- und Wandelanleihen. Während sich ein Index wie der Dax leicht durch einen ETF abbilden lässt, ist das Investieren in diesen Segmenten deutlich weniger automatisierbar – für Kleininvestoren teils gar nicht zugänglich – aber bietet mitunter die besseren Ergebnisse.

Gerade Wandelanleihen sind dabei ein spannendes Konstrukt. Im Grunde handelt es sich um die Kombination einer Anleihe und einer Aktienoption, oft mit relativ langer Laufzeit. Hierdurch entsteht für den Investor eine Anlage mit Fremd- und Eigenkapital-Charakteristika. Und da jede Wandelanleihe ein eigenes Prospekt mit individuellen Bedingungen mit sich bringt, hat jede Wandelanleihe auch zusätzlich noch ihren ganz eigenen Charakter on top.

Letzteres ist ein wichtiger Aspekt, denn im Falle von Wandelanleihen ist es sehr entscheidend die Parameter zu kennen. Wann kann die Anleihe in Aktien gewandelt werden? Zu welchem Preis kann sie gewandelt werden? Was passiert, wenn das Unternehmen eine Dividende ausschüttet (die ja den Aktienkurs entsprechend beeinflusst) oder zwischenzeitlich übernommen wird? Solche und viele weitere Fragen ergeben sich aus dem Prospekt.

Welche Vorteile bietet dieses komplexe Konstrukt dem Investor? Durch den grundlegenden Typus als Anleihe weist die Wandelanleihe einen im Vergleich zu Aktien deutlich defensiveren Charakter auf. Denn verliert die Wandlungsoption an Wert, so pendelt sich der Preis der Wandelanleihe in der Regel beim Wert der Anleihe ein. Weitere Rückgänge der Aktie sind dann kaum noch relevant, es ergibt sich quasi ein natürliches Fallnetz (gerät der Emittent in Zahlungsschwierigkeiten, kann natürlich auch dieses reißen).

Andererseits kann die Wandelanleihe aber an steigenden Kursen der zugrunde liegenden Aktie teilhaben. Zwar steigt die Aktie in der Regel stärker und schneller als die Wandelanleihe. Doch im Verhältnis zur deutlich geringeren Fallhöhe kann dies ein guter Kompromiss sein. Wichtig ist es daher auch, das Profil der Wandelanleihe zu analysieren: Wie stark müsste die Aktie steigen, damit die Wandelanleihe auch einen lohnenden positiven Kurssprung macht? Um wieviel würde die Wandelanleihe vermutlich fallen, wenn die Aktie einen stärkeren Rücksetzer erleidet? Aus dieser Betrachtung ergibt sich, dass nicht jede Wandelanleihe per taugt.

So kommt es vor, dass die der Option zugrundeliegende Aktie schon dermaßen stark angestiegen ist, dass der Anleihecharakter (also das Fallnetz) kaum noch von Bedeutung ist und die Wandelanleihe im Grunde das Chance-Risiko-Profil der Aktie spiegelt. Oder aber, die Aktie ist bereits so stark gefallen, dass die Wandelanleihe im Grunde lediglich das Profil einer Anleihe des Emittenten darstellt. Beide Fälle können zwar dennoch interessant sein, einen signifikanten Vorteil bietet die Wandelanleihe dann dem jeweiligen anderen Instrument gegenüber aber in der Regel nicht.

Um dies praktisch zu verdeutlichen kann man sich den Verlauf der 2017 vom Solar- und Windparkbetreiber Encavis (ehemals Capital Stage) begebenen Wandelanleihe anschauen. Mit einem Kupon von 5,25 Prozent wurde diese nachrangig mit Nennwert von 100 begeben, mit der Option zu einem Preis pro Aktie von rund 7,60 Euro in Aktien zu wandeln. Damals handelte die Aktie zwischen 6 und 7 Euro.

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Es ergab sich also die Möglichkeit eine nachrangige Anleihe mit laufender Verzinsung von mehr als 5 Prozent zu erwerben und potentiell daran zu partizipieren, dass die Aktie im Rahmen der Energiewende deutlich in Fahrt kommt. Natürlich bedingt es auch in diesem Fall einer Analyse der Bilanz und Zahlungsfähigkeit, denn käme das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten, so entstünde ein Risiko. Doch erfolgt diese positiv, so zeichnet sich ein klar attraktives Profil.

Tatsächlich verging einige Zeit, in der die Aktie sich wenig bewegte und auch die Wandelanleihe entsprechend im Bereich des Nominalwertes verharrte. Doch Mitte 2019 nahm die Aktie an Fahrt auf und erreichte Anfang 2021 Höchststände von 25 Euro pro Aktie. Auf diesem Niveau glich das Profil der Wandelanleihe schon längst dem Profil der Aktie und wies im Grunde die gleichen Risiken bezüglich Kursschwankungen auf. Das asymmetrische Chancenprofil war also längst nicht mehr gegeben.

Beim Investieren in Wandelanleihen kann es durchaus spannend sein, sich die Frage zu stellen, warum sich ein Emittent dazu entscheidet, ausgerechnet eine solches Konstrukt zur Kapitalbeschaffung zu wählen. Denn mit einer Kapitalerhöhung (Aktien) oder normalen Anleihe stehen deutlich simplere Möglichkeiten bereit. Ein Grund für die Wahl einer Wandelanleihe kann sein, dass das Unternehmen den Preis der eigenen Aktie für sehr hoch ansieht und diese Situation ausnutzen möchte, allerdings keine Kapitalerhöhung machen möchte oder kann.

Eine andere Situation wäre die, dass das Unternehmen zwar eigentlich eine Anleihe begeben möchte, der zu bezahlende Kupon aber auf Dauer zu hoch wäre. Durch das Gewähren einer Wandlungsoption lässt sich der Kupon reduzieren. In diesen beiden Fällen wäre die Wandelanleihe zumindest zum Zeitpunkt der Emission möglicherweise nicht als Investment attraktiv. Dies kann sich allerdings im Verlauf der Zeit ändern, so dass auch aus diesen Gründen emittierte Wandelanleihen lohnend werden können.