Geldpolitik Die spinnen, die Profis

Michael Arpe

Michael Arpe

Die Marktteilnehmer bewegte die Frage, ob es nach Jahren des billigen Geldes nun zu einer Trendwende in der Notenbankpolitik kommt, die dann durch die Verringerung der Anleihekäufe zu Zinserhöhungen führen würde. Wird aus Rückenwind nun Gegenwind? Der Ausgangspunkt dieser Diskussion war eine Rede, die Fed-Chef Bernanke im Mai vor dem Kongress hielt. Die professionellen Anleger waren sich einig, dass er in dieser Rede angedeutet habe, die geldpolitischen Stützungsmaßnahmen ab Herbst langsam zurückzufahren. Umso erstaunter war man nun, dass der Notenbankchef dies unterließ und eher unterstrich, bei den bisherigen Lockerungen zu bleiben.

Die Experten eines bekannten Vermögensverwalters haben sich nun die besagte Rede noch einmal ganz genau vorgenommen und dort mit keinem Wort einen Hinweis auf das angebliche Ende des billigen Geldes gefunden. Bernanke hat also das, wovor die Märkte die vergangenen Monate so enorme Angst hatten, gar nicht gesagt. Und trotzdem wurden in den zurückliegenden Monaten Milliardensummen an den Märkten bewegt – aus Angst vor diesen nicht vorhandenen Worten! Dagegen ist der Herdentrieb, den man uns Privatanlegern immer nachsagt, ein Lachsack (und der ist schon kapitalvernichtend genug).

So verbleibt wieder einmal die traurige Nachricht, dass die Profis manchmal noch unprofessioneller sind als die vermeintlichen Amateure. Und dass der Anleger (leider) selbst denken muss, wenn er erfolgreich sein will. Dabei ist doch schon längst klar, dass es sich kein Staat leisten kann, höhere Zinsen für seine Schulden zu zahlen. Der Rückenwind für die Märkte dürfte also vorerst erhalten bleiben. Schwieriger wird es bei der Frage, ob man rechtzeitig erkennen kann, wann der Wind an den Börsen wirklich dreht. Dies dürfte dem einzelnen Privatanleger genauso schwer fallen wie der Horde der angeblichen Profis. Neben dem eigenen (Nach-) Denken sollte der Investor deshalb einen Kreis von Gleichgesinnten um sich scharen, die ihm mit ihrem eigenen kritischen Denken dabei helfen, nicht dem Herdentrieb zu verfallen.

Eine zweite Meldung, die ich sehr spannend fand, ist weitestgehend untergegangen: Die Deutschen sparen am meisten und besitzen trotzdem weniger Vermögen als viele ihrer europäischen Landsleute. Dies war das Ergebnis einer Befragung, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) vorgenommen und inzwischen von Wissenschaftlern in einer gesonderten Studie noch einmal bestätigt wurde. Diese Aussage rief Überraschung und Verwunderung hervor, denn wie kann es sein, dass die „reichen Deutschen“ weniger Vermögen besitzen als der „arme“ Rest in Europa (nur in Spanien hat man noch weniger Vermögen)?

Die Erklärung: Aus lauter Angst um das Ersparte stecken die Deutschen ihr Geld in Anlageklassen, die sie als sicher empfinden, die aber auf mittlere Sicht viel zu wenig Rendite bringen, um Steuern und Inflation aufzufangen. Ganz oben auf der Liste steht dabei das Tagesgeld (oder Festgeld/Sparbuch etc.), in das die Deutschen fast die Hälfte ihres Finanzvermögens stecken. Diese „garantierte“ Vermögensvernichtung macht das ganze Sparen wieder zunichte – und die Deutschen ärmer als die Bürger in anderen europäischen Ländern, die viel mehr in Aktien & Co. investieren. Armes Deutschland.

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